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Repertorium für Kunstwissenschaft — 21.1898

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Dülberg, Franz: Lucas van Leyden als Illustrator
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https://doi.org/10.11588/diglit.68268#0050

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38

Franz Dülberg:

der ungefähr quadratisch mehr als die Hälfte des Blattes einnimmt und
den Heiligen Martin mit dem Bettler darstellt (vgl. die — verkleinerte —
Abbildung). In der Mitte hält der jugendliche Heilige zu Pferde und zer-
theilt mit dem Schwert seinen Mantel, nach dem der knieend von rechts
nahende Bettler greift. Links reitet der Knappe in ein Thor ein. Hinter-
grund eine Stadt mit spitzen Thürmen. Das Bild tritt durch die Rundung
und Bewegtheit der Formen aus Allem, was man gerade vom ersten Jahr-
zehnt des XVI. Jahrhunderts in den Niederlanden kennt, heraus: es erinnert
in den schwammig verfliessenden Zügen des Heiligen und in der richtigen,
aber etwas hölzernen Zeichnung des Pferdes so deutlich an Lucas’ frühen
Stich „David und Abigail“ (B. 24), dass für mich die Autorschaft des Meisters
äusser Zweifel steht. Der Bettler mit dem treuen Blick und der trefflich
zerlumpten Kleidung erscheint unendlich einfacher und lebenswahrer als in
Engelbrechtsen’s Darstellung (auf dem Flügel der Leydener Beweinung Christi).
Der Schnitt ist klar mit scharf geführten langen Strichen.8) Der sichere Wurf
dieses Blattes, das nach dem Datum des Buches nicht später als März 1508 ent-
standen sein kann, wird im Verein mit der reichen Durchführung des gleich-
falls 1508 datirten Stiches „Mahomet und Sergius“ (B. 126) dazu zwingen, eine
Anzahl Anfängerstiche des Lucas mindestens bis 1507 hinaufzurücken.
Eine Nöthigung, an dem durch van Mander gegebenen Geburtsjahr 1494
zu rütteln, liegt trotzdem nicht vor. Dürers Selbstportrait des 12jährigen
Knaben und Raffael’s venezianisches Skizzenbuch zeigen, welche Früh-
reife in diesem tropischen Zeitalter möglich war. Gerade jflie Kunst des
Leydeners trägt ein Zeichen überschnellen Wachsthums: er hat — im
Gegensatz zu Dürer — nie aus dem Grunde zeichnen gelernt und ist selbst
auf der Höhe seiner Kraft nicht sicher in der Bildung von Händen und
Füssen.9)
1514. Missale ad verum cathedralis ecclesie Traiectensis ritü: uni-
versis eiusdem dioceseos institutis ac novis festisque compositis facilimo
indice annotatis. Quod Joanes Severini calchographus in opido leidensi
imprimebat. Anno hüane salutis millesimo qügetesimo decimoquarto ka-
ledis Junij. Folio. (Haarlem, Bischöfliches Museum.)
Dieses Buch verwendet den eben besprochenen Titelholzschnitt in
gleicher Eigenschaft. Sodann treffen wir in ihm zwei durch ihre Wieder-
benutzung in der Cronycke van Holland bereits bekannte Stücke von Lucas
van Leyden an: die etwa 8 cm hohe Geburt Christi, (Missale: ersterTheil:
f. 10 recto; Cronycke: f. 26 verso) und das blattgrosse Crucifix mit Maria und
Johannes, (Missale: im Hymnus Angelicus, der ohne Blattzählung
auf den ersten Theil folgt; Cronycke: f. 28 recto. —Passavant21). Das
Crucifix ist nebst dem darauf folgenden Blatte auf Pergament gedruckt. Es

8) Ist das unten in der Mitte angebrachte Zeichen das des Holzschneiders?
9) Hände oft naturwidrig verknorpelt (Hand des Mars auf B. 137 von 1530),
die grosse Zehe von gleicher Structur wie die vier kleinen (Adam und Eva von
1519, B. 8).
 
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