Abb. 7. Hermann Haller (1919).
keinem lebenden Bildhauer so gelingt. Er ware aber
kein Künsiler von ursprünglicher Begabung für das
eigentlich Plastische und noch weniger der immer Ler-
nende, reizte ihn nicht die nach der dritten Dimension
tendierende Bewegung trotzdem. Solche Bemühung
ist für ihn Erperiment, das Einzige, das sein Schasfen
kennt. Und wenn wir seine „Tanzende" von 1916, den
Iack Iohnson in Borerstellung von 1917 nicht zu seinen
restlos gelösten Werken rechnen können, so zeugen doch
die schönen Bronzen der „Gefesselten" und „Fliehenden",
die das Aürcher Kunsthaus besitzt, von einer selten
glücklichen Stunde.
Mehr noch. Wie ein Künstler, wenn er einer Ein-
gebung folgt, nie etwas vergeblich tut, so bringt auch
jeder dieser Ausflüge über die Grenzen den irgendwie
erwarteten Gewinn. Stärker drängt nun das Leben
bis an die Oberfläche jeder Einzelform, die sich spannt,
wie unter einem Druck von innen, und alle Nerven sind
in Tätigkeit. Der Körper verliert seine Schwere. Als
wisse der Bildhauer jetzt erst, daß eine Figur, auch wenn
Terrakottaskizze (25 ovr hoch).
sie ruhig steht, zwischen zwei Bewegungen balanciert,
daß es in der Plastik überhaupt keine Ünbeweglichkeit
gibt, so trifft er jetzt haarscharf den Moment, kurz bevor
sich die Glieder wieder regen werden, die der Wille des
Künstlers fesselte.
Jmmer noch, wie schon in seinem ersten Werk, spürt
man die Weisheit des berechneten Ausgleichs von Last
und Stütze, die Harmonie aller Verhältnisse. Er hat diese
rhythmische Ordnung im Blut und kann nicht irren.
Aber gerade in den beiden letzten Jahren ist die Einzel-
form von einer solchen Bestimmtheit geworden, sie for-
muliert so eindeutig, was der Bildhauer ausdrücken
will, daß es scheint, als sei dem schönen, aber stummen
Tier von früher die Aunge gelöst. Der Stein spücht
Sätze und man versteht nun nicht mehr nur im allge-
meinen, was er will. „Dezidiert" ist ein Lieblingsaus-
druck Hallers, und man weiß jetzt, was das heißen soll.
Seine handwerkliche Geschicklichkeit und sein Wissen
von den Formen sind so sicher geworden, daß er seit
einiger Aeit kaum noch zeichnet. Seine einzigen Studien
19
keinem lebenden Bildhauer so gelingt. Er ware aber
kein Künsiler von ursprünglicher Begabung für das
eigentlich Plastische und noch weniger der immer Ler-
nende, reizte ihn nicht die nach der dritten Dimension
tendierende Bewegung trotzdem. Solche Bemühung
ist für ihn Erperiment, das Einzige, das sein Schasfen
kennt. Und wenn wir seine „Tanzende" von 1916, den
Iack Iohnson in Borerstellung von 1917 nicht zu seinen
restlos gelösten Werken rechnen können, so zeugen doch
die schönen Bronzen der „Gefesselten" und „Fliehenden",
die das Aürcher Kunsthaus besitzt, von einer selten
glücklichen Stunde.
Mehr noch. Wie ein Künstler, wenn er einer Ein-
gebung folgt, nie etwas vergeblich tut, so bringt auch
jeder dieser Ausflüge über die Grenzen den irgendwie
erwarteten Gewinn. Stärker drängt nun das Leben
bis an die Oberfläche jeder Einzelform, die sich spannt,
wie unter einem Druck von innen, und alle Nerven sind
in Tätigkeit. Der Körper verliert seine Schwere. Als
wisse der Bildhauer jetzt erst, daß eine Figur, auch wenn
Terrakottaskizze (25 ovr hoch).
sie ruhig steht, zwischen zwei Bewegungen balanciert,
daß es in der Plastik überhaupt keine Ünbeweglichkeit
gibt, so trifft er jetzt haarscharf den Moment, kurz bevor
sich die Glieder wieder regen werden, die der Wille des
Künstlers fesselte.
Jmmer noch, wie schon in seinem ersten Werk, spürt
man die Weisheit des berechneten Ausgleichs von Last
und Stütze, die Harmonie aller Verhältnisse. Er hat diese
rhythmische Ordnung im Blut und kann nicht irren.
Aber gerade in den beiden letzten Jahren ist die Einzel-
form von einer solchen Bestimmtheit geworden, sie for-
muliert so eindeutig, was der Bildhauer ausdrücken
will, daß es scheint, als sei dem schönen, aber stummen
Tier von früher die Aunge gelöst. Der Stein spücht
Sätze und man versteht nun nicht mehr nur im allge-
meinen, was er will. „Dezidiert" ist ein Lieblingsaus-
druck Hallers, und man weiß jetzt, was das heißen soll.
Seine handwerkliche Geschicklichkeit und sein Wissen
von den Formen sind so sicher geworden, daß er seit
einiger Aeit kaum noch zeichnet. Seine einzigen Studien
19