Zur Geschichte der altchristlichen und der frühbyzantinischen Kunst. 111
ein gewisser moderner Zug Verdacht, der untere Theil seines Gewandes
ist gemalt.
Nachdem Redin noch auf Grund der Ricci’schen Photographie nach
einer Durchzeichnung der im Jahre 1847 von König Friedrich Wilhelm IV.
erworbenen Apsis- und Triumphbogen-Mosaiken der Kirche des heiligen
Michael in Africisco gehandelt und sodann die auf uns gekommenen Nach-
richten über die zu Grunde gegangenen Mosaiken einer eingehenden Be-
sprechung unterzogen, stellt er die politisch- und kirchengeschichtlichen
Thatsachen zusammen, die die Einwirkung der byzantinischen Kunst auf
die ravennatische erklären. Hier kann nur ein kurzer Auszug aus diesem
Schluss-Abschnitte gegeben werden:
An der Spitze der Kirche von Ravenna standen von ihrer Be-
gründung an bis zum V. Jahrhundert viele griechische oder syrische Bischöfe.
Galla Placidia hatte ihre Erziehung im Palast von Constantinopel erhalten
und stand somit unter dem Einflüsse der byzantinischen Cultur. Auch
Theoderich lebte bis zu seinem achtzehnten Jahre in Constantinopel und wurde
mit der Zustimmung des byzantinischen Hofes König von Italien. Be-
sonders gross musste der Einfluss von Byzanz in der Zeit des Exarchats
werden. Er zeigte sich auf allen Gebieten des Culturlebens29); ein grosser
Theil der höchsten weltlichen und kirchlichen Aemter wurde Griechen
anvertraut; Ravenna besass eine bedeutende griechische Colonie; syrische
Kaufleute; griechische Mönche, Fabrikanten, Geldwechsler. Es verbreiteten
sich griechische Trachten und Sitten, sowie der Cultus griechischer Heiliger.
Kunstgeschichtlich wichtig ist es, dass schon unter den von Agnellus30)
aus Anlass der inneren Ausstattung der Basilika des Ursus genannten
Künstlern neben römischen Namen auch griechische Vorkommen: Euserius
(oder Cuserius) Paulus, Agatho. Die griechischen nach Ravenna über-
gesiedelten Meister werden eingeborene Schüler erzogen haben.
Das vortreffliche Werk Redin’s steigert den schon seit langem sich
fühlbar machenden Wunsch, baldmöglichst eine treue farbige Veröffent-
lichung der Mosaiken Ravenna’s zu erhalten.
29) Diehl, Etudes sur l’administration byz. dans l’exarchat de Ravenne, liv.
III, ch. 2: L’Hellenisme dans l’Italie byzantine; Frothingham, Notes on Byz. art and
culture in Italy (American Journal of Archaeology 1895, 158—159).
30) Lib. pont. a. a. 0. p. 288, 289.
ein gewisser moderner Zug Verdacht, der untere Theil seines Gewandes
ist gemalt.
Nachdem Redin noch auf Grund der Ricci’schen Photographie nach
einer Durchzeichnung der im Jahre 1847 von König Friedrich Wilhelm IV.
erworbenen Apsis- und Triumphbogen-Mosaiken der Kirche des heiligen
Michael in Africisco gehandelt und sodann die auf uns gekommenen Nach-
richten über die zu Grunde gegangenen Mosaiken einer eingehenden Be-
sprechung unterzogen, stellt er die politisch- und kirchengeschichtlichen
Thatsachen zusammen, die die Einwirkung der byzantinischen Kunst auf
die ravennatische erklären. Hier kann nur ein kurzer Auszug aus diesem
Schluss-Abschnitte gegeben werden:
An der Spitze der Kirche von Ravenna standen von ihrer Be-
gründung an bis zum V. Jahrhundert viele griechische oder syrische Bischöfe.
Galla Placidia hatte ihre Erziehung im Palast von Constantinopel erhalten
und stand somit unter dem Einflüsse der byzantinischen Cultur. Auch
Theoderich lebte bis zu seinem achtzehnten Jahre in Constantinopel und wurde
mit der Zustimmung des byzantinischen Hofes König von Italien. Be-
sonders gross musste der Einfluss von Byzanz in der Zeit des Exarchats
werden. Er zeigte sich auf allen Gebieten des Culturlebens29); ein grosser
Theil der höchsten weltlichen und kirchlichen Aemter wurde Griechen
anvertraut; Ravenna besass eine bedeutende griechische Colonie; syrische
Kaufleute; griechische Mönche, Fabrikanten, Geldwechsler. Es verbreiteten
sich griechische Trachten und Sitten, sowie der Cultus griechischer Heiliger.
Kunstgeschichtlich wichtig ist es, dass schon unter den von Agnellus30)
aus Anlass der inneren Ausstattung der Basilika des Ursus genannten
Künstlern neben römischen Namen auch griechische Vorkommen: Euserius
(oder Cuserius) Paulus, Agatho. Die griechischen nach Ravenna über-
gesiedelten Meister werden eingeborene Schüler erzogen haben.
Das vortreffliche Werk Redin’s steigert den schon seit langem sich
fühlbar machenden Wunsch, baldmöglichst eine treue farbige Veröffent-
lichung der Mosaiken Ravenna’s zu erhalten.
29) Diehl, Etudes sur l’administration byz. dans l’exarchat de Ravenne, liv.
III, ch. 2: L’Hellenisme dans l’Italie byzantine; Frothingham, Notes on Byz. art and
culture in Italy (American Journal of Archaeology 1895, 158—159).
30) Lib. pont. a. a. 0. p. 288, 289.