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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 31.1921

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Heft 1
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Ernst, Paul: Zwei Spitzbubengeschichten
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Redslob, Edwin: Henry Thode: verkürzte Wiedergabe einer zur Gedächtnisfeier der Heidelberger Universität am 13. Dezember 1920 gehaltenen Rede
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https://doi.org/10.11588/diglit.26485#0047

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Zwei Spitzbubcngeschichtcn.

Die beiden Polizisten besprechen sich, grüßen dann
den Messer Filippo und gehen. Sie haben ihre Pflicht
getan. Die Nachbarn beginnen sich zu zerstreuen.
Pietrino nimmt den Messer Filippo unter den Arm und
führt ihn in das Haus, in die Küche, wo die Signora
gebrochen auf der Eimerbank sitzt und weint.
„Nun wollen, wir gleich ans Wurstmachen gehen,"
sagt er. „Aber Pietrino, es ist wirklich gestohlen," ruft
der Messer, vor ihm stehend und die Hande beteuernd
hochhebend. „Euer Erzellenz! Unter uns! Ich bin doch
verschwiegen!" erwidert Pietrino.
Messer Filippo führt ihn in den Keller, zeigt ihm
wortlos den leeren Tisch, auf dem das Schwein gelegen,
das blutbefleckte Tuch, die leeren Schüsseln.
„Wie Euer Erzellenz will," sagt kalt Pietrino. Er
gibt sich den Anschein, als glaube er immer noch nicht
den Diebstahl. „Meinen Tagelohn muß ich bekommen,
und die Trinkgelder, die mir die Nachbarn gegeben
hätten, werden mir Eure Erzellenz gewiß auch nicht
verweigern."
enry Thode.
Verkürzte Wiedergabe einer zur Gedächtnisfeier der Heidel-
berger Universität am 13. Dezember 1920 gehaltenen Rede.
Von Edwin Redslob.
Die Heidelberger Universität feiert das Gedächtnis
eines Lehrers, der für lange Jahre der Stätte seines
Wirkens einen Zauber verliehen hat, so daß der Name
Henry Thode mit dem Namen Heidelberg auf das engste
verbunden bleibt.
Als Symbol dieser Verbindung erinnere ich an die
Rede, die Thode vor der Heidelberger Studentenschaft
anläßlich der Ablehnung des Rufes an die Berliner
Universität gehalten hat, weil sich in ihr der Ausdruck
seines Wesens am stärksten ausprägt. Ihre Sätze sind
durchschüttert von einer ahnenden Angst vor der Zukunft
des deutschen Volkes. Der Redner fordert darin eine
Vertiefung des inneren Lebens, damit wir nicht, ver-
blendet über einen glanzvollen äußeren Aufstieg, dem
Absturz entgegentaumeln. Wenn wir uns, heute zurück-
schauend, an diesen Kerngedanken der Lehre Thodes
erinnern, so werden wir begreifen, daß er ein Recht
hatte, sich aus seiner reichen Kenntnis der Vergangen-
heit heraus in Gegensatz zum zeitgenössischen Leben zu
stellen.
Aber man kann die Tragik eines geistigen Menschen
nicht auf eine bestimmte Formel bringen, sie etwa hier
nur begreifen als Gegensätzlichkeit zu der eigenen Zeit.
Sie liegt vielmehr viel tiefer im innersten Wesen be-
gründetund war bei Thode nicht nur Gegensatz zwischen
Zeit und Persönlichkeit, sondern auch Gegensatz zwischen
erkennender Betrachtung und schöpferischem Willen.
Freilich zog er sich nicht in die Vergangenheit zurück,
um träumend alle Sorgen des Heute zu vergessen. Er
suchte und gestaltete um der Zukunft willen. Ich er-
innere hier daran, wie er in seinem Jugendwerk „Franz
von Assisi und die Anfänge der Kunst der Renaissance in
Italien" begann, die Erkenntnis der italienischen Re-
naissance auf eine religiös begründete Basis zu stellen.

Er hat die Auffassung der Renaissance damit in einer
Weise vertieft und verändert, die der Geistesrichtung um
1890 freilich wenig entsprach, deren epochemachende
Bedeutung aber der folgenden Generation um so tiefer
verständlich wurde.
Von hier aus weitergehend hat er in seinem Werk
über Michelangelo das Gegenbild aufgestellt und hat
versucht, die innere Verbundenheit des schöpferischen
Menschen mit den Kräften der Zeit und des Volkstums
darzustellen. Erschütternd ist dieses Werk durch die Er-
kenntnis von der Tragik der Renaissance, so daß man
Thodes wissenschaftliches Erlebnis in Parallele stellen
kann zu dem Werk eines anderen großen Heidelberger
Gelehrten, zu Erwin Rohdes Psyche und der in diesem
Werke enthaltenen Lehre von der Tragik des griechischen
Menschen.
Gestaltungskraft und Gründlichkeit des Forschers,
kritische und intuitive Arbeitsart aber sieht man in einzig-
artiger Weise verbunden in der „Malerschule von Nürn-
berg". In ein Gewirr vereinzelter Bildwerke hat hier
eine gestaltende Hand erste Ordnung gebracht. Hier
wie in den grundlegenden Forschungen zur mittel-
rheinischen Malerei war für Thode das Entscheidende
nicht so sehr, daß die einzelnen Posten stimmten, es kam
ihm vielmehr darauf an, daß die gesamte Entwicklung
als Einheit — als Summe richtig erkannt war. In diesem
Sinne ist er das gewesen, was er in seinem Vortrag vor
der Goethe-Gesellschaft von dem Weimarer Dichter
gesagt hat: ein Bildner.
Er mag dem einzelnen Ergebnis gegenüber vielfach
nicht den richtigen Standpunkt gefunden haben, er hat
aber Erkenntnisse gebracht, die aller nach ihm kommenden
Wissenschaft die Arbeit erleichtert haben.
Und schon ergibt sich aus der Entwicklung der kunst-
geschichtlichen Forschung, daß auch in Einzelheiten häufig
der sichere und schnelle Blick seiner intuitiven Arbeitsart
recht behalten hat.
Vor allem aber machte diese Verbindung forschender
und gestaltender Kräfte den Wert des Universitätslehrers
aus. Es waren große Momente, wenn Thode in kurzem
Überblick die Grundzüge ganzer Perioden kultureller
Entwicklung zusammenfaßte und ein Gefüge baute, wie
es nur erlebtem Wissen zu geben möglich war. Als
Lehrer im Kolleg und im Seminar, aber auch als Vor-
tragender vor der Öffentlichkeit hat er eine Tätigkeit ent-
faltet, die die Heidelberger Zeit wohl zu der schönsten
und wirkungsvollsten seines Lebens gemacht hat.
Die Geschlossenheit seiner Auffassung, die um-
fassende kulturelle Kenntnis, die menschliche Vertiefung
ist das, was ihm die Kunstwissenschaft zu danken hatte
in einer Zeit, da Spezialismus und kritische Zersetzung
vielfach auf dem Geistesleben lasteten. Er vertrat das
Gefühl vom Adel seines Berufes und klagte oft darüber,
daß sich die Kunsthistoriker die Auswirkung ihres Berufes
durch Neid und Gezänk verdürben. Und immer wieder be-
tonte er, daß der Beruf des Kunstgelehrten in besonders
hohem Maße produktiv und tätig gerichtet sein müsse.
Er hat seinen schöpferischen Willen nicht nur als
Stilist und als Übersetzer, sondern auch als Dichter be-
tätigt. In feinem geistigem Spiel schuf er die Märchen-
erzählung vom Ring des Frangipani und das Buch vom
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