Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Repertorium für Kunstwissenschaft — 25.1902

DOI article:
Jacobsen, Emil: Italienische Gemälde im Louvre, [2]: kritische Notizen zu den im neuesten Katalog angeführten Bildern, sowie zu den vielen neuen Erwerbungen
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61695#0302

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
288

Emil Jacobsen:

Der röthliche Ton der Carnation und die vagen, halb verwischten Formen
der Landschaft zeigen schon, dass kein Original vorliegt. Doch ist es
wahrscheinlich, dass ein Werk des Meisters, welches wohl ursprünglich
keinen Bacchus, sondern einen Johannes darstellte, dem Gemälde zu
Grunde liegt. Lionardo dürfte selbst mit wenigen Pinselstrichen den
Weinkranz um das Haupt gewunden und das Rohrkreuz in einen Thyrsus-
stab umgeändert haben, denn ein Zeitgenosse, F. A. Giraldi, preist den
Weingott des Meisters: „Ter geminum posthac, mortales credite Bacchum“
„Me peperit docta Vincius ille manu.“ Das Motiv hierzu ist wohl in der
Nacktheit des schönen Jünglings zu suchen, an welcher der geistliche
Besteller wahrscheinlich Anstoss genommen hat. Der Hirsch, welcher im
Mittelgründe ruht, deutet noch auf die erste Redaction, denn in der
christlichen Symbolik ist dieser Sinnbild der heilsbedürftigen Seele und
der christlichen Taufe (Psalm 42, 2). Im Vordergründe wuchern aller-
hand feine, nach der Natur gezeichnete Kräuter empor, in ähnlicher
Weise wie in der Felsenmadonna. Der früher erwähnte Johannes nach
Raffael in der Tribuna, der eben erwähnte lionardische Johannes und unser
Bacchus sind im Motiv sehr verwandte Darstellungen, die gewiss nicht
ohne Beziehungen zu einander sind. Unter den uns bekannten Schülern
und Nachahmern Lionardo’s dürfte d’Oggionno wohl am ersten in Frage
kommen. Auf ihn passt jedenfalls die röthliche Carnation.
Vinci (nach Lionardo da). 464. Das heilige Abendmahl. Noch
viel deutlicher als in dem ebenerwähnten Bilde lässt sich hier die Hand
Marco d’Oggionno’s erkennen. Andere Copien von derselben Hand befinden
sich im Refectorium von St. Maria della Grazie, in Mailand und in der
Akademie zu London.
Vinci (Schule des Lionardo da). 465. La Vierge aux Balances.
Das Bild ist von einigen Kritikern, zuerst von Mündler, dem Cesare da
Sesto, gewiss mit Unrecht, zugeschrieben. Die feinen langgezogenen,
schmalen Gesichter der Maria und des Erzengels stehen den sehr
lionardesken Gesichtstypen Luini’s viel näher. Auch der Kopf der hl. Elisabeth
dürfte in Bildern Luini’s sein Vorbild haben. Die Kinder gehen aber
direct auf Lionardo zurück, doch mit ihren grossen Köpfen und ver-
krüppelten Körpern fast als Caricaturen desselben. Die von Pflanzen-
wuchs überwucherte Felsenwand hat ihr deutliches Vorbild in der „Vierge
aux rochers“. Das Bild im Ganzen kann als ein sehr gefälliges Centone
aus lionardischen Motiven gelten. — 466. Frauenportrait. Wahrscheinlich
von Bernardino dei Conti.
Florentinische Schule. 492. Verkündigung. Schwaches floren-
tinisches Schulbild, theils an Baldovinetti, theils an Fiesoie erinnernd. —
493. Maria mit dem Kinde. Schwaches Bild aus der Schule Botticellfs.
— 494. Hl. Hieronymus. Neuerdings von H. Mackowsky neben einer Reihe
anderer Bilder dem Jacopo Sellajo zügeschrieben.72) Im Mittelgründe

73) Siehe Jahrbuch der kgl. preuss. Kunstsammlungen XX. Es ist das Ver-
 
Annotationen