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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 12.1906

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Nr. 8
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Schur, Ernst: Die Raumkunst in Dresden 1906
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https://doi.org/10.11588/diglit.26232#0098

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DIE RAUMKUNST IN DRESDEN 1906.

Es ist darum kein ZufaH, daß die Dresdener
Werkstätten sich spezieH den Künstier gesichert
haben, der unter den Münchenern den ersten
Piatz einnimmt, Riemerschmid. Er schiießt sich
eng an die farbig so reichen, in den Formen
so praktischen Möbel der alten Bauernkunst an.
Dennoch bieibt er nicht in Nachahmung stecken.
Er gibt gewissermaßen eine Übertragung. Die
Interieurs, die er schafft, sind solid und ge-
schmackvoll und äußerst anheimelnd. Wichtig
für die Praxis ist vor ailem, daß die Preise
sich in Grenzen haiten, die jedem erschwing-
iich sind. Der Paviilon der Dresdener Werk-
stätten zeigt eine ganze Reihe Miiieus vom
Einfachsten bis zum Teuren. AHe aber sind
geschmackvoli und vernünftig. Damit kommt
die dekorative Bewegung in Bahnen, die eine
Zukunft für sich haben. Sie mußte dahin
kommen. Sorgte sie nur für die Reichen, so
wäre ihr Ende bald dagewesen. So aber ist
ein Weg beschritten, der eine gesunde Weiter-
entwicklung verbürgt. Und das gerade tut not.
Das verleiht der Dresdener Aussteilung die Be-
deutung.
Darum sind auch die übrigen Häuser, die
als voilständige Wohnungsanlagen hergestellt
sind, von besonderem Nutzen. Sie zeigen, was
schon zu biHigem Preise zu ieisten ist. Und
die Arbeiterwohnhäuser sind darum von be-
sonderer Bedeutung.
Im Ganzen: man merkt in München eine
Tradition, eine Kultur. Paul ist der Luxus-
künstler, Krüger der elegante, Niemeyer schafft
malerische Interieurs, Bertsch strebt hin zu
praktisch-architektonischer Giiederung.
DÜSSELDORF.
Düsseldorf ist mit mehreren Räumen ver-
treten, die Peter Behrens in seinem feierlichen,
monumentaien Stil schuf, der jeden überßüssigen
Schmuck verschmäht. Auch bei Behrens
herrscht, und damit kommen wir wieder auf
den Ausgangspunkt zurück, die Logik. In seiner
Konstruktion ist nichts Spieierisches. Aber er
kommt zu begründeteren Resultaten ais der bei-
gische Künstler van de Veide. Behrens bevorzugt
das Viereck und die rechtwinklige Linie; dieser
starre Aufbau hat etwas Strenges. Aber es
tritt bei ihm die Notwendigkeit, das Organische
viel sinnfäiliger heraus. Er kommt wirkiich
zu einer anschauiichen, großen Form, während
van de Velde über ein erquäites System von
geschwungenen Linien nicht herauskommt.
Monumental zu werden ist van de Veide nicht
gegeben. Seine oben erwähnte Leistung, der
Museumssaal, läßt übrigens deutiich erkennen,
daß van de Veide, der die programmatische
Übertreibung in Wort und Schrift liebt, von
seiner vielgepriesenen, alleinseligmachenden,
geschwungenen Linie stark zurückgekommen ist

und sich Behrensscher geradliniger, viereckiger
Formensprache stark nähert. Die beiden Rivalen
fechten einen Kampf aus, der hier offensichtlich
zu Behrens' Gunsten, der stärker, aufrechter ist
als der nervöse, krankhaft modern sein wollende
van de Velde, entschieden ist. Behrens hat
augenblicklich in Deutschland eine Stellung,
die ihm niemand streitig macht. Er ist einer
der ganz Wenigen, die einen organischen Stil
suchen und ihm schon ganz nahe sind. Das
beweist auch der Pavillon, den er für die
Delmenhorster Linoleumfabrik im Park er-
richtet hat. Dieser Pavillon hat eine vorzüg-
liche Lage; man muß ihn jenseits des Wassers
im Grünen liegen sehen. Da hebt sich die große,
monumentale Form plastisch heraus; gelblich-
weiß im Grünen. Er wirkt wie ein Tempel;
ein eckiger Unterbau, über den sich eine hohe
Kuppel wölbt. Im Innern gibt diese — ganz
weiße — Kuppel gelbliches Licht. Oben zieht
sich ein Fries in länglichen, goldenen Vierecken
herum. Wie außen, so stört auch innen kein
Schmuck die Flächen, die glatt und groß
wirken. Die Wände sind im Innern mit Li-
noleum verkleidet in Weiß und Gold, das
wie Leder erscheint Den Boden bedeckt eine
Linoleumeinlage, die wie Marmor aussieht, in
Vierecken mythologische Tiere wie in alten
ausgegrabenen Tempeln. Am feinsten wirken
die ganz diskreten, mattfarbigen Muster, die
sich so gut jedem Raum einfügen.
In der Marmordiele ist besonders der groß-
zügig gestaltete Kamin der Betrachtung wert.
Der ganze Raum hat trotz der eigenen Prägung
etwas von den alten Dielen, die so ernst und
wuchtig wirken. Der ganze Aufbau ist einfach
und organisch. Graues Holz gliedert den Stein,
und gestattet, da die Rahmen ineinanderschieb-
bar sind, die Zusammensetzung der Decke aus
besonderen Teilen. Der Marmor ist Kunst-
fabrikat. Auch die Sessel in Lederausführung
haben charakteristisch ausladende, breite Form.
Der mächtige Kamin sammelt in Breite und
Höhe die Dimensionen als Mittelpunkt.
Auch der Musiksaal hat die auffallende archi-
tektonische Gliederung, der selbst die Farbe
dient. Die Raumwirkung ist, trotz reichsten
Schmuckes im Einzelnen, eine vorzüglich ruhige.
Behrens scheint mit Bewußtsein dahin zu
streben, diese Gegensätze harmonisch zu ver-
einen. Ein Tonnengewölbe überdeckt den Saal,
das von vier freistehenden Pfeilern getragen
wird. In die Wand, die durch eine in Vier-
ecken mit blauer Bordüre auf grau-weißem
Grund abgeteilte Tapete Gliederung erfährt,
sind Schwarz-Spiegel eingelassen. Nach der
einen Seite öffnen sich weit die Türen nach
einem Hof. Nach der andern schließt eine
rundbogige Halle den Raum ab. Durch dünn-
geschliffene Marmorplatten fällt matt und warm
das Licht. Hier steht der Flügel, der reich

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