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Repertorium für Kunstwissenschaft — 21.1898

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Frizzoni, Gustavo: Zu den vermeinten Zeichnungen Pinturicchio's für das Appartamento Borgia
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https://doi.org/10.11588/diglit.68268#0297

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Gustavo Frizzoni: Zu den vermeinten Zeichnungen Pinturicchio’s. 285
Vorrath des venetianischen Skizzenbuches absähe, welches ihm doch von
vielen Sachverständigen im Wesentlichen zu erkannt wird.
Dass hingegen die sieben von Venturi erwähnten Zeichnungen mit
der grössten Wahrscheinlichkeit auf Gentile Bellini zurückzuführen sind,
wie man bisher richtig angenommen, das kann man durch verschiedene
Gründe beweisen. Besonders durch den individuellen Stil des Gentile, seine
charakteristischen Physiognomien, die in grossen Flächen angegebenen
Gewänder, durch die steifen Falten und Finger u. s. w. Will man sich
dagegen die Auffassung des umbrischen Meisters klar machen, so betrachte
man nur die einherschreitende weibliche Figur in der Uffizien-Sammlung, als
deren Urheber Pinturicchio von Niemandem angefochten wird, abgebildet
auf Seite 359 von Lermolieff’s III. Bande der kunstkritischen Studien.
Für die venetianische Herkunft der sieben Blätter aber spricht noch
ein Umstand, der Venturi nicht hätte entgehen sollen, da er auf einem
untrüglichen orthographischen Zeichen beruht. Rings um die merkwürdige
weibliche Gestalt im British Museum, welche nach orientalischer Sitte aut
dem Boden sitzend dargestellt ist, sind gleichzeitig in Handschrift die
Farben angegeben, welche sich auf die Gewandung der Frau beziehen.
Darin liest man nun, dem venetianischen Dialecte gemäss, arzento statt
argento (Silber). Ein Umbrier hätte diese Wortform nie gebraucht.
Es ist übrigens bekannt, dass Gentile Bellini auf Ersuchen des Sul-
tans Mahomed II. 1479 sich nach Constantinopel begab, wo er über ein
Jahr in seinem Dienste blieb. Nichts liegt also näher als die Annahme,
dass er einige dieser fremdländischen Typen skizzirt und als Vorlagen zu
seinen Bildern benützt hat. Man denke dabei nur an das grosse Gemälde
der Predigt des heiligen Marcus auf dem Platze von Alexandrien in der
Breragalerie.
Venturi scheint noch bei der Betrachtung der sieben Zeichnungen
übersehen zu haben, dass eigentlich nur zwei derselben als Originale an-
gesehen werden können: die sitzenden Figuren eines Janitscharen uncl
einer Türkin im British Museum. Die anderen mit der unsicheren, weiche-
ren Ausführung sind spätere Copien nach ähnlichen Vorlagen. Die Ver-
schiedenheit des Papiers dürfte dies wohl weiterhin bezeugen. Interessant
bleibt schliesslich die Thatsache, dass Pinturicchio, welcher auch sonst Zeich-
nungen anderer Meister benutzt hat, in dem Gemälde der heiligen Catha-
rina, die sich vor den Ungläubigen vertheidigt, zwei bei dem Richter
stehende Figuren mit einigen Veränderungen den von Gentile Bellini ab-
gebildeten Türken direct entlehnt hat. Dr. Gustavo Frizzoni.
 
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