Giovanni Giacometti. Selbstbildnis in Zahnschmerzen (l-l-). (Abb. I )
Giovanni Giacometti.
er überaus rassig gemalte Kopf an der Spitze
dieser Zeilen (Abb. 1) ist ein Selbstbildnis des
Malers Giovanni Giacometti aus Stampa im
Bergell, als er von bösen Zahnschmerzen geplagt war.
Wenn das Bild farbig gedruckt werden könnte, was auch
aus andern Gründen wünschenswert wäre, würde das
schwarze Tuch nicht nur ein glühendes Gesicht, sondern
auch sein rötlich brennendes Haar einrahmen, dessen Glut
freilich schon ein wenig weiß gedämpft ist; denn Giovanni
Giacometti wurde am 7. Marz dreiundfünfzig Jahre alt.
Man sähe dann einen typischen Graubündner und hätte
auch einen Schlüssel zu seiner Malerei, die sich voll-
kommen von dem entfernt, was wir als italienisch zu
empfinden gewöhnt sind. Trotz seinem Namen war Giaco-
metti künstlerisch immer diesseits der Alpen zu Haus, und
wenn man die moderne Malerei der Schweizer in die
Gruppen der Deutschen, Welschen und Tessiner einteilen
wollte, fiele er ganz der deutschen Gruppe zu. Er hat von
7/
Anfang an durch seinen Studienfreund Amiet den Berner
Künstlern nahegestanden, und hat schon in der Zeit,
als Ferdinand Hodler noch bestritten und verlacht wurde,
sozusagen die Berner Gruppe, von der die eigentliche
Geltung der Schweizer Malerei als einer besonderen
europäischen Angelegenheit herrührt, eigentümlich ver-
stärkt.
Der nicht weniger gut gemalte Kopf aber am Schluß
dieser Zeilen (Abb. 4) bezeichnet die künstlerische Herkunft
Giacomettis genauer. Er ist, darüber kann das geübte
Auge keinen Augenblick im Zweifel sein, in seiner Art
durch van Gogh bestimmt, der auch für Amiet, durch ihn
für Hodler und somit für den ganzen Aufschwung der
Berner Malerei durchaus weggebender wurde, als sein
Gegenpol Cezanne, der heute die welsche Malerei in
der Schweiz beherrscht. Will man van Gogh und Cezanne,
die das moderne Schicksal der abendländischen Malerei
bestimmten, auf eine Formel gegeneinander bringen,
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l
Giovanni Giacometti.
er überaus rassig gemalte Kopf an der Spitze
dieser Zeilen (Abb. 1) ist ein Selbstbildnis des
Malers Giovanni Giacometti aus Stampa im
Bergell, als er von bösen Zahnschmerzen geplagt war.
Wenn das Bild farbig gedruckt werden könnte, was auch
aus andern Gründen wünschenswert wäre, würde das
schwarze Tuch nicht nur ein glühendes Gesicht, sondern
auch sein rötlich brennendes Haar einrahmen, dessen Glut
freilich schon ein wenig weiß gedämpft ist; denn Giovanni
Giacometti wurde am 7. Marz dreiundfünfzig Jahre alt.
Man sähe dann einen typischen Graubündner und hätte
auch einen Schlüssel zu seiner Malerei, die sich voll-
kommen von dem entfernt, was wir als italienisch zu
empfinden gewöhnt sind. Trotz seinem Namen war Giaco-
metti künstlerisch immer diesseits der Alpen zu Haus, und
wenn man die moderne Malerei der Schweizer in die
Gruppen der Deutschen, Welschen und Tessiner einteilen
wollte, fiele er ganz der deutschen Gruppe zu. Er hat von
7/
Anfang an durch seinen Studienfreund Amiet den Berner
Künstlern nahegestanden, und hat schon in der Zeit,
als Ferdinand Hodler noch bestritten und verlacht wurde,
sozusagen die Berner Gruppe, von der die eigentliche
Geltung der Schweizer Malerei als einer besonderen
europäischen Angelegenheit herrührt, eigentümlich ver-
stärkt.
Der nicht weniger gut gemalte Kopf aber am Schluß
dieser Zeilen (Abb. 4) bezeichnet die künstlerische Herkunft
Giacomettis genauer. Er ist, darüber kann das geübte
Auge keinen Augenblick im Zweifel sein, in seiner Art
durch van Gogh bestimmt, der auch für Amiet, durch ihn
für Hodler und somit für den ganzen Aufschwung der
Berner Malerei durchaus weggebender wurde, als sein
Gegenpol Cezanne, der heute die welsche Malerei in
der Schweiz beherrscht. Will man van Gogh und Cezanne,
die das moderne Schicksal der abendländischen Malerei
bestimmten, auf eine Formel gegeneinander bringen,
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