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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 12.1906

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Nr. 8
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Schur, Ernst: Die Raumkunst in Dresden 1906
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https://doi.org/10.11588/diglit.26232#0088

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DIE RAUMKUNST IN DRESDEN 1906.

Denn es liegt in dieser Art viel Zukunft. Wir
brauchen ebensosehr originale Neuschöpfer auf
diesem praktischen Gebiete, wie sinnvolie, fein-
fuhlende Gestaiten, die mit Geschmack ein
anheimelndes Interieur zu geben wissen.
Das Haus selbst zeigt einfache, leicht gefäliige
Form und wirkt in seiner weißen sauberen
Front freundiich. Die vor dem Eingang amphi-
theatraiisch vertiefte Rasenanlage gibt einen
stimmungsvolien Aufkiang. Auch der Garten,
der sich im Mittelteil behndet, den die Flügel
des Gebäudes einrahmen, ist mit Giück gestaltet.
Ein echter deutscher Garten, kein gedrechseltes
Schema, ohne regulierte Beete. Und doch ist
in dieser natürlichen Form ein Stil, der Stil der
fröhiichen Natur, die hier einen Baum wachsen
läßt und da einer Füile von Blumen Gedeihen
gibt. Nur wenig mischt sich die Kunst da
hinein, nur zu dem Zweck, das Zufällige ge-
täilig zu betonen und dem Ganzen eine ab-
gerundete Erscheinung zu geben. Auf grünem
Rasen hier und da ein Baum, der sich voli
auswächst, seine Biütenzweige zwanglos aus-
breitet. Das alies ist ohne Schema und doch
merkt man in der Art, wie der Baum hin-
gesetzt ist, wie die Rasenßäche zu ihm steht,
künstierische Anordnung. Ein Beet vioietter
Blumen drängt sich dicht zusammen. Und
ernst wirken die hohen Pappein, die sich an
die Mauer drängen.
Durch ein schönes Vestibüi von einfacher
Form und biauer Tönung treten wir in einen heii-
getäfeiten Saion in Björkhoiz (Architekt Kreis).
Die Decke ist niedrig, auch die Fenster liegen
niedrig. Es ist der Charakter alter Burgen hier
ins Moderne übertragen. Überali gemütiiche,
intime Winkel, als ob man von einem Turm-
zimmer über Land schaut. Dann ein Herren-
zimmer in Ulmenhoiz (Architekt Lassen), das
einfach, solid ist, ohne alies überßüssige Bei-
werk; darum ist es gut. Der Schmuck tritt vor
dem Zweckmäßigen zurück. Auch die Decke
ist in ihrer verständigen, ruhigen Giiederung
und diskreten Tönung geiungen. Das Fest-
zimmer (Björkhoiz) von E. Kieinhempei macht
einen stimmungsvollen Eindruck. Der Boden
erhält durch eingelegte kleine Vierecke (ab-
wechselnd braun und heli) etwas Lebhaftes.
Das Musikzimmer febenfaiis Björkhoiz) zeigt
bemalte Wände. Es ist auf den Putz gemait
worden, blau und grün. Unten zieht sich ein
grauer Fries herum. Auf diesem grauen Hinter-
grund hängen die Kunstphotographien gut, die
in ihren großen schwarzen Fiächen wie Radie-
rungen wirken. Fein hängen die eiektrischen
Lampen von der Decke, je eine Birne an dünner
Kette. Der Gartensaion von Fr. Kieinhempei
zeigt einen schönen dunkeiblauen Wandbrunnen,
der dem Raum treffiich eingefügt ist. Nur die
Decke hat kieiniichen Schmuck erhalten in den
Tannengirianden, die in einem Zimmer doch nur
ais Staubfänger wirken. Fr. Schumacher über-

trägt in seinem Wohnzimmer (naturfarbenes
poliertes Kirschbaumholz) die Bauernkunst ins
Vornehme. Der Tisch hat kolossaie Dimen-
sionen. In dem Sofa sind oben in einer Reihe
Photographien eingefügt, die sich ais Schmuck
gut machen. Graue Kachein geben dem Raum,
der im Ganzen fein wirkt, eine unauffäilig
farbige Tönung. Es ist alies gut zueinander-
gefügt. Auch der Schrank und der Fiügei haben
helle Tönung. Schlichte Einfachheit ist dem
Gartenzimmer (in Osagan-pine naturfarbig iasiert)
von Marg. Junge eigen. Überail einfache Formen.
Der Schreibtisch erhäit durch eine ieicht-
geschwungene Form, die aber ganz einfach
bieibt, geschmackvolies Aussehen. Hier sind
auch, was seiten der Fali, Ölbilder als Zimmer-
schmuck wieder verwendet. Sofort müssen die
Wände schlicht gehalten sein, damit der
Gesamteindruck nicht unruhig wird. Der Archi-
tekt muß sich also bescheiden. Neben dem
soiiden, das Einfache anstrebenden Speise-
zimmer (Birkenhoiz) von Walther, der die festen
Formen bevorzugt, erscheint das Musikzimmer
von Hempel difhziler. Die Naturfarben des
Holzes machen das Zimmer dem Charakter ent-
sprechend heii und licht. Auch die graue Stoff-
bekieidung, die leicht herabhängenden Gardinen
unterstützen diesen Eindruck.
Handstickereien von Frau Hottenroth zeigen
geßochtene Muster, die etwas Seidig-Fiüssiges
haben. Allerdings sind die Muster nicht zu
variieren. Sowie größere Entwürfe angefertigt
werden, ist der Eindruck zu massig. Das
Schlafzimmer von Marg. Junge in graudurch-
beiztem Ahorn (ieider häit sich diese Farbe
nicht) macht einen gefäiiigen, eigenen Eindruck.
Die Künstlerin versteht, die Farben schön zu
wählen. In den Formen strebt sie Einfachheit
an. Denkbar einfach ist z. B. der Waschtisch
mit Linoieumeinlage. Der Toiiettenspiegel mit
seitiich angebrachten Kästen wirkt durch seine
hohe Form eigenartig. Auch der Wandspiegel
ohne jede Einfassung macht einen aparten Ein-
druck.
Interessant ist die Lösung, die Eriwein
einem Sitzungszimmer der städtischen Spar-
kasse gibt. Die Farbe des Holzes, geräuchertes
Eichen, gibt dem Ganzen eindringiich-ernste
Stimmung. Die Tür ist ganz schiicht, ohne
Überladung, wenn auch die schweren massiven
Formen der Holzverkleidung schon kompakt
genug wirken. Eigenartig wirkt es, daß über der
Tür in kleinem Viereck Bilder, Porträts, einge-
lassen sind. Sonst hängen die Biider dieser Hono-
ratioren in knaiigoldenem Rahmen an den
Wänden. Auf diese Weise ist der einheitiich
ruhige Eindruck gerettet. So ist in dieser
ganz modernen Weise der große Eindruck aiter
Räume erhalten. Auch die Diele (in Cotton-
wood, Füilungen aus Ulmen-Maser) von Kühne
zeigt in vorbildiicher Weise, wie der aite, iokai
bedeutsame Stil modern weitergebildet werden

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