Denkmäler.
Karl Wahl und Aabotin. Entwurf zu
einem Denkmal für die Karlsruher
Fliegeropfer, Karlsruhe. (Abb. 4.)
Karlsruhe geschah) sonst bleibt ledig-
lich eine in edler Haltung trauernde
Mutter. Das gleiche gilt von dem
Schreyöggschen Entwurf (Abb. 2),
nur daß hier die Gruppe nicht als
Relief sondern freistehend und über-
dies in einer das Leid mehr abwehren-
den als ihm hingegebenen Geste dar-
gestellt wurde. Daß der freien Auf-
stellung in diesem Fall der Vorzug
gebührt, empfindet das Gefühl sofort:
aus dem freien Himmel sauste das
Unheil nieder, ihm gehört als Klage
und Anklage auch sein Denkmal, die
Geborgenheit der Nische ist eine Ver-
schleierung. Ganz deutlich wird dieses
Gefühl in dem Entwurf von E. Sutor
(Abb. 3); hier ist Klage rind Anklage
gegen den Himmel in den erhobenen
Händen, Schmerz und Entsetzen in
den wankenden Knien; keine Nische,
nicht einmal ein Gewand verschleiert
den Ausland. Es ist entschieden der
Entwurf, der am nächsten an eine
mögliche Lösung der Aufgabe kam;
was ihn augenscheinlich hinderte, ist
ein deutlicher Mangel an plastischer
Kraft: die Geste kommt weder zur
Leidenschaft noch zur Größe. Man
müßte den Bildhauer genauer kennen,
G. Meyerhuber. Entwurf zu einem Denkmal
für die Karlsruher Fliegeropfer, Karlsruhe.
(Abb. 5.)
und Anklage, Schmerz und Entsetzen
sollte das Denkmal festhalten, dafür
war nur ein Keim, der Sutorsche
Entwurf gegeben; schade, daß er nicht
zur Entwicklung kam.
*
Weniger bestimmt lautete die Auf-
gabe für das Kriegerdenkmal; Tau-
sende hat der grausame Krieg hin-
gerafft, Tausende starben fürs Vater-
land und konnten doch sein Schicksal
nicht wenden; aber ob sie es nicht
wenden konnten, sie waren tapfer
und treu bis in den Tod: das war
das Thema. Seitdem Albiker seinen
nicht ausgeführten Entwurf für Frei-
burg machte, ist ein großes und hof-
fentlich lange fortwirkendes Beispiel
gegeben, wie diesem Thema von der
Seite des sterbenden Kriegers ohne
klassischen Aufputz ein Sinnbild ge-
schaffen werden kann; die andere
Möglichkeit wäre die von der Seite
der Trauernden aus. Ziemlich alle
Entwürfe in Karlsruhe haben diesen
Weg gewählt: auch der wiederum
verblüffende Entwurf von Karl Wahl
und Aabotin, dessen Abbildung un-
möglich ist, versuchte es von dieser
Seite aus, indem er drei Leichen von Gefallenen in ein
offenes Grab legte. Das wäre nun allerdings — vor-
ausgesetzt, daß die plastische Durchbildung kühn und
groß genug wäre — eine Möglichkeit, der Trauer für
alle Zeit ein starkes Sinnbild zu geben; denn wer ver-
möchte an dieses offene Grab zu treten, ohne ein Grauen
Weg zu versuchen, statt ihn nach her¬
kömmlicher Weise mit einer Nische ab¬
zuschneiden.
Verblüffeiider als der Sutorsche Ent¬
wurf wirkt ja freilich der von KarlWahl
und Zabotin (Abb. 4). Hier ist gewisser¬
maßen das Wort Fliegeropfer direkt
illustriert: an einem Obelisk saust das
Verderben herunter, unten stirbt das
Opfer. Abgesehen davon, daß hier eine
höchst unzulängliche plastische Gestaltung
vorliegt, ist auch die Idee literarisch da-
neben geraten. Welcher Art das Ver-
brechen war, geht das Denkmal nichts
an, sondern was es auslöste, dessen soll
es ein Sinnbild sein, und hierfür scheint
allein der Sutorsche Entwurf einen Weg
anzugeben. Jedenfalls ist der Rosen
streuende Engel von G. Meyerhuber
(Abb. 5) eine gute Kirchhofsfigur, aber
er sagt nichts zur Sache, und was er
sagt, das widerspricht dem Herz der
Mutter, das nicht mit Rosen getröstet
sein will. Alles, was in diesem Fall
von Erlösung spricht, geht fehl: Klage
E. Sutor. Entwurf zu einem Denkmal für die
Karlsruher Fliegeropfer, Karlsruhe. (Abb.Z.)
um zu wissen, ob er in der Ausführung über eine ge¬
wisse Puppenhaftigkeit hinweggekommen wäre: eine
Skizze soll nicht nur das Arrangement sondern die Idee
geben, die liegt hier allein in der Geste, und die ist nicht
überzeugend genug. Immerhin hat Sutor das Problem
begriffen und es wäre der Mühe wert gewesen, diesen
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Karl Wahl und Aabotin. Entwurf zu
einem Denkmal für die Karlsruher
Fliegeropfer, Karlsruhe. (Abb. 4.)
Karlsruhe geschah) sonst bleibt ledig-
lich eine in edler Haltung trauernde
Mutter. Das gleiche gilt von dem
Schreyöggschen Entwurf (Abb. 2),
nur daß hier die Gruppe nicht als
Relief sondern freistehend und über-
dies in einer das Leid mehr abwehren-
den als ihm hingegebenen Geste dar-
gestellt wurde. Daß der freien Auf-
stellung in diesem Fall der Vorzug
gebührt, empfindet das Gefühl sofort:
aus dem freien Himmel sauste das
Unheil nieder, ihm gehört als Klage
und Anklage auch sein Denkmal, die
Geborgenheit der Nische ist eine Ver-
schleierung. Ganz deutlich wird dieses
Gefühl in dem Entwurf von E. Sutor
(Abb. 3); hier ist Klage rind Anklage
gegen den Himmel in den erhobenen
Händen, Schmerz und Entsetzen in
den wankenden Knien; keine Nische,
nicht einmal ein Gewand verschleiert
den Ausland. Es ist entschieden der
Entwurf, der am nächsten an eine
mögliche Lösung der Aufgabe kam;
was ihn augenscheinlich hinderte, ist
ein deutlicher Mangel an plastischer
Kraft: die Geste kommt weder zur
Leidenschaft noch zur Größe. Man
müßte den Bildhauer genauer kennen,
G. Meyerhuber. Entwurf zu einem Denkmal
für die Karlsruher Fliegeropfer, Karlsruhe.
(Abb. 5.)
und Anklage, Schmerz und Entsetzen
sollte das Denkmal festhalten, dafür
war nur ein Keim, der Sutorsche
Entwurf gegeben; schade, daß er nicht
zur Entwicklung kam.
*
Weniger bestimmt lautete die Auf-
gabe für das Kriegerdenkmal; Tau-
sende hat der grausame Krieg hin-
gerafft, Tausende starben fürs Vater-
land und konnten doch sein Schicksal
nicht wenden; aber ob sie es nicht
wenden konnten, sie waren tapfer
und treu bis in den Tod: das war
das Thema. Seitdem Albiker seinen
nicht ausgeführten Entwurf für Frei-
burg machte, ist ein großes und hof-
fentlich lange fortwirkendes Beispiel
gegeben, wie diesem Thema von der
Seite des sterbenden Kriegers ohne
klassischen Aufputz ein Sinnbild ge-
schaffen werden kann; die andere
Möglichkeit wäre die von der Seite
der Trauernden aus. Ziemlich alle
Entwürfe in Karlsruhe haben diesen
Weg gewählt: auch der wiederum
verblüffende Entwurf von Karl Wahl
und Aabotin, dessen Abbildung un-
möglich ist, versuchte es von dieser
Seite aus, indem er drei Leichen von Gefallenen in ein
offenes Grab legte. Das wäre nun allerdings — vor-
ausgesetzt, daß die plastische Durchbildung kühn und
groß genug wäre — eine Möglichkeit, der Trauer für
alle Zeit ein starkes Sinnbild zu geben; denn wer ver-
möchte an dieses offene Grab zu treten, ohne ein Grauen
Weg zu versuchen, statt ihn nach her¬
kömmlicher Weise mit einer Nische ab¬
zuschneiden.
Verblüffeiider als der Sutorsche Ent¬
wurf wirkt ja freilich der von KarlWahl
und Zabotin (Abb. 4). Hier ist gewisser¬
maßen das Wort Fliegeropfer direkt
illustriert: an einem Obelisk saust das
Verderben herunter, unten stirbt das
Opfer. Abgesehen davon, daß hier eine
höchst unzulängliche plastische Gestaltung
vorliegt, ist auch die Idee literarisch da-
neben geraten. Welcher Art das Ver-
brechen war, geht das Denkmal nichts
an, sondern was es auslöste, dessen soll
es ein Sinnbild sein, und hierfür scheint
allein der Sutorsche Entwurf einen Weg
anzugeben. Jedenfalls ist der Rosen
streuende Engel von G. Meyerhuber
(Abb. 5) eine gute Kirchhofsfigur, aber
er sagt nichts zur Sache, und was er
sagt, das widerspricht dem Herz der
Mutter, das nicht mit Rosen getröstet
sein will. Alles, was in diesem Fall
von Erlösung spricht, geht fehl: Klage
E. Sutor. Entwurf zu einem Denkmal für die
Karlsruher Fliegeropfer, Karlsruhe. (Abb.Z.)
um zu wissen, ob er in der Ausführung über eine ge¬
wisse Puppenhaftigkeit hinweggekommen wäre: eine
Skizze soll nicht nur das Arrangement sondern die Idee
geben, die liegt hier allein in der Geste, und die ist nicht
überzeugend genug. Immerhin hat Sutor das Problem
begriffen und es wäre der Mühe wert gewesen, diesen
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