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Repertorium für Kunstwissenschaft — 25.1902

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Bruck, Robert: Der Tractat des Meisters Antonio von Pisa über die Glasmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.61695#0256

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242

Robert Bruck:

einandergesetzt und dadurch das „Fortlaufende“ stark hervorgehoben. Die
Anweisung unseres Tractates erreicht dieses durch ein etwas deutlicher sicht-
bares Mittel, indem bei jeder Blättergruppe immer ein Blatt aufwärts ge-
richtet (senkrecht) gemalt werden soll. Durch dieses aufrechtstehende Blatt
wird unser Auge mit der folgenden Blattgruppe verbunden und von dieser
wieder durch ein senkrechtes Blatt zur folgenden hingeleitet u. s. w.
Es wird bei „Wie die Farben anzuwenden sind“ empfohlen, Grün zu
verarbeiten und einen ausgedehnten Gebrauch von Weiss zu machen.
Die damals satte grüne Farbe des Glases, erst später kommt ein helleres
Grün vor, stimmte auch wunderbar zu dem dunklen Roth und dem tiefen
Blau und wurde noch mehr durch das goldige Gelb und das wie Silber
glänzende Weiss hervorgehoben. Welchen Effect das Weiss hervorbringen
konnte, ersieht man am besten an dem prachtvollen, 1493 entstandenen
Volkammerfenster in der S. Lorenzkirche in Nürnberg. Auch bei be-
stimmtem Farbenwechsel, wie er bei den Rundfenstern, den sogenannten
Rosen, eintrat, spielte Grün und Weiss eine bedeutende Rolle, besonders
bei der „Farbenverschiebung,“ wo bestimmte Farben im betreffenden Or-
namentfenster mit bestimmten anderen regelmässig abwechselten.
Dass St. Petrus mit gelbem Mantel und blauer Tunica dargestellt
werden soll, wie unser Tractat besagt, geht auf einen alten Gebrauch zu-
rück. Otte3) sagt: „dass die Farbe der liturgischen Gewänder ursprüng-
lich nach dem Vorbilde sowohl der alttestamentlich-priesterlichen, als der
römisch-senatorischen Tracht und in naheliegender Symbolik durchaus
weiss war, höchstens mit bunten Verzierungsstreifen.“ Ueber die seit dem
XI. Jahrhundert in Gebrauch gekommenen buntfarbigen Stoffe gab es aber
deshalb keine bindende Vorschrift, weil die Stoffe aus dem Orient bezogen
werden mussten und bei ihrer Seltenheit meist von Gläubigen als kostbare Ge-
schenke überreicht wurden. Erst als im Laufe des XII. Jahrhunderts die Seiden-
fabrication auch im Abendlande eingeführt worden war, bildeten sich für die
Bekleidung der Priester, Diakonen und des Altares die Vorschriften über die
liturgischen Farben heraus, die bis heute vielfach in Geltung blieben.
Kannte Theophilus nur das Schwarzloth als Malfarbe, so finden wir
in unserem Tractate auch die Recepte für die Bereitung des Silbergelb,
wobei es mir allerdings nicht möglich war, Genaueres über die angeführten
„paternostri“ in Erfahrung zu bringen, die jedenfalls von den kleinen bunten
Glaskugeln, wie sie in Venedig für die Rosenkränze hergestellt wurden, den
Namen erhielten. Wie der Rosenkranz selbst aus dem Orient zu uns gekommen
ist,4) so liegt auch dieVermuthung nahe, dass wir die Schmelzfarben inPerlen-
gestalt aus dem Orient (Persien) zuerst über Venedig erhalten haben.
Bemerkenswerth ist, dass das im Tractate angegebene Bindemittel
für die Farbe: „die Tempera aus Ei und Feigenmilch“ dasselbe ist, wel-
ches auch die Tafelmaler ihrer Zeit gebrauchten.
3) H. Otte. Kunstarchäologie. Bd. I. S. 272.
4) Der Gebrauch des Rosenkranzes, als religiöse Rechenmaschine, ist in In-
dien bis in’s höchste Alterthum zu verfolgen. Vergl. von Bohlen, Das alte Indien. I. 339.
 
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