Gedichte von Hanns Johst.
die zwischen klafternden Klüften
hoffnungslos sich verloren.
Als dein rotes Atmen'
röchelnd die Kehle ließ,
schlugst du das Haupt in das Messer,
wittertest — Paradies.
Die Hand ist mir geschmolzen;
das Messer war Heiligenschein.
Du sprangst mit sichernden Nüstern
in Wolkenlichtungen ein.
as Hündchen Kors und Napoleon
der Große*).
Wenn je ein päpstlicher Pius seinen Namen ver-
dient hat, so war es Pius VII. aus dem Grafengeschlecht
der Chiaramonti, dem als Mensch allgemein eine seltene
Herzensgüte und Sanftmut zugesprochen wird, die ihn
freilich als Politiker nicht verhinderten, die moralischen
Vorteile der Kirche den weltlichen gelegentlich nach-
zustellen und die wahren religiösen Interessen den ir-
dischen Machtansprüchen seines Thrönes in nicht un-
bedenklicher Weise aufzuopfern: wobei er, ein großer
Mann war er nicht, sondern nur ein herzensguter, zwi-
schen kleinlichem Eigensinn und unverzeihlicher Schwäche
hin- und herpendelte. Die Politik lag ihm eben wohl
nicht, und wie es einem ergehen kann, den die Macht
der Verhältnisse in das Räderwerk dieser Maschine hinein-
zerrt ohne ausreichendes Talent dazu, das haben auch
schon andere schmerzlich an sich erfahren^müssen. Und
besonders dem furchtbaren Korsen, der sich eben an-
schickte, die ganze Welt nach seinem Bild zu modeln,
war ein Papst wie dieser am wenigsten gewachsen.
Doch hätte es seiner Fehler nicht bedurft; die brutale
Gewalttätigkeit Napoleons hätte auch ohnedies genügt,
ihn in die Verbannung nach Savona zu bringen und dort
das dreifach gekrönte Haupt der Christenheit in so enger
und unbequemer Haft, kurz in einer so unwürdigen Lage
vier Jahre lang festzuhalten, daß das Gefühl der ganzen
zivilisierten Welt nicht anders konnte, als für den'mißhan-
delten ehrwürdigen Greis zu Savona Partei zu ergreifen.
Der Kaiser aber war unerbittlich in seiner Grausam-
keit, und mit immer wacher Eifersucht hielt er von dem
noch dazu kränkelnden Papst alles entfernt, was irgend-
wie seine harte Kerkerhaft lindern oder ibm sonst einen
Trost gewähren konnte. Nur eins vergaß er ihm weg-
nehmen zu lassen, ein kleines Malteser Wachtelhündchen,
das den ehemaligen Benediktinerabt nicht nur an manche
glücklichere Tage zu Rom erinnerte, sondern ihm auch
durch sein drolliges und munteres Wesen wie durch eine
rührende Anhänglichkeit gar oft über bittere Stunden
hinweghalf. Der Papst hatte ihm darum den Namen
Miserikors gegeben, womit er wohl andeuten wollte,
daß alle menschliche Barmherzigkeit, die ihm noch nahe-
kam, in dem kleinen Tier verkörpert sei; er kürzte den
langen Namen später und rief das Hündchen nur noch
Kors, was so viel heißen sollte als Herz „mein Herzchen",
und wirklich, es war ein wahres Herz von einem Hund.
") Aus „Pompadour", fünfundzwanzig historische Novellen (Ver-
lag Georg Müller). Siehe Besprechung.
Kors war von langen seidenweichen Haaren, noch
weißer als das hohenpriesterliche Gewand seines guten
Herrn, und wenn das zierliche Hündchen, wie es seiner
besonderen Art eigen ist, die Zähne etwas bleckte, so
waren auch diese glänzend weiß und niedlich wie Kinder-
zähne, und nur sein kurzes Schnäuzchen und die beiden
kleinen Augen standen als drei schwarze Punkte in seinem
etwas komischen, aber jedenfalls sehr gutmütigen Gesicht.
Dieses allerliebste Tierchen begleitete den Papst auch,
als er später von dem neuen Herrn der Welt nach Fon-
tainebleau geschleppt wurde, um seinen seitherigen er-
bärmlichen Kerker mit einem räumlich zwar sehr pom-
pösen, aber moralisch nicbt weniger engen zu vertanscben,
und dies weniger zu seiner Erleichterung, als zur Be-
quemlichkeit des Kerkermeisters, in dessen Interesse es
lag, den Papst zu gewissen Verhandlungen in seiner Nähe
zu haben, was aber nicht nur heißen wollte, daß der
Starke manchmal den Schwachen braucht, sondern daß
eben der Papst, als Mensch ein armer Wurm, doch noch
irgendwie eine Macht darstellte, mit welcher selbst der
furchtbare Emporkömmling zu rechnen hatte.
Etwas besser ging es dem kleinen Kors zu Fontaine-
bleau immerhin. Denn wenn zu Savona für seinen ge-
liebten Herrn kaum die Möglichkeit waltete, je das
Zimmer zu verlassen, so war dafür das neue Gefängnis
nicht nur inmitten eines wunderbaren Waldes gelegen,
sondern auch von schönen stillen Gärten umgeben, in
deren einsamen Baumgängen der Papst sich bei schönem
Wetter frei ergehen konnte in Gesellschaft der Kardinäle
Pacca und di Pietro und einiger anderer hoher Prälaten,
die seinen kleinen Hofstaat ausmachten, und da durfte
auch Kors nie fehlen. Und wenn es im geschlossenen
Gemach auch sehr schön war, auf das freundliche Geheiß
seines angebeteten Herrn über ein vorgehaltenes Stöck-
lein zu springen, oder sich auf die Hinterbeine zu stellen
und mit erhobenen und bittend zusammengelegten
Pfoten einen leibhaftigen betenden Menschen" darzu-
stellen: so war es doch noch tausendmal lustiger draußen
im Freien, wo man sich so schön im weichen Gras wälzen
oder wie ein richtiger großer Hund auf einen Spatzen
Jagd machen oder hinter einem aufflatternden Schmetter-
ling Herbellen konnte, womit man nicht nur sich selber ein
großes, sondern auch der rotbemäntelten^Gesellschaft
manchmal ein kleines Vergnügen machte.
Überhaupt gab es für das weiche Gemüt des weiß-
gezottelten Kors alltäglich nur Eine verdrießliche Stunde,
die einzige bei Tag und Nacht, die ihn aus der Gegen-
wart seines hohen Beschützers verbannte, und das war,
wenn sich der Papst des Morgens nach seiner Privat-
kapelle verfügte, um die Messe zu lesen
Da durfte Kors ihn zwar auf seinem Gang durch
einen langen hallenden Korridor begleiten und unter-
wegs an ihm hinaufspringen ünd ihm die Hand küssen;
aber an der Kapellentür wurde er regelmäßig von einem
hageren violetten Priester mit mürrischem Gesicht, den
man Monsignore Jmberti hieß, auf den Arm genommen
und in ein enges Zimmerchen gebracht, wo der mürrische
Veilchenfarbene ihm zwar Gesellschaft leistete, aber es
kaum der Mühe wert fand, auch nur ein Wort mit ihm
zu reden, denn dem war der kleine Hund eine viel zu
geringfügige Kreatur. Und leider dauerte diese sozusagen
die zwischen klafternden Klüften
hoffnungslos sich verloren.
Als dein rotes Atmen'
röchelnd die Kehle ließ,
schlugst du das Haupt in das Messer,
wittertest — Paradies.
Die Hand ist mir geschmolzen;
das Messer war Heiligenschein.
Du sprangst mit sichernden Nüstern
in Wolkenlichtungen ein.
as Hündchen Kors und Napoleon
der Große*).
Wenn je ein päpstlicher Pius seinen Namen ver-
dient hat, so war es Pius VII. aus dem Grafengeschlecht
der Chiaramonti, dem als Mensch allgemein eine seltene
Herzensgüte und Sanftmut zugesprochen wird, die ihn
freilich als Politiker nicht verhinderten, die moralischen
Vorteile der Kirche den weltlichen gelegentlich nach-
zustellen und die wahren religiösen Interessen den ir-
dischen Machtansprüchen seines Thrönes in nicht un-
bedenklicher Weise aufzuopfern: wobei er, ein großer
Mann war er nicht, sondern nur ein herzensguter, zwi-
schen kleinlichem Eigensinn und unverzeihlicher Schwäche
hin- und herpendelte. Die Politik lag ihm eben wohl
nicht, und wie es einem ergehen kann, den die Macht
der Verhältnisse in das Räderwerk dieser Maschine hinein-
zerrt ohne ausreichendes Talent dazu, das haben auch
schon andere schmerzlich an sich erfahren^müssen. Und
besonders dem furchtbaren Korsen, der sich eben an-
schickte, die ganze Welt nach seinem Bild zu modeln,
war ein Papst wie dieser am wenigsten gewachsen.
Doch hätte es seiner Fehler nicht bedurft; die brutale
Gewalttätigkeit Napoleons hätte auch ohnedies genügt,
ihn in die Verbannung nach Savona zu bringen und dort
das dreifach gekrönte Haupt der Christenheit in so enger
und unbequemer Haft, kurz in einer so unwürdigen Lage
vier Jahre lang festzuhalten, daß das Gefühl der ganzen
zivilisierten Welt nicht anders konnte, als für den'mißhan-
delten ehrwürdigen Greis zu Savona Partei zu ergreifen.
Der Kaiser aber war unerbittlich in seiner Grausam-
keit, und mit immer wacher Eifersucht hielt er von dem
noch dazu kränkelnden Papst alles entfernt, was irgend-
wie seine harte Kerkerhaft lindern oder ibm sonst einen
Trost gewähren konnte. Nur eins vergaß er ihm weg-
nehmen zu lassen, ein kleines Malteser Wachtelhündchen,
das den ehemaligen Benediktinerabt nicht nur an manche
glücklichere Tage zu Rom erinnerte, sondern ihm auch
durch sein drolliges und munteres Wesen wie durch eine
rührende Anhänglichkeit gar oft über bittere Stunden
hinweghalf. Der Papst hatte ihm darum den Namen
Miserikors gegeben, womit er wohl andeuten wollte,
daß alle menschliche Barmherzigkeit, die ihm noch nahe-
kam, in dem kleinen Tier verkörpert sei; er kürzte den
langen Namen später und rief das Hündchen nur noch
Kors, was so viel heißen sollte als Herz „mein Herzchen",
und wirklich, es war ein wahres Herz von einem Hund.
") Aus „Pompadour", fünfundzwanzig historische Novellen (Ver-
lag Georg Müller). Siehe Besprechung.
Kors war von langen seidenweichen Haaren, noch
weißer als das hohenpriesterliche Gewand seines guten
Herrn, und wenn das zierliche Hündchen, wie es seiner
besonderen Art eigen ist, die Zähne etwas bleckte, so
waren auch diese glänzend weiß und niedlich wie Kinder-
zähne, und nur sein kurzes Schnäuzchen und die beiden
kleinen Augen standen als drei schwarze Punkte in seinem
etwas komischen, aber jedenfalls sehr gutmütigen Gesicht.
Dieses allerliebste Tierchen begleitete den Papst auch,
als er später von dem neuen Herrn der Welt nach Fon-
tainebleau geschleppt wurde, um seinen seitherigen er-
bärmlichen Kerker mit einem räumlich zwar sehr pom-
pösen, aber moralisch nicbt weniger engen zu vertanscben,
und dies weniger zu seiner Erleichterung, als zur Be-
quemlichkeit des Kerkermeisters, in dessen Interesse es
lag, den Papst zu gewissen Verhandlungen in seiner Nähe
zu haben, was aber nicht nur heißen wollte, daß der
Starke manchmal den Schwachen braucht, sondern daß
eben der Papst, als Mensch ein armer Wurm, doch noch
irgendwie eine Macht darstellte, mit welcher selbst der
furchtbare Emporkömmling zu rechnen hatte.
Etwas besser ging es dem kleinen Kors zu Fontaine-
bleau immerhin. Denn wenn zu Savona für seinen ge-
liebten Herrn kaum die Möglichkeit waltete, je das
Zimmer zu verlassen, so war dafür das neue Gefängnis
nicht nur inmitten eines wunderbaren Waldes gelegen,
sondern auch von schönen stillen Gärten umgeben, in
deren einsamen Baumgängen der Papst sich bei schönem
Wetter frei ergehen konnte in Gesellschaft der Kardinäle
Pacca und di Pietro und einiger anderer hoher Prälaten,
die seinen kleinen Hofstaat ausmachten, und da durfte
auch Kors nie fehlen. Und wenn es im geschlossenen
Gemach auch sehr schön war, auf das freundliche Geheiß
seines angebeteten Herrn über ein vorgehaltenes Stöck-
lein zu springen, oder sich auf die Hinterbeine zu stellen
und mit erhobenen und bittend zusammengelegten
Pfoten einen leibhaftigen betenden Menschen" darzu-
stellen: so war es doch noch tausendmal lustiger draußen
im Freien, wo man sich so schön im weichen Gras wälzen
oder wie ein richtiger großer Hund auf einen Spatzen
Jagd machen oder hinter einem aufflatternden Schmetter-
ling Herbellen konnte, womit man nicht nur sich selber ein
großes, sondern auch der rotbemäntelten^Gesellschaft
manchmal ein kleines Vergnügen machte.
Überhaupt gab es für das weiche Gemüt des weiß-
gezottelten Kors alltäglich nur Eine verdrießliche Stunde,
die einzige bei Tag und Nacht, die ihn aus der Gegen-
wart seines hohen Beschützers verbannte, und das war,
wenn sich der Papst des Morgens nach seiner Privat-
kapelle verfügte, um die Messe zu lesen
Da durfte Kors ihn zwar auf seinem Gang durch
einen langen hallenden Korridor begleiten und unter-
wegs an ihm hinaufspringen ünd ihm die Hand küssen;
aber an der Kapellentür wurde er regelmäßig von einem
hageren violetten Priester mit mürrischem Gesicht, den
man Monsignore Jmberti hieß, auf den Arm genommen
und in ein enges Zimmerchen gebracht, wo der mürrische
Veilchenfarbene ihm zwar Gesellschaft leistete, aber es
kaum der Mühe wert fand, auch nur ein Wort mit ihm
zu reden, denn dem war der kleine Hund eine viel zu
geringfügige Kreatur. Und leider dauerte diese sozusagen