DaS Königsduell.
der Hand schlagen! Aurückreißen! über den Schädel
bauen! — saust es in allen Hirnen. Der König hebt
abwehrend seine Hand gegen uns, und wir — der
König ist der König! Und wenn er sterben will, so ist
es seine Sache. Nicht die Sache seiner Untergebenen!
— wir bleiben, des Ungeheuersten gewärtig, im Glied
stehen. Da reißt Dietrich von Degenseld die Pistole,
die noch immer auf das Herz des unbeweglich wartenden
Königs gerichtet ist, mit einem Ruck in die Höhe, daß
sein Arm senkrecht gen Himmel schreit, und knallt ins
blaue Firmament hinauf. „Die Kugel war für Ew.
Majestät bestimmt," kommt langsam, Silbe um Silbe
gemeißelt, aus seinem Munde. „Leider habe ich gefehlt.
Den nächsten Schuß haben Ew. Majestät. Da ich indessen
nicht erwarten darf, daß der König nach dem Willen
seines Untergebenen auch nur einen Finger krümmt,
bitte ich untertänigst um die Erlaubnis, für Ew. Majestät
abdrücken zu dürfen." Spricht's, reißt die noch immer
gen Himmel gereckte, rauchende Pistole herunter, kehrt
sie diesmal gegen sein eigenes Herz, drückt ab und sinkt
tot zusammen. Unbeweglich steht der König. Dann tritt
er zwei Schritt vor, beugt sich nieder, streicht dem Toten
über das roggenblonde Haar, das durch den Fall unbe-
deckt geworden ist, und spricht: „Dir hab ich Unrecht
getan. Und um deinetwillen werde ich niemals wieder
einen Offizier schlagen. Auch dann nicht — dabei
richtete er sich auf und faßte wieder uns ins Auge — auch
dann nicht, wenn sie es verdienten und, im Gegensatz
zu dir, ertrügen." — Der König hat Wort gehalten.
Seit diesem Tag hat er keinen Offizier mehr geschlagen.
Ich denke, meine Herren, wir haben uns verstanden.
Der König ist der König! In Stock und Eisen schließe
ich den, der mit der Wimper muckt, wenn ihm vom
König Unrecht geschieht. Aber: einen Hundsfott heiße
ich, wer seine Ehre nicht auch gegen einen König zu
wahren weiß. Und damit: Gute Nacht!" — „Gute
Nacht!" — „Auf morgen!" — „Auf morgen!" — und:
„Vivat König Friedrich!" — „Vivat Fridericusü!"
ernackteKaiserundderHl.Jovmian.
Von Benno Rüttenauer.
Es geht aus alten Zeiten eine Mär, die sehr seltsame
und fast unglaubliche Dinge raunt über den ehemals
mächtigen Kaiser Jovinianus aus den griechischen
Morgenlanden, der, nachdem er viele Jahre in gottlosem
Hochmut als Herrscher gewaltet, seines Reiches und
seiner Macht verlustig ging und ein frommer und de-
mütiger Mensch und Heiliger Gottes geworden ist.
Sein Vater, sein Großvater und sein Urgroßvater
hatten in ruhmreichen Kriegen ringsum all ihre Feinde
niedergeworfen, hatten das Reich um das Dreifache
vergrößert und aus ihren Beutezügen und Eroberungen
unermeßliche Schätze um sich aufgehäuft, also daß Kaiser
Jovinianus, nachdem er, noch jung an Jahren, die
Erbschaft all dieser Herrlichkeiten angetreten, sich mit
einem Schlag zum reichsten und gewaltigsten Herrn der
Erde erhoben sah, dem selbst die fernsten Könige durch
glänzende Gesandtschaften ihre Huldigung darbrachten
in fast scheuer Ehrfurcht, gerade als wenn sie seine Unter-
tanen gewesen wären.
So gab es für ihn keine Kriege zu führen, und ein
anderer wäre an seiner Stelle vielleich: ein weicher
Wollüstling oder wüster Schlemmer geworden, doch
Jovinianus war nicht von solcher Art, seine Natur
drängte ihn zur Tätigkeit.
Da schienen ihm denn zunächst die kaiserlichen Ge-
wänder, wie sie bisher üblich waren, allzu einfach und
ärmlich für seinen Rang und Reichtum, und er ließ daher,
und gleich in großer Anzahl, viel prunkvollere anfcrtigen,
zu denen er selber eigenhändig die Zeichnungen entwarf.
Auch über die Ausführung wachte er, und wehe dem
Gewandkünstler, wenn da eine Goldborte um ein Haar
zu hoch oder zu niedrig saß oder um ein Haar zu dünn
oder zu schmal war, oder die farbigen Steine, die blut-
roten Rubine und die grünen Smaragde, die blauen
Saphire und die gelben Topase und violenfarbenen
Amethyste in Größe und Zusammenstellung von seinen
Zeichnungen auch nur um ein halbes Haar abwichen.
Da geriet er dann leicht in Wut und griff zum Stock
oder zu seiner Hundspeitsche, und manchen auch ließ
er lebenslänglich ins Gefängnis werfen.
Solche Mühe und Arbeit gab er sich aber nicht nur
für seine höchsteigenen kaiserlichen Gewänder, auch für
die seiner Feldherren, obwohl sie nichts zu tun hatten,
und seiner Generäle und Obersten, gab er, den kleinsten
Knopf nicht vergessend, peinlich genaue Vorschriften
und ebenso für den tausendköpfigen Troß von Hof-
beamten und Leibdienern bis zum letzten Küchenjungen
hinunter.
Auch gewisse alte Ruinen und Mauertrümmer gaben
ihm Gelegenheit zu einer hochwichtigen Beschäftigung.
Von diesen Ruinen ging die Sage, daß sie einst in den
alten Zeiten die Paläste berühmter Könige gewesen
waren, so des Cyrus, des Xerres, des Artaphernes und
anderer. Er brauchte sich nur vorzustellen, wie diese
sagenhaften Paläste ehemals ausgesehen hatten, und
verfertigte allsofort Grund und Aufriß derselben, um sie
wieder funkelnagelneu Herstellen zu lassen. Das kostete
ihn ein Heidengeld, aber dafür entstanden nun auch
dutzendweise so unerhörte, so märchenhafte, so phan-
tastische Bauten, daß die Leute davor Maul und Augen
aufsperrten.
Darum war er überzeugt, seine Vorfahren auch an
Tugend und Verdienst weit zu übertreffen, wie er sie
übertraf an Macht und Reichtum. Jene hatten das Reich
um das Dreifache vergrößert, er selbst vergrößerte um das
Sechsfache den kaiserlichen Palast, und die alten Teile des-
selben ließ er von unten bis oben neu vergolden. Er
baute auch, seine Vorfahren hatten daran nicht gedacht,
in der Nähe des kaiserlichen Palastes den sogenannten
Gral. Da waren die Wände von dunkelblauem Achat,
die Säulen von grünem Porphyr und die Kapitäle
derselben von strahlendem Gold. Dahinein paßten
natürlich keine armen Leute und überhaupt kein gemeines
und geringes Volk, sondern nur solche, die angetan waren
mit goldbebordeten Kleidern nach der Erfindung des
Kaisers. Von diesen hatte jeder darin einen numerierten
Platz, und jeden siebenten Tag fanden sie sich darin zu-
sammen, und wenn dann der Kaiser erschien mit seinem
Prunkhaften Gefolge, da warfen sie sich nieder mit der
Stirne am Boden und beteten ihn an. Dabei sagten sie.
72
der Hand schlagen! Aurückreißen! über den Schädel
bauen! — saust es in allen Hirnen. Der König hebt
abwehrend seine Hand gegen uns, und wir — der
König ist der König! Und wenn er sterben will, so ist
es seine Sache. Nicht die Sache seiner Untergebenen!
— wir bleiben, des Ungeheuersten gewärtig, im Glied
stehen. Da reißt Dietrich von Degenseld die Pistole,
die noch immer auf das Herz des unbeweglich wartenden
Königs gerichtet ist, mit einem Ruck in die Höhe, daß
sein Arm senkrecht gen Himmel schreit, und knallt ins
blaue Firmament hinauf. „Die Kugel war für Ew.
Majestät bestimmt," kommt langsam, Silbe um Silbe
gemeißelt, aus seinem Munde. „Leider habe ich gefehlt.
Den nächsten Schuß haben Ew. Majestät. Da ich indessen
nicht erwarten darf, daß der König nach dem Willen
seines Untergebenen auch nur einen Finger krümmt,
bitte ich untertänigst um die Erlaubnis, für Ew. Majestät
abdrücken zu dürfen." Spricht's, reißt die noch immer
gen Himmel gereckte, rauchende Pistole herunter, kehrt
sie diesmal gegen sein eigenes Herz, drückt ab und sinkt
tot zusammen. Unbeweglich steht der König. Dann tritt
er zwei Schritt vor, beugt sich nieder, streicht dem Toten
über das roggenblonde Haar, das durch den Fall unbe-
deckt geworden ist, und spricht: „Dir hab ich Unrecht
getan. Und um deinetwillen werde ich niemals wieder
einen Offizier schlagen. Auch dann nicht — dabei
richtete er sich auf und faßte wieder uns ins Auge — auch
dann nicht, wenn sie es verdienten und, im Gegensatz
zu dir, ertrügen." — Der König hat Wort gehalten.
Seit diesem Tag hat er keinen Offizier mehr geschlagen.
Ich denke, meine Herren, wir haben uns verstanden.
Der König ist der König! In Stock und Eisen schließe
ich den, der mit der Wimper muckt, wenn ihm vom
König Unrecht geschieht. Aber: einen Hundsfott heiße
ich, wer seine Ehre nicht auch gegen einen König zu
wahren weiß. Und damit: Gute Nacht!" — „Gute
Nacht!" — „Auf morgen!" — „Auf morgen!" — und:
„Vivat König Friedrich!" — „Vivat Fridericusü!"
ernackteKaiserundderHl.Jovmian.
Von Benno Rüttenauer.
Es geht aus alten Zeiten eine Mär, die sehr seltsame
und fast unglaubliche Dinge raunt über den ehemals
mächtigen Kaiser Jovinianus aus den griechischen
Morgenlanden, der, nachdem er viele Jahre in gottlosem
Hochmut als Herrscher gewaltet, seines Reiches und
seiner Macht verlustig ging und ein frommer und de-
mütiger Mensch und Heiliger Gottes geworden ist.
Sein Vater, sein Großvater und sein Urgroßvater
hatten in ruhmreichen Kriegen ringsum all ihre Feinde
niedergeworfen, hatten das Reich um das Dreifache
vergrößert und aus ihren Beutezügen und Eroberungen
unermeßliche Schätze um sich aufgehäuft, also daß Kaiser
Jovinianus, nachdem er, noch jung an Jahren, die
Erbschaft all dieser Herrlichkeiten angetreten, sich mit
einem Schlag zum reichsten und gewaltigsten Herrn der
Erde erhoben sah, dem selbst die fernsten Könige durch
glänzende Gesandtschaften ihre Huldigung darbrachten
in fast scheuer Ehrfurcht, gerade als wenn sie seine Unter-
tanen gewesen wären.
So gab es für ihn keine Kriege zu führen, und ein
anderer wäre an seiner Stelle vielleich: ein weicher
Wollüstling oder wüster Schlemmer geworden, doch
Jovinianus war nicht von solcher Art, seine Natur
drängte ihn zur Tätigkeit.
Da schienen ihm denn zunächst die kaiserlichen Ge-
wänder, wie sie bisher üblich waren, allzu einfach und
ärmlich für seinen Rang und Reichtum, und er ließ daher,
und gleich in großer Anzahl, viel prunkvollere anfcrtigen,
zu denen er selber eigenhändig die Zeichnungen entwarf.
Auch über die Ausführung wachte er, und wehe dem
Gewandkünstler, wenn da eine Goldborte um ein Haar
zu hoch oder zu niedrig saß oder um ein Haar zu dünn
oder zu schmal war, oder die farbigen Steine, die blut-
roten Rubine und die grünen Smaragde, die blauen
Saphire und die gelben Topase und violenfarbenen
Amethyste in Größe und Zusammenstellung von seinen
Zeichnungen auch nur um ein halbes Haar abwichen.
Da geriet er dann leicht in Wut und griff zum Stock
oder zu seiner Hundspeitsche, und manchen auch ließ
er lebenslänglich ins Gefängnis werfen.
Solche Mühe und Arbeit gab er sich aber nicht nur
für seine höchsteigenen kaiserlichen Gewänder, auch für
die seiner Feldherren, obwohl sie nichts zu tun hatten,
und seiner Generäle und Obersten, gab er, den kleinsten
Knopf nicht vergessend, peinlich genaue Vorschriften
und ebenso für den tausendköpfigen Troß von Hof-
beamten und Leibdienern bis zum letzten Küchenjungen
hinunter.
Auch gewisse alte Ruinen und Mauertrümmer gaben
ihm Gelegenheit zu einer hochwichtigen Beschäftigung.
Von diesen Ruinen ging die Sage, daß sie einst in den
alten Zeiten die Paläste berühmter Könige gewesen
waren, so des Cyrus, des Xerres, des Artaphernes und
anderer. Er brauchte sich nur vorzustellen, wie diese
sagenhaften Paläste ehemals ausgesehen hatten, und
verfertigte allsofort Grund und Aufriß derselben, um sie
wieder funkelnagelneu Herstellen zu lassen. Das kostete
ihn ein Heidengeld, aber dafür entstanden nun auch
dutzendweise so unerhörte, so märchenhafte, so phan-
tastische Bauten, daß die Leute davor Maul und Augen
aufsperrten.
Darum war er überzeugt, seine Vorfahren auch an
Tugend und Verdienst weit zu übertreffen, wie er sie
übertraf an Macht und Reichtum. Jene hatten das Reich
um das Dreifache vergrößert, er selbst vergrößerte um das
Sechsfache den kaiserlichen Palast, und die alten Teile des-
selben ließ er von unten bis oben neu vergolden. Er
baute auch, seine Vorfahren hatten daran nicht gedacht,
in der Nähe des kaiserlichen Palastes den sogenannten
Gral. Da waren die Wände von dunkelblauem Achat,
die Säulen von grünem Porphyr und die Kapitäle
derselben von strahlendem Gold. Dahinein paßten
natürlich keine armen Leute und überhaupt kein gemeines
und geringes Volk, sondern nur solche, die angetan waren
mit goldbebordeten Kleidern nach der Erfindung des
Kaisers. Von diesen hatte jeder darin einen numerierten
Platz, und jeden siebenten Tag fanden sie sich darin zu-
sammen, und wenn dann der Kaiser erschien mit seinem
Prunkhaften Gefolge, da warfen sie sich nieder mit der
Stirne am Boden und beteten ihn an. Dabei sagten sie.
72