Das Hündchen Kors und Napoleon der Große.
„Sollte ich mich beißen lassen von der giftigen Bestie?"
stieß dieser erregt hervor.
„KorS hat in seinem Leben niemand gebissen/ be-
teuerte der Papst.
„Und wenn er etwa von der Wut befallen war?"
Darauf antwortete Pius nicht. Was er dachte hin-
sichtlich der Wut, das durfte er ja doch nicht aussprechen.
Napoleon aber, der trotz seiner Größe und großen
Härte etwas wie das Bedürfnis nach Rechtfertigung
fühlte, kam auf seine Befürchtung zurück.
„Der Hund konnte wirklich wütig sein," stotterte er,
„bedenken Eure Heiligkeit, welche Folgen! Die Achse,
um die sich die Welt dreht, zerbrochen! Es ging wirklich
um die Welt, was hätte aus ihr werden sollen."
„Sie hätte erlöst aufgeatmet," dachte der verzweifelte
Papst. Ium Sprechen war ihm keine Kraft geblieben
Sein greises Haupt mit dem weißen Kranz spärlicher
Löckchen sank ihm auf die Brust herab, Totenblässe ver-
breitete sich über sein Gesicht, seine Züge nahmen einen
verzerrten Ausdruck an, man konnte glauben, es sei sein
Tod. Aber er lebte, über seine Wangen rollten perlende
Tränen, das grausame Ende seines geliebten Hündchens
hatte ihm schmerzlicher in die Seele geschnitten, als einst
der Verlust des ganzen Kirchenstaates, von höheren
Gütern hier nicht zu reden. S.
us den Aufzeichnungen des Knaben
Glorian Kling.
Die Wahnsinnigen.
O, die Wahnsinnigen, die bewohnen eigene Städte,
die lesen in anderen Büchern,
ihre Stimmen haben eine abscheuliche Glätte,
glänzen frech hervor aus bauschigen Tüchern.
O, die Wahnsinnigen, die wühlen in anderen Bergen,
die tasten an andern Problemen,
sie stieren: gleichen den Dieben und Schergen,
leben in ihren Idolen und Schemen.
O, sie hassen das Leben der Erde,
lachen höhnisch ob unfern Zwecken,
sie kennen nur eine Gebärde:
„Fluch der Erde und Schrecken".
Die barocken Madonnen.
O,die barocken Madonnen auf allen Brunnen und Brücken,
wie sie mit ihren üppigen Gebärden den einsamen Wan-
drer entzücken,
wie sie von ihrem Überfluß verschenken und verschwenden
von ihren Lippen, Schultern und Lenden.
Wie Freudegöttinnen stehn sie an den verzopften und
goldnen Altären,
Männertoll. Ihr Lebenszweck ist: Gott zu empfangen
und Gott zu gebären.
An die unbekannte junge Freundin.
Vielleicht bist du allein,
eine Waise,
will ich dein Bruder sein
für Rast und Reise.
Vielleicht bist du von vielen Schwester i.
das jüngste Kind.
Dein Schwärmen ist jung wie von gestern,
deine Augen zwei Wunder sind.
Will ich dein Bruder sein
für Rast und Reise,
vielleicht bist du allein:
eine Waise.
nton Bruckner.
Ium Verständnis seiner Persönlichkeit und
seiner Werke.
Am 11. Oktober waren es 25 Jahre, daß Anton
Bruckner die Augen schloß. Für seine Schüler, Freunde
und Verehrer ist es eine besondere Freude, wenn ihr
verehrter und bewunderter Meister in den Musikstädtcn
des Westens Gehör bekommt. In diesem Sommer hat
Bochum ein Brucknerfest veranstaltet, nachdem zwei
große Musikzentrcn des Rheinlandes im vergangenen
Sommer Bruckner ihre Huldigung dargebracht halten.
In Köln hatten wir ein glänzendes Bruckner-
Beethoven-Fest; Abendroth hat die 4. Symphonie, das
Tedeum, die 8. und 9. Symphonie Bruckners neben
einigen Beethovensymphonien mit seinem großen Or-
chester prachtvoll zur Aufführung gebracht. In Kre-
feld ist unter vr. Siegels Leitung ein Brucknerfest ge-
feiert worden von einer kleinen Schar mit fühlbarem
Verständnis und elektrisierender Begeisterung in Bruck-
ners Dienst sich stellenden Musikern, die Aufführungen
der 7., 8. und 9. und des Adagios der 6. Symphonie
zustande brachten, wie man sie sich stimmungsvoller nicht
hätte denken können, und einem Chor, der die grandiose
§-Moll-Messe und den 150. Psalm zu ergreifender Wir-
kung brachte.
Köln und Krefeld sind in der Musikgeschichte als
Stätten bekannt, an denen Brahms eine besonders
warme Aufnahme gefunden hat. Steinbach hat im
Gürzenich als bester Kenner und berufenster Prophet
der Brahmsschen Muse seinem Meister oft das Wort
erteilt und ihm eine begeisterte Anhängerschaft ge-
wonnen. Krefeld hat schon infolge der zahlreichen persön-
lichen Beziehungen zwischen Brahms und den Familien
von der Leyen, von Beckerath, Molenaer, Seyffarth,
Ophüls u. a. seit langer Zeit als „Brahminenstadt"
Berühmtheit erlangt. Jetzt wird nach dem großen
Brahms der größere Bruckner im Rheinland gepflegt.
Wenn ich das ausspreche,so kann ich mich auf Brahms
selbst als Jeugen für Bruckners überragende Größe
berufen. Nach der Uraufführung der Weihnachten 1868
vollendeten großen ?-Moll-Messe im Juni 1872 in der
Augustinerkirche in Wien hat Brahms in der Sakristei
dem Komponisten das Zeugnis ausgestellt, daß die
Messe das Schönste sei, was er gehört habe. Uber
die Symphonien Bruckners kursierte in Wiener Musik-
kreisen ein ähnlich rühmendes Urteil aus Brahms' Munde.
Ein zweiter Jeuge von unanfechtbarer Sachkenntnis
ist Wagner, der schon auf Grund der drei ersten Sym-
phonien Bruckner als Musiker hochgeschätzt und die Wid-
mung der Silvester 1873 vollendeten 3. Symphonie in
„Sollte ich mich beißen lassen von der giftigen Bestie?"
stieß dieser erregt hervor.
„KorS hat in seinem Leben niemand gebissen/ be-
teuerte der Papst.
„Und wenn er etwa von der Wut befallen war?"
Darauf antwortete Pius nicht. Was er dachte hin-
sichtlich der Wut, das durfte er ja doch nicht aussprechen.
Napoleon aber, der trotz seiner Größe und großen
Härte etwas wie das Bedürfnis nach Rechtfertigung
fühlte, kam auf seine Befürchtung zurück.
„Der Hund konnte wirklich wütig sein," stotterte er,
„bedenken Eure Heiligkeit, welche Folgen! Die Achse,
um die sich die Welt dreht, zerbrochen! Es ging wirklich
um die Welt, was hätte aus ihr werden sollen."
„Sie hätte erlöst aufgeatmet," dachte der verzweifelte
Papst. Ium Sprechen war ihm keine Kraft geblieben
Sein greises Haupt mit dem weißen Kranz spärlicher
Löckchen sank ihm auf die Brust herab, Totenblässe ver-
breitete sich über sein Gesicht, seine Züge nahmen einen
verzerrten Ausdruck an, man konnte glauben, es sei sein
Tod. Aber er lebte, über seine Wangen rollten perlende
Tränen, das grausame Ende seines geliebten Hündchens
hatte ihm schmerzlicher in die Seele geschnitten, als einst
der Verlust des ganzen Kirchenstaates, von höheren
Gütern hier nicht zu reden. S.
us den Aufzeichnungen des Knaben
Glorian Kling.
Die Wahnsinnigen.
O, die Wahnsinnigen, die bewohnen eigene Städte,
die lesen in anderen Büchern,
ihre Stimmen haben eine abscheuliche Glätte,
glänzen frech hervor aus bauschigen Tüchern.
O, die Wahnsinnigen, die wühlen in anderen Bergen,
die tasten an andern Problemen,
sie stieren: gleichen den Dieben und Schergen,
leben in ihren Idolen und Schemen.
O, sie hassen das Leben der Erde,
lachen höhnisch ob unfern Zwecken,
sie kennen nur eine Gebärde:
„Fluch der Erde und Schrecken".
Die barocken Madonnen.
O,die barocken Madonnen auf allen Brunnen und Brücken,
wie sie mit ihren üppigen Gebärden den einsamen Wan-
drer entzücken,
wie sie von ihrem Überfluß verschenken und verschwenden
von ihren Lippen, Schultern und Lenden.
Wie Freudegöttinnen stehn sie an den verzopften und
goldnen Altären,
Männertoll. Ihr Lebenszweck ist: Gott zu empfangen
und Gott zu gebären.
An die unbekannte junge Freundin.
Vielleicht bist du allein,
eine Waise,
will ich dein Bruder sein
für Rast und Reise.
Vielleicht bist du von vielen Schwester i.
das jüngste Kind.
Dein Schwärmen ist jung wie von gestern,
deine Augen zwei Wunder sind.
Will ich dein Bruder sein
für Rast und Reise,
vielleicht bist du allein:
eine Waise.
nton Bruckner.
Ium Verständnis seiner Persönlichkeit und
seiner Werke.
Am 11. Oktober waren es 25 Jahre, daß Anton
Bruckner die Augen schloß. Für seine Schüler, Freunde
und Verehrer ist es eine besondere Freude, wenn ihr
verehrter und bewunderter Meister in den Musikstädtcn
des Westens Gehör bekommt. In diesem Sommer hat
Bochum ein Brucknerfest veranstaltet, nachdem zwei
große Musikzentrcn des Rheinlandes im vergangenen
Sommer Bruckner ihre Huldigung dargebracht halten.
In Köln hatten wir ein glänzendes Bruckner-
Beethoven-Fest; Abendroth hat die 4. Symphonie, das
Tedeum, die 8. und 9. Symphonie Bruckners neben
einigen Beethovensymphonien mit seinem großen Or-
chester prachtvoll zur Aufführung gebracht. In Kre-
feld ist unter vr. Siegels Leitung ein Brucknerfest ge-
feiert worden von einer kleinen Schar mit fühlbarem
Verständnis und elektrisierender Begeisterung in Bruck-
ners Dienst sich stellenden Musikern, die Aufführungen
der 7., 8. und 9. und des Adagios der 6. Symphonie
zustande brachten, wie man sie sich stimmungsvoller nicht
hätte denken können, und einem Chor, der die grandiose
§-Moll-Messe und den 150. Psalm zu ergreifender Wir-
kung brachte.
Köln und Krefeld sind in der Musikgeschichte als
Stätten bekannt, an denen Brahms eine besonders
warme Aufnahme gefunden hat. Steinbach hat im
Gürzenich als bester Kenner und berufenster Prophet
der Brahmsschen Muse seinem Meister oft das Wort
erteilt und ihm eine begeisterte Anhängerschaft ge-
wonnen. Krefeld hat schon infolge der zahlreichen persön-
lichen Beziehungen zwischen Brahms und den Familien
von der Leyen, von Beckerath, Molenaer, Seyffarth,
Ophüls u. a. seit langer Zeit als „Brahminenstadt"
Berühmtheit erlangt. Jetzt wird nach dem großen
Brahms der größere Bruckner im Rheinland gepflegt.
Wenn ich das ausspreche,so kann ich mich auf Brahms
selbst als Jeugen für Bruckners überragende Größe
berufen. Nach der Uraufführung der Weihnachten 1868
vollendeten großen ?-Moll-Messe im Juni 1872 in der
Augustinerkirche in Wien hat Brahms in der Sakristei
dem Komponisten das Zeugnis ausgestellt, daß die
Messe das Schönste sei, was er gehört habe. Uber
die Symphonien Bruckners kursierte in Wiener Musik-
kreisen ein ähnlich rühmendes Urteil aus Brahms' Munde.
Ein zweiter Jeuge von unanfechtbarer Sachkenntnis
ist Wagner, der schon auf Grund der drei ersten Sym-
phonien Bruckner als Musiker hochgeschätzt und die Wid-
mung der Silvester 1873 vollendeten 3. Symphonie in