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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 31.1921

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Heft 1
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Redslob, Edwin: Henry Thode: verkürzte Wiedergabe einer zur Gedächtnisfeier der Heidelberger Universität am 13. Dezember 1920 gehaltenen Rede
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https://doi.org/10.11588/diglit.26485#0048

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Henry Thode.

Gardasee, dessen Titel Lomnii exxlg.ng.tio an Thoma
wie an Giovanni Bellini gemahnt. In der deutschen
Literatur sind diese Werke einzigartig durch die seltene
Verbindung höchster geistiger Kultur mit zarter Kind-
lichkeit des Herzens.
Er übertrug diese seelische Feinheit auch auf seinen
Verkehr mit den Menschen. Er konnte sich nicht daran
gewöhnen, daß die ritterlichen Züge seines Wesens
— Männlichkeit des Willens und Kindlichkeit des Her-
zens — nicht allen zu eigen oder doch verständlich waren.
Daher kamen ihm auch Enttäuschungen und Konflikte,
daher wich er gelegentlich Schwierigkeiten aus, weil es
Arenen gab, in die niederzustcigen er ablehnte.
Aber da, wo es ihm innerlich lohnte, ist er freudiger
Kämpfer gewesen, und aus diesem Bedürfnis des
Kampfes ist ja auch sein Entschluß gekommen, den Heidel-
berger Lehrstuhl aufzugeben und sich ganz der öffent-
lichen Vortragstätigkeit zu widmen. Für die Heidel-
berger Freunde war es eine Enttäuschung, daß Thode
die Verbindung mit einer Stadt löste, für deren geistige,
künstlerische und musikalische Eigenart sein Haus während
schönster Jahre bestimmend gewesen war.
Aber was wir bis 1914 nicht einzusehen vermochten,
steht heute begreifbar vor uns: aus der Witterung für die
Zukunft, die er wie alle produktiven Naturen in ver-
stärktem Maße hatte, erwuchs ihm, mehr und mehr sich
steigernd, eine innere Unruhe, die ihn alles auf Eile
und auf eine Mission der großen Allgemeinheit gegen-
über stellen ließ.
Der Gegensatz zur geistigen Hohlheit und zur Groß-
mannssucht seiner Zeit hatte vorher schon Thodes Leben
vielfach bestimmt. Wir denken hier nur an das eine
Beispiel: an den Kampf um das Heidelberger Schloß.
Wir sehen ihn vor uns, wie er damals die ganze Wucht
seiner Persönlichkeit in die Wagschale warf, wie er in
der großen Versammlung der Stadthalle die Jugend der
Universität zu Heller Begeisterung brachte und so ent-
scheidend dazu beitrug, daß das Heidelberger Schloß
nicht der Baulust eines Parvenühaften Spieles mit
historischem Wissen hingeopfert wurde.
Wer Thode in solcher Kampfesstellung sah, wird
eine bleibende Erinnerung in seinem Inneren halten.
Zu der straffen Art, mit der er seine Gedanken gleichsam
in die Menge hineintrieb, paßte der feine schmale Kopf,
der ganz auf Profil gestellt war. In seinen Augen war
eine seltene Mischung von Willenskraft und Träumerei,
der Mund war von einer Festigkeit, wie sie nur höchste
geistige Anspannung zu geben vermag. In seinen Händen
aber war etwas von formender Kraft, eine nur ihm
eigene Mischung von Spiel und Stärke, die den Zauber
dieses so energischen und doch so liebenswürdigen Mannes
ausmachte.
Überlegen wir uns, daß dieser Kampfer dem Zu-
sammenbruch Deutschlands, den er kommen sah, Ver-
tiefung durch geistige Kräfte in letzter Stunde als ein-
ziges Heilmittel entgegenzustemmen versuchte, so werden
wir die Tragik seines Lebens begreifen.
Die Tragik steigerte sich dadurch, daß er in diesem
Kampf gegen das Heute nicht den Willen zur Zukunft
als Bundesgenossen nahm, sondern Festhalten an der
Vergangenheit forderte.

Dennoch war in seinem Kampf wider die Gegenwart
für die, die ihn recht verstanden, ein Stück Glaube an die
Zukunft enthalten. Der Gegensatz gegen die Zeit, die
wissenschaftlich im kritischen Zersetzen der Dinge das Ent-
scheidende sah, verband ihn mit einer Generation, die
nicht in der Schöpfung, sondern im Schöpfer selbst das
große Symbol alles Schaffens erblickte.
Dieses Bekenntnis aber mag als ein Dank für den
Lehrer gelten. Hier liegt wohl auch das Geheimnis,
warum der Heidelberger Lehrstuhl für Kunstgeschichte
so viel bedeuten konnte. Gefühle für Tradition, für Ein-
heit aller kulturellen Äußerungen in geistiger und auch in
menschlicher Hinsicht, Achtung vor allen produktiven
Kräften und Verständnis für die religiöse Grundlage
aller Geistesarbeit sind für Thodes Leben kennzeichnend
und haben seinen Schülern ein Gefühl der Verant-
wortlichkeit, ein Gefühl aber auch der Freude und der
Berufung gegeben.
Es wäre noch viel zu sagen von dem Reiz des Men-
schen, von der elastischen Art, wie er unmittelbar nach
einem Vortrag sich ganz umstellte auf die Sorgen und die
Wünsche derer, die mit ihm sprachen, oder wie er nach
anstrengender Arbeit unverbraucht und jung eine Ge-
sellschaft zu bezaubern vermochte. Weil er von sich selbst
zu sprechen wußte wie ein Kind, weil er immer wieder
glaubte, daß die feinen und zarten Regungen seines
Herzens allen Menschen eigentümlich seien, hatte er die
seltene Fähigkeit, auf andere einzugehen, sie zum
Sprechen zu bringen und ihnen gleichsam durch die Art
seines Juhörens das Gefühl von Hilfe und Erleichterung
zu geben. Er brachte etwas Reines und Schönes in das
Leben, und dies Gefühl der Festlichkeit gibt wohl den be-
sonderen Klang, mit dem noch heute der Name Henry
Thode ausgesprochen wird.
Man würde zu wenig von ihm gesagt haben, wenn
man nicht daran erinnert hätte, welch scharfen Blick er
für Menschen besaß, die ihm innerhalb seiner geistigen
Richtung ein Stück Zukunft bedeuteten. Ich erinnere
hier nur daran, wie seine Tätigkeit als Frankfurter
Museumsdirektor bedeutungsvoll wurde durch seinen
Kampf für die Kunst Hans Thomas. Heute hat sich die
Schätzung Hans Thomas als etwas Selbstverständliches
durchgesetzt. Wir dürfen aber nicht vergessen, daß das
erste Eintreten für diesen Meister eine Tat war. Wenn
wir uns überlegen, daß Thoma einer der Künstler ist,
die mehr im Kindheitsland der Menschen beheimatet
sind als in der Realität der eigenen Zeit, so begreifen
wir, daß in dieser Entdeckung der Thomaschen Kunst
durch Thode ein Stück Schicksal lag.
So aber spüren wir in allem, was Thode getan hat,
Erlebnis und Schicksal. Seine durch engste verwandt-
schaftliche und freundschaftliche Beziehungen bedingte
Verbindung mit dem Werk von Bayreuth ist ein solches
Schicksal. Denn sie bedeutet Hingabe an einen in Form
und Willen geprägten geistigen Besitz, den ihm die eigene
Zeit versagte. Und es wirkt ergreifend, zu denken, daß
Richard Wagner während der letzten Wochen seines
Lebens mit keinem Buch so sehr beschäftigt war, als mit
dem „Franz von Assisi" des 28jährigen Gelehrten, der
später ein entscheidender Vorkämpfer der Bayreuther
Idee werden sollte.
 
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