H. Graeven: Die Vorlage des Utrechtpsalters.
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Msc. zu finden“, aber, heisst es am Schluss, dabei muss man bedenken,
dass uns weder illustrierte altchristliche Hss. des Psalters noch genügende
liturgische Kenntnisse jener Frühzeit zu Gebote stehen, um zu ermessen,
ob diese Gattung von Psalterien mit Wortillustrationen nicht schon in Rom
vorhanden und ob dort nicht auch die Theilung des Psalters vor Ps. 77
schon eingeführt war. Es könnten dann den fränkischen Zeichnern eben-
sowohl spätrömische Vorbilder statt der altbyzantinischen vorgelegen haben.“
Mir hatte sich, bevor ich die letzten Ausführungen kennen lernte, die
Ueberzeugung aufgedrängt, dass die Illustrationen, die wir in dem lateini-
schen Psalter vor uns haben, für einen griechischen Text geschaffen sind.
Gestatten Sie mir, Ihnen meine Hauptgründe dafür vorzutragen.5)
Die Art und Weise, in der die jedem Psalm vorangestellte Miniatur
des Utrechter Msc. den nachfolgenden Text illustrirt, können wir bezeich-
nen als eine wörtliche Uebersetzung der Psalmen in die Sprache der bil-
denden Kunst, eine Uebersetzung, die jedesmal möglichst viele der einzel-
nen Verse mit ihren meist bildlichen Ausdrücken durch Zeichnungen wieder-
zugeben sucht. Griechische Psalterhss., deren einige um mehrere Jahr-
hunderte jünger sind als der Utrechtpsalter, andere ihm ungefähr gleich-
altrig sein mögen, haben wohl hie und da den Inhalt eines Psalmverses
durch ähnliche Darstellungen veranschaulicht wie der Utrechter Codex,6)
keine zeigt gleich ihm dies Illustrationsprincip durchgeführt. Jedoch finden
wir die genau entsprechende Illustrationsweise wenigstens eines Psalms in
spätbyzantinischen Fresken. Das Malerbuch vom Berge Athos giebt unter
dem Titel xaoa itvo7] aivsoärw töv xv das Recept für ein Bild, das nichts
Anderes ist als die Darstellung des 148. Ps., und die Vorhallen der Kirchen
in mehreren Athosklöstern zeigen die Ausführung jener Vorschriften.
Didron in seiner Ausgabe des Malerbuches beschreibt ausführlich das be-
treffende Bild im Kloster Jwiron,7) doch seine Beschreibung liefert keine
klare Vorstellung von dem Fresko. Ich vermag daher nicht zu prüfen,
wie weit die Composition mit der Illustration des Utrechtpsalters überein-
stimmt. Nur zwei Punkte möchte ich hervorheben. Didron bemerkt:
„Puis au psaume 148 . . on joint le löOpsaume ... on voit des musiciens
de tonte espece, precedes par David, qui pince de la harpe, et par Salo-
mon, qui chante sur un cahier de musique“. Die Miniatur des 150. Ps.
zeigt in der einen Reihe der Musikanten an erster Stelle einen Harfen-
spieler, an zweiter einen Sänger mit dem Notenblatt in der Hand, das
5) Die dem Utrechtpsalter nahe verwandte Handschrift in Stuttgart (Kgl.
öff. Bibliothek, Bibi. fol. 23) konnte von mir nicht berücksichtigt werden, da mir
die Gelegenheit fehlte, diese Miniaturen, kennen zu lernen. Die ausführlichste
Nachricht von der Handschrift giebt Goldschmidt, Der Albanipsalter, Berlin 1895
p. 10 ff. Wenn der griechische Ursprung der Bilder im Utrechtpsalter durch
meine Ausführungen erwiesen ist, gilt dasselbe von der Stuttgarter Handschrift.
6) Einige Beispiele sind angeführt von Goldschmidt a. a. 0., zahlreichere
von Tikkanen, Die Psalterillustrationen im Mittelalter I p. 29 ff.
7) Manuel d’iconographie chretienne. Paris 1845 p. 237 Anm.
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Msc. zu finden“, aber, heisst es am Schluss, dabei muss man bedenken,
dass uns weder illustrierte altchristliche Hss. des Psalters noch genügende
liturgische Kenntnisse jener Frühzeit zu Gebote stehen, um zu ermessen,
ob diese Gattung von Psalterien mit Wortillustrationen nicht schon in Rom
vorhanden und ob dort nicht auch die Theilung des Psalters vor Ps. 77
schon eingeführt war. Es könnten dann den fränkischen Zeichnern eben-
sowohl spätrömische Vorbilder statt der altbyzantinischen vorgelegen haben.“
Mir hatte sich, bevor ich die letzten Ausführungen kennen lernte, die
Ueberzeugung aufgedrängt, dass die Illustrationen, die wir in dem lateini-
schen Psalter vor uns haben, für einen griechischen Text geschaffen sind.
Gestatten Sie mir, Ihnen meine Hauptgründe dafür vorzutragen.5)
Die Art und Weise, in der die jedem Psalm vorangestellte Miniatur
des Utrechter Msc. den nachfolgenden Text illustrirt, können wir bezeich-
nen als eine wörtliche Uebersetzung der Psalmen in die Sprache der bil-
denden Kunst, eine Uebersetzung, die jedesmal möglichst viele der einzel-
nen Verse mit ihren meist bildlichen Ausdrücken durch Zeichnungen wieder-
zugeben sucht. Griechische Psalterhss., deren einige um mehrere Jahr-
hunderte jünger sind als der Utrechtpsalter, andere ihm ungefähr gleich-
altrig sein mögen, haben wohl hie und da den Inhalt eines Psalmverses
durch ähnliche Darstellungen veranschaulicht wie der Utrechter Codex,6)
keine zeigt gleich ihm dies Illustrationsprincip durchgeführt. Jedoch finden
wir die genau entsprechende Illustrationsweise wenigstens eines Psalms in
spätbyzantinischen Fresken. Das Malerbuch vom Berge Athos giebt unter
dem Titel xaoa itvo7] aivsoärw töv xv das Recept für ein Bild, das nichts
Anderes ist als die Darstellung des 148. Ps., und die Vorhallen der Kirchen
in mehreren Athosklöstern zeigen die Ausführung jener Vorschriften.
Didron in seiner Ausgabe des Malerbuches beschreibt ausführlich das be-
treffende Bild im Kloster Jwiron,7) doch seine Beschreibung liefert keine
klare Vorstellung von dem Fresko. Ich vermag daher nicht zu prüfen,
wie weit die Composition mit der Illustration des Utrechtpsalters überein-
stimmt. Nur zwei Punkte möchte ich hervorheben. Didron bemerkt:
„Puis au psaume 148 . . on joint le löOpsaume ... on voit des musiciens
de tonte espece, precedes par David, qui pince de la harpe, et par Salo-
mon, qui chante sur un cahier de musique“. Die Miniatur des 150. Ps.
zeigt in der einen Reihe der Musikanten an erster Stelle einen Harfen-
spieler, an zweiter einen Sänger mit dem Notenblatt in der Hand, das
5) Die dem Utrechtpsalter nahe verwandte Handschrift in Stuttgart (Kgl.
öff. Bibliothek, Bibi. fol. 23) konnte von mir nicht berücksichtigt werden, da mir
die Gelegenheit fehlte, diese Miniaturen, kennen zu lernen. Die ausführlichste
Nachricht von der Handschrift giebt Goldschmidt, Der Albanipsalter, Berlin 1895
p. 10 ff. Wenn der griechische Ursprung der Bilder im Utrechtpsalter durch
meine Ausführungen erwiesen ist, gilt dasselbe von der Stuttgarter Handschrift.
6) Einige Beispiele sind angeführt von Goldschmidt a. a. 0., zahlreichere
von Tikkanen, Die Psalterillustrationen im Mittelalter I p. 29 ff.
7) Manuel d’iconographie chretienne. Paris 1845 p. 237 Anm.