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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 31.1921

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Heft 1
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Scholz, Wilhelm von: Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.26485#0035

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Zwiegespräch im Raum.
Wer bist du?
Der Gestaltende,
der Waltende.
Und du?
Bin der Gewahrende.
Mein Leib, das Blut, das in ihm kreist,
mein dunkles Sein, wird mir zu Geist;
was ohne Worte in mir spricht,
wird mir zu Wort, wird mir zu Licht.
Ich bin der Offenbarende.
Was als Gedanke mich durchwallt,
dem geb' ich bleibende Gestalt,
dem geb' ich dunkles Sein und Blut,
darin es auf sich selber ruht.
So gib mir Blut!
Gib du mir Licht!
Wären wir eins, Gott wäre nicht. —
Die Herbstburg.
Durch die herbstlichen Wälder ruft der Wind
mit vielen Stimmen.
Komm! Wir wollen die Höhe erklimmen,
wo die verlassenen Mauern sind.
Windstill, in dem Brausen und Rauschen,
ist der Burghof. Rast und Raum
umragt den reglosen Eschenbaum
mit schweigendem Lauschen.
In die Wege der Wolken klafft das Tor,
durch das wir kamen;
kaum reichen in den Bogenrahmen
die höchsten Wipfel des Waldes empor.
Wir sind vom rauschenden Leben geschieden —
in Schatten und Wolkenwiderschein
allein
in diesem aufgebauten Frieden.
Hoch in der ummauerten Stille
löst sich ein Blatt und schwebt vom Baum.
Wir gehen aus dem verwandelten Raum
einsam zurück ins Rauschen der Fülle.
Der Wandrer.
Schwermütig wächst mein Frieden
in Herbst und Einsamkeit.
Mein Weg zur Dämmerzeit
vergraut wie abgeschieden.
Ich fühle mich Gestalt
und Wesen tief vertauschen;
wildfremde Schritte rauschen
durchs Blattgewirr im Wald.
Still geh' ich, schattenlos
im Grau, als wandle sich
der lange Weg in mich,
auf dem ich wurde groß.

Gedichte von Wilhelm von Scholz.
Daß ich der Wandrer bin,
der diesen Weg gegangen,
sind Worte, die verklangen,
und haben keinen Sinn.
In einer Dämmerstunde.
Ich wohne, wo die Wolken gehn,
stillhoch in einer Dämmerstunde;
waldtiefer Bäume Wipfel stehn
um meinen Tisch in naher Runde,
die gern mein Licht im Abend sehn.
Alt ist der Leuchter, der es trägt,
alt sind die Bäume, die es schauen,
die Flamm' ist alt, die sich bewegt
und flattert durch das ewige Grauen,
wenn die uralte Luft sich regt.
Flüsternd umkreist die Dämmerung
mich und mein Licht, das nach ihr greift.
So alt ist alles, ich so jung —
da ist's, als ob ein Wort mich streift,
das rings um mich zur Fülle reift.
„Du bist so alt als alle wir —"
sprach es das Licht, sprach es der Baum,
sprach's der zersprungne Tisch vor mir,
fprach's um mich her der Dämmertraum?
Ich fühl' es dunkel, jetzt und hier.
Wie lächeln doch die ewigen Dinge,
wenn solch ein Strudel Erdenzeit,
ein Mensch, aufwacht in ihrem Ringe,
aufbraust in ihrer Einsamkeit —
wie lächeln doch die ewigen Dinge!
Sie lächeln mich in ihre Ruh' —
nun rag' auch ich uralt vom Grunde.
Du Flamme, warum zitterst du?
Bist du ein Wort aus meinem Munde?
Rief dich die Dämmerung mir zu? —
Rheinüberfahrt.
Aum Bild, von Schatten überspannt,
von Abendfarben überglutet,
sinkt dort in sich zurück der Strand.
Und auseinander tritt das Land,
dem still mein Boot entgegenflutet,
aus Dunkel, drin es schon verschwand.
Die Ruder tauchen schweigend ein.
Still geht der Strom. Dem ewigen Fließen
drückt eine leichte Spur sich ein,
um mit dem Strom hinabzufließen,
aufspiegelnd, in den Dämmerschein,
aus dem die ersten Sterne grüßen.
Verworrener Laut vom Ufer hallt,
um graue Pfähle spült die Flut,
die Stadt ragt auf so dämmeralt
aus der im Strom erloschenen Glut,
in der ihr Spiegelschatten ruht,
indes der Strom verüberwallt.

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