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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 12.1906

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Nr. 8
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Schur, Ernst: Die Raumkunst in Dresden 1906
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https://doi.org/10.11588/diglit.26232#0096

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DIE RAUMKUNST IN DRESDEN 1906.

halten werden und ebenso anspruchsvoll und
dumm sind wie diese. Hier ist schon bedenk-
lich die Grenze überschritten, die den Künstler
vom Kunstgewerbler, der für die Praxis arbeitet,
trennen soli.
Ein Zierhof in Marmor hat durch verschieden-
artig angebrachte Fenster und Türöffnungen
eine Art Gliederung erfahren; er schließt die
Bremer Abteilung ab; in der Mitte steht ein
Bronzebrunnen. Diese Unterbrechungen durch
Gärten, Höfe und andere Anlagen kommen dem
Ganzen vortreffiich zugute. Sie halten den Ein-
druck des Monotonen fern. In die Marmor-
wände sind dekorative Bilder in pompejanischer
Art eingelassen, die in ihrer lichten Farben-
gebung vorzüglich wirken, sie rühren von Ida
Stroever her. Der Warteraum von Francke ist
unzweckmäßig und zu bunt.
Altona stellt einen Museumsraum aus, eine
Abteilung eines zoologischen Museums; es ist
dabei in übersichtlicher Gliederung das Ziel
innegehalten worden, die Tierweltformen als
Ausdruck der Lebensart darzustellen. Der Saal
ist aber auch als Raumgestaltung sehenswert.
Er ist licht und freundlich gehalten. Hiermit
ist für die Zukunft eine wertvolle Anregung
gegeben. Die dekorative Kunst im Dienst der
Museen, ein Gebiet, das fraglos wichtig ist.
Die weiß eingefaßten Glaskästen stehen auf
orangefarbenem Kokosbelag. An der Wand
sind in dekorativ gesammelter Schrift, als
Ornament wirkend, Sprüche angebracht, die
dem einzelnen ausgestellten Objekt Sinn im
Hinblick auf die Erkenntnis geben. Auch die
am Fensterbrett eingefügten Mikroskope wirken
im Ganzen harmonisch mit. Die Schönheit
wird hier der Mehrheit dienstbar gemacht, das
FreudvoIIe dem Notwendigen. Es ergibt sich
eine Harmonie voll lichtvoller Klarheit.
ELBERFELD. — HAGEN.
Ein Versammlungsraum von Altherr (Elber-
feld), der in den Farben schön gestimmt ist.
Das ist eine einheitliche Schöpfung und
einer der besten Räume der Ausstellung. Gelb
und dunkles Grün ist reichlich verwendet, da-
durch kommt ein warmer, goldiger Ton zustande,
der dem Zimmer eine geschlossene Stimmung
gibt. Das Ganze atmet Behagen. Die Decke
ist in hellem Gelb gehalten, die Wände sind
seitlich mit ockergelben Kacheln bekleidet, der
Raum vorn, wo das Rednerpult steht, ist von
tiefblauen Kacheln eingefaßt. Die Stühle sind
in gelbem Holz gearbeitet und haben eine
kompakte, bequeme Form. Die Fenster sind
architektonisch gut eingefügt und erhöhen durch
ihre schlichte Fassung die intime, gemütliche
Stimmung. Die Beleuchtungskörper sind äußerst
zierlich und hängen in leichten Bogen von
der Decke. So ist alles in schönen Ver-
hältnissen gehalten ünd geht zu einem guten,
harmonischen Abschluß zusammen. Der Archi-

tekt hat Sinn für geschmackvolle Verwendung
der Farbe.
Der Maler E. R. Weiß (Hagen i. W.) hat
ein Wohnzimmer ausgestattet. Er geht wie
manche andere Künstler vom Biedermeierstil
aus. Er leistet darin etwas zu viel. Die bunt-
geblümte Tapete wirkt im Ganzen matt, etwa
wie ein Vorsatzpapier eines Buches. Der in
den Sesseln reichlich verwendete Kattun wirkt
zu aufdringlich. Und gegen das Muster der
Tapete erscheint er kleinlich und überladen mit
grellem Blumenschmuck. Mit Geschmack sind
die Schränke eingefügt und die Heizkörper ver-
kleidet; es zeigt sich dabei ein praktischer
Sinn. Auch die hängenden Beleuchtungskörper
sind hübsch und graziös. Aber ein ,,Hagener
Raum", als der er sich betitelt, ist er nicht;
denn das Westfälische sieht wohl etwas anders
aus.
SAALECK.
Dem Einfachen strebt auch Schultze-Naum-
burg zu, der in Saaleck Werkstätten leitet.
Seine Junggesellenwohnung, bestehend aus drei
Räumen, ist mehr ein chaotisches Durchein-
ander, als eine sinnvolle Gestaltung. Ein Zu-
viel an Mustern wirkt störend. Alles ist ver-
schieden gehalten, Teppich, Wand, Stühle.
Nur da, wo der Künstler sich bewußt anlehnt
an den Biedermeierstil, da ist er gut und einfach.
LEIPZIG.
Der Leipziger Künstlerbund hat eine Miet-
haus-Etage mit zwei Wohnungen ausgestellt, die
alle Bedürfnisse berücksichtigen. Praktisch und
gemütlich sind diese Räume, die ßx und fertig
geliefert werden, bis zum Tafelgeschirr und
Vorhängen. Überall ist der Raum zu gefälligen
Interieurs ausgenutzt; Einbauten und Ecken
geben ein intimes Aussehen. Wie praktisch
ist der große Schreibtisch z. B., der durch
seine Form und Anlage alle Möglichkeiten der
Aufbewahrung voll ausnutzt. Der Bücherständer
fügt sich in seiner schmal-hohen Anlage ent-
sprechend an. Wie lustig wirkt die in einem
besonderen, bunt bemalten Holzkasten hinein-
gestellte Weckeruhr! Das Kinderzimmer ist
durch einen besonderen Zaun abgeteilt, so daß
die Kinder ihre Unordnung nicht über dieses
Revier hinaustragen und sich hier auf ihrem
Gebiet fühlen. Spaßig wirkt es, wie in die
Glastür, die hier hineinführt, ein Kinderkopf
am Rand eingesetzt ist, so daß es aussieht, als
sähe ein Kind um die Ecke. Praktisch ist auch
der Nähtisch, der unten einen beweglichen
Kasten hat, in dem man alles Nähzeug schnell
verschwinden lassen kann. Moderne Solidität
nimmt man hier schon wahr und man sieht
schon, wie solche Formen späterhin anregend
wirken werden bis in die kleinste Fabrik, so
daß schließlich alles in unserer Umgebung sich
erneuert.

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