420 August Schmarsow:
genauer ist als in Naumburg. Ich meine eine bestimmte Anzahl von
Ueberresten statuarischen Schmuckes im Dom zu Magdeburg.“2)
„Mit den Darstellungen Kaiser Heinrich’s II. und Kunigundens am
Ostportal zu Bamberg gehören die sitzenden Figuren Kaiser Otto’s I. und
seiner ersten Gemahlin Edith im Chorumgang zu Magdeburg aufs Engste
zusammen. Erst jetzt, wo sie trotz ihrer unverständlichen Aufstellung in
dem steinernen Kuppelmodell, das an Gelnhausen erinnert, gut photo-
graphirt worden, ist überzeugende Vergleichung möglich. Die Formgebung
geht bei den beiden Frauen bis hinein in die schmalen, etwas eckigen
Schultern und die Warzenhügel des flachen Busens, die unter dem Ge-
wände noch ebenso scharf vorstehen wie bei der nackten Eva, in den
nämlichen Geleisen.“ Für den Kenner der gothischen Skulptur ist solcher
Hinweis auf die festen Puncte der Figurenconstruction dieses Stiles vor-
erst ausreichend. Eine wissenschaftliche Behandlung der Bamberger resp.
Magdeburger Statuen würde dagegen von genauen Nachmessungen nicht
absehen dürfen. ,
„Das völlig bemalte Kaiserpaar in Magdeburg ist natürlich älter
als die Portalsculpturen in Bamberg, gehört aber auch erst in die vor-
geschrittene Zeit, um die Mitte des XIII. Jahrhunderts. Es bewahrt in
Haltung und Gewandung völlig spätromanischen Charakter, während in
Bamberg besonders die Kaiserin Kunigunde in den scharfen Langfalten
ihres gürtellosen Kleides schon gothische Manier offenbart, und ein
unverkennbar frühgothisches Kirchenmodell mit Kapellenkranz und Strebe-
werk im Arm hält.“
„In Magdeburg ist aber in derselben Kapelle des Chores noch ein
anderer Vorbote des Bamberger Stiles vorhanden, der sogar die Ver-
bindung zwischen S. Stephanus am Ostportal und der auffallendsten Statue
im Innern des Domes darstellt. Es ist der Engel Gabriel aus einer Ver-
kündigungsgruppe, mit schwerem Scepter und Schriftband in der Linken
und sprechend erhobener Rechten, welche die Botschaft seines freund-
lichen Mundes begleitet.3) Wir haben den breiten Typus dieses woll-
haarigen Krauskopfs schon gelegentlich wegen seines „archaischen“
Lächelns erwähnt, das hier allerdings das Nahen eines neuen Stiles ver-
kündigt, und seiner überraschenden Beziehung zum Himmelsboten in Bam-
berg gedacht, dessen kleinere Abbilder wieder beim jüngsten Gericht am
Nordportal mitspielen. Hier sei nur auf die Bildung der linken Hand und
das hoch gegen die Brust schlagende Schriftband hingewiesen, nach dem
sich die Beschädigung des Bambergers ergänzen liesse. Auch hier macht
die kleine Magdeburger Figur einen alterthümlicheren Eindruck, obgleich
2) Ich bin es den nähern Fachgenossen wie mir selber schuldig, den Wort-
laut der entscheidenden Stellen aus der Abhandlung von 1892 wieder anzuführen,
um unzulängliches Verständniss oder entstellenden Bericht auszuschliessen.
3) Gipsabguss im Albertinum zu Dresden. Ebenda der Stephanus aus Bam-
berg und andere Hauptfiguren, die auch in Berlin vorhanden sind.
genauer ist als in Naumburg. Ich meine eine bestimmte Anzahl von
Ueberresten statuarischen Schmuckes im Dom zu Magdeburg.“2)
„Mit den Darstellungen Kaiser Heinrich’s II. und Kunigundens am
Ostportal zu Bamberg gehören die sitzenden Figuren Kaiser Otto’s I. und
seiner ersten Gemahlin Edith im Chorumgang zu Magdeburg aufs Engste
zusammen. Erst jetzt, wo sie trotz ihrer unverständlichen Aufstellung in
dem steinernen Kuppelmodell, das an Gelnhausen erinnert, gut photo-
graphirt worden, ist überzeugende Vergleichung möglich. Die Formgebung
geht bei den beiden Frauen bis hinein in die schmalen, etwas eckigen
Schultern und die Warzenhügel des flachen Busens, die unter dem Ge-
wände noch ebenso scharf vorstehen wie bei der nackten Eva, in den
nämlichen Geleisen.“ Für den Kenner der gothischen Skulptur ist solcher
Hinweis auf die festen Puncte der Figurenconstruction dieses Stiles vor-
erst ausreichend. Eine wissenschaftliche Behandlung der Bamberger resp.
Magdeburger Statuen würde dagegen von genauen Nachmessungen nicht
absehen dürfen. ,
„Das völlig bemalte Kaiserpaar in Magdeburg ist natürlich älter
als die Portalsculpturen in Bamberg, gehört aber auch erst in die vor-
geschrittene Zeit, um die Mitte des XIII. Jahrhunderts. Es bewahrt in
Haltung und Gewandung völlig spätromanischen Charakter, während in
Bamberg besonders die Kaiserin Kunigunde in den scharfen Langfalten
ihres gürtellosen Kleides schon gothische Manier offenbart, und ein
unverkennbar frühgothisches Kirchenmodell mit Kapellenkranz und Strebe-
werk im Arm hält.“
„In Magdeburg ist aber in derselben Kapelle des Chores noch ein
anderer Vorbote des Bamberger Stiles vorhanden, der sogar die Ver-
bindung zwischen S. Stephanus am Ostportal und der auffallendsten Statue
im Innern des Domes darstellt. Es ist der Engel Gabriel aus einer Ver-
kündigungsgruppe, mit schwerem Scepter und Schriftband in der Linken
und sprechend erhobener Rechten, welche die Botschaft seines freund-
lichen Mundes begleitet.3) Wir haben den breiten Typus dieses woll-
haarigen Krauskopfs schon gelegentlich wegen seines „archaischen“
Lächelns erwähnt, das hier allerdings das Nahen eines neuen Stiles ver-
kündigt, und seiner überraschenden Beziehung zum Himmelsboten in Bam-
berg gedacht, dessen kleinere Abbilder wieder beim jüngsten Gericht am
Nordportal mitspielen. Hier sei nur auf die Bildung der linken Hand und
das hoch gegen die Brust schlagende Schriftband hingewiesen, nach dem
sich die Beschädigung des Bambergers ergänzen liesse. Auch hier macht
die kleine Magdeburger Figur einen alterthümlicheren Eindruck, obgleich
2) Ich bin es den nähern Fachgenossen wie mir selber schuldig, den Wort-
laut der entscheidenden Stellen aus der Abhandlung von 1892 wieder anzuführen,
um unzulängliches Verständniss oder entstellenden Bericht auszuschliessen.
3) Gipsabguss im Albertinum zu Dresden. Ebenda der Stephanus aus Bam-
berg und andere Hauptfiguren, die auch in Berlin vorhanden sind.