Rheinisches Geistesleben in ottonischer und salischer Zeit.
Brun recht eigentlich wird Köln auch in geistiger Be-
ziehung zur Metropole des Rheinlands. Seine geistlichen
Pflichten hat Brun darüber nicht vernachlässigt. Wie
er als Bischof auf eigene häufige Predigt großes Gewicht
legt, so sucht er auch aus den durch ihn zu strengem
kanonischem Leben zusammengeschlossenen Weltgeist-
lichen wirkliche Prediger und Seelsorger zu machen.
Auch den weltflüchtigen Einsiedlern läßt er seine Hilfe
angedeihen. Dagegen scheint er der damals empor-
kommenden streng asketischen oberlothringischen Kloster-
reform ferner gestanden zu haben. Seine Lieblings-
gründung, die Kölner Abtei St. Pantaleon, besetzt er
nicht mit finsteren Oberlothringern, sondern mit sächsi-
schen Benediktinern, die von den modischen Stimmungen
radikaler Abtötung noch kaum berührt waren. „Tätiges
Leben, Dienst an Kirche und Vaterland, Wissenschaft
waren seine eigenen Ideale": eine harmonische Natur,
abhold allen Übertreibungen, weltoffen und verant-
wortungsvoll, ein Freund aller edlen Studien und ein
verständnisvoller Förderer der bildenden Kunst.
In Bruns geistiger Gefolgschaft begegnet man unter
ottonischer Herrschaft noch manchem ähnlichen kirchlichen
Kulturträger, so dem Mönche Adalbert vonSt. Marimin
in Trier, der eine inhaltreiche und formschöne Reichs-
geschichte schuf und später zum Erzbischof von Magde-
burg emporstieg, so auch dem Erzbischöfe Ekbert von
Trier, dem Sohne eines holländischen Grafen, der sich
als Freund einer prächtigen Ausgestaltung des Kultus
erfolgreich betätigt. Daher sein lebhaftes Interesse
für Paramente und besonders für liturgische Bücher.
Eine blühende rheinische Schule der Buchmalerei ent-
wickelt sich unter ihm in Trier und Echternach, in der
man die starke Nachwirkung der hochstehenden alt-
christlichen Überlieferung noch deutlich spüren kann.
Immer mehr sind es auch rheinische Kulturzentren, die
unter den Ottonen denen im Sachsenlande ebenbürtig
an die Seite treten. Das ist ein Beweis dafür, daß die
ottonische Herrschaft dem Rheinland mit der äußeren
Befriedigung auch einen inneren Kulturaufschwung
gebracht haben muß. Wie die Ottonen auch sonst an
die Karolinger anknüpfen, so erneuern sie auch plan-
mäßig die segensreichen Bemühungen um den Ausbau
einer höheren Geisteskultur. Auswärtige sächsische und
bodenständige rheinische Bestrebungen verknüpfen sich
zu gemeinsamem Werke.
Wenn die weitere Entwicklung des rheinischen Geistes-
lebens unter den Saliern bis in die ersten Jahrzehnte
des zwölften Jahrhunderts hinter manchen Erwartungen
zurückblieb, so lag das an dem Ausbruch des kirchen-
politischen Kampfes zwischen den beiden Gewalten, von
deren einmütigem Zusammenwirken der Fortschritt
auf allen Gebieten abhängig blieb, an dem bis zu er-
bitterter Fehde verschärften Gegensätze zwischen König-
tum und Kirche. Unter den langwierigen Wirren des
sich zum Gregorianischen Kirchenstreile erweiternden
Jnvestiturstreites mußte auch das rheinische Geistesleben
schwer leiden.
Besonders die kirchlichen Kreise waren durch den
kirchenpolitischen Kampf auch am Rheine während des
späteren elften Jahrhunderts voll in Anspruch genommen.
Über das kirchenpolitische Gebiet hinaus beschränkten
sie sich auf literarische Verteidigung der Kirchenlehre,
besonders der Abendmahlslehre gegenüber den von
Frankreich ausgehenden Angriffen. Ein Lehrer an der
Lütticher Dornschule, selbst übrigens ein Franzose, stellte
dafür gleichsam als Richtlinie den Satz auf: „Gott haßt
die allzutiefen Forscher". Abt Wolfhelm von Brauweiler
schrieb an den Abt Meginhard von Gladbach einen Brief
über die Abendmahlslehre. Andere widmeten sich der
Rechtfertigung des Reliquienkultes. Besonders die
strenge Askese gewann jetzt vom französischen Cluny
her am Rheine großen Anhang, zumal da sie sich bald
auch gegen das Staatskirchentum der deutschen Könige
verwenden ließ. In ihrem Dibnste verzehrte sich der
bedeutendste rheinische Kirchenfürst und Kirchenbauer,
Anno von Köln. Seine Siegburger Gründung wurde
im Gegensatz zum brunonischen St. Pantaleon eine
Stätte entsagungsvoller Selbstzucht. Immerhin wurden
in Siegburg doch auch bestimmte geistige Betätigungen
gepflegt. Hier ist die lateinische Lebensbeschreibung
Annos entstanden, die ihren Helden ganz in die mönchische
Beleuchtung rückt, hier aber auch das deutsche Annolied,
das seinen lokalen Stoff in einen allgemeineren Rahmen
hineinstellt und damit einem gewissen rheinischen Uni-
versalismus huldigt, der durch alle partikularistischen
Irrungen immer wieder hervorbricht. Der geistvolle
Verfasser schickt seiner fesselnden, künstlerisch geformten
Erzählung eine universalgeschichtliche Einleitung voraus,
die sich keineswegs auf Aeußerlichkeiten beschränkt:
alle Geschöpfe Gottes hielten sich an das ihnen von Gott
verliehene Gesetz; nur das höchste Geschöpf Gottes,
der Mensch, habe sich dagegen versündigt, und daraus
sei alles Unheil entsprungen. . .
Ganz anders als sein Vorgänger Brun war Anno
eine eigenwillige, selbstherrliche Gestalt, weit entfernt
davon, die Interessen des Königtums am Rheine seinen
eigenen und denen seines werdenden geistlichen Terri-
toriums unterzuordnen. Politik und Kirchenpolitik füllten
sein bewegtes Leben aus. Aber schließlich zog er sich
doch nach Siegburg zurück, und diese seine Gründung
verdient auch einen Platz in der rheinischen Geistes-
geschichte. Für einige Zeit stellte sie die älteren Klöster,
sofern sie von ähnlichen Gedanken erfüllt waren, in den
Schatten.
Aber auch die königliche Partei zählte am Rheine
zahlreiche Anhänger. Gleich Annos Nachfolger Hildolf,
Sigewin, der Begründer des Gottesfriedens am Rhein,
Hermann-III. und Friedrich I. verdankten dem ge-
bannten Könige Heinrich IV. ihre Erhebung und ver-
traten durchweg seine Sache. Der Trierer Scholastikus
Wenrich verteidigte den König auch mit der Feder,
indem er in einer Denkschrift dem Papste selbst wegen
seines Kampfes gegen den König die schwersten Bor-
würfe machte, und die Bürger der aufstrebenden Stadt
Köln waren die letzten, die auf der Seite Heinrichs
kämpften. So widersetzte sich auch am Rheine eine
weitverzweigte königsfreundliche Partei mit Wort und
Tat den übertriebenen Machtansprüchen der Kirche.
Aber der Kampf, den sie gegen einen überlegenen Feind
auf sich nahm, war zu schwer und zu aufreibend, als daß
er für die Pflege selbständiger Geisteskultur noch Raum
gelassen hätte. Die Laien gar sind erst viel später mit
«4
Brun recht eigentlich wird Köln auch in geistiger Be-
ziehung zur Metropole des Rheinlands. Seine geistlichen
Pflichten hat Brun darüber nicht vernachlässigt. Wie
er als Bischof auf eigene häufige Predigt großes Gewicht
legt, so sucht er auch aus den durch ihn zu strengem
kanonischem Leben zusammengeschlossenen Weltgeist-
lichen wirkliche Prediger und Seelsorger zu machen.
Auch den weltflüchtigen Einsiedlern läßt er seine Hilfe
angedeihen. Dagegen scheint er der damals empor-
kommenden streng asketischen oberlothringischen Kloster-
reform ferner gestanden zu haben. Seine Lieblings-
gründung, die Kölner Abtei St. Pantaleon, besetzt er
nicht mit finsteren Oberlothringern, sondern mit sächsi-
schen Benediktinern, die von den modischen Stimmungen
radikaler Abtötung noch kaum berührt waren. „Tätiges
Leben, Dienst an Kirche und Vaterland, Wissenschaft
waren seine eigenen Ideale": eine harmonische Natur,
abhold allen Übertreibungen, weltoffen und verant-
wortungsvoll, ein Freund aller edlen Studien und ein
verständnisvoller Förderer der bildenden Kunst.
In Bruns geistiger Gefolgschaft begegnet man unter
ottonischer Herrschaft noch manchem ähnlichen kirchlichen
Kulturträger, so dem Mönche Adalbert vonSt. Marimin
in Trier, der eine inhaltreiche und formschöne Reichs-
geschichte schuf und später zum Erzbischof von Magde-
burg emporstieg, so auch dem Erzbischöfe Ekbert von
Trier, dem Sohne eines holländischen Grafen, der sich
als Freund einer prächtigen Ausgestaltung des Kultus
erfolgreich betätigt. Daher sein lebhaftes Interesse
für Paramente und besonders für liturgische Bücher.
Eine blühende rheinische Schule der Buchmalerei ent-
wickelt sich unter ihm in Trier und Echternach, in der
man die starke Nachwirkung der hochstehenden alt-
christlichen Überlieferung noch deutlich spüren kann.
Immer mehr sind es auch rheinische Kulturzentren, die
unter den Ottonen denen im Sachsenlande ebenbürtig
an die Seite treten. Das ist ein Beweis dafür, daß die
ottonische Herrschaft dem Rheinland mit der äußeren
Befriedigung auch einen inneren Kulturaufschwung
gebracht haben muß. Wie die Ottonen auch sonst an
die Karolinger anknüpfen, so erneuern sie auch plan-
mäßig die segensreichen Bemühungen um den Ausbau
einer höheren Geisteskultur. Auswärtige sächsische und
bodenständige rheinische Bestrebungen verknüpfen sich
zu gemeinsamem Werke.
Wenn die weitere Entwicklung des rheinischen Geistes-
lebens unter den Saliern bis in die ersten Jahrzehnte
des zwölften Jahrhunderts hinter manchen Erwartungen
zurückblieb, so lag das an dem Ausbruch des kirchen-
politischen Kampfes zwischen den beiden Gewalten, von
deren einmütigem Zusammenwirken der Fortschritt
auf allen Gebieten abhängig blieb, an dem bis zu er-
bitterter Fehde verschärften Gegensätze zwischen König-
tum und Kirche. Unter den langwierigen Wirren des
sich zum Gregorianischen Kirchenstreile erweiternden
Jnvestiturstreites mußte auch das rheinische Geistesleben
schwer leiden.
Besonders die kirchlichen Kreise waren durch den
kirchenpolitischen Kampf auch am Rheine während des
späteren elften Jahrhunderts voll in Anspruch genommen.
Über das kirchenpolitische Gebiet hinaus beschränkten
sie sich auf literarische Verteidigung der Kirchenlehre,
besonders der Abendmahlslehre gegenüber den von
Frankreich ausgehenden Angriffen. Ein Lehrer an der
Lütticher Dornschule, selbst übrigens ein Franzose, stellte
dafür gleichsam als Richtlinie den Satz auf: „Gott haßt
die allzutiefen Forscher". Abt Wolfhelm von Brauweiler
schrieb an den Abt Meginhard von Gladbach einen Brief
über die Abendmahlslehre. Andere widmeten sich der
Rechtfertigung des Reliquienkultes. Besonders die
strenge Askese gewann jetzt vom französischen Cluny
her am Rheine großen Anhang, zumal da sie sich bald
auch gegen das Staatskirchentum der deutschen Könige
verwenden ließ. In ihrem Dibnste verzehrte sich der
bedeutendste rheinische Kirchenfürst und Kirchenbauer,
Anno von Köln. Seine Siegburger Gründung wurde
im Gegensatz zum brunonischen St. Pantaleon eine
Stätte entsagungsvoller Selbstzucht. Immerhin wurden
in Siegburg doch auch bestimmte geistige Betätigungen
gepflegt. Hier ist die lateinische Lebensbeschreibung
Annos entstanden, die ihren Helden ganz in die mönchische
Beleuchtung rückt, hier aber auch das deutsche Annolied,
das seinen lokalen Stoff in einen allgemeineren Rahmen
hineinstellt und damit einem gewissen rheinischen Uni-
versalismus huldigt, der durch alle partikularistischen
Irrungen immer wieder hervorbricht. Der geistvolle
Verfasser schickt seiner fesselnden, künstlerisch geformten
Erzählung eine universalgeschichtliche Einleitung voraus,
die sich keineswegs auf Aeußerlichkeiten beschränkt:
alle Geschöpfe Gottes hielten sich an das ihnen von Gott
verliehene Gesetz; nur das höchste Geschöpf Gottes,
der Mensch, habe sich dagegen versündigt, und daraus
sei alles Unheil entsprungen. . .
Ganz anders als sein Vorgänger Brun war Anno
eine eigenwillige, selbstherrliche Gestalt, weit entfernt
davon, die Interessen des Königtums am Rheine seinen
eigenen und denen seines werdenden geistlichen Terri-
toriums unterzuordnen. Politik und Kirchenpolitik füllten
sein bewegtes Leben aus. Aber schließlich zog er sich
doch nach Siegburg zurück, und diese seine Gründung
verdient auch einen Platz in der rheinischen Geistes-
geschichte. Für einige Zeit stellte sie die älteren Klöster,
sofern sie von ähnlichen Gedanken erfüllt waren, in den
Schatten.
Aber auch die königliche Partei zählte am Rheine
zahlreiche Anhänger. Gleich Annos Nachfolger Hildolf,
Sigewin, der Begründer des Gottesfriedens am Rhein,
Hermann-III. und Friedrich I. verdankten dem ge-
bannten Könige Heinrich IV. ihre Erhebung und ver-
traten durchweg seine Sache. Der Trierer Scholastikus
Wenrich verteidigte den König auch mit der Feder,
indem er in einer Denkschrift dem Papste selbst wegen
seines Kampfes gegen den König die schwersten Bor-
würfe machte, und die Bürger der aufstrebenden Stadt
Köln waren die letzten, die auf der Seite Heinrichs
kämpften. So widersetzte sich auch am Rheine eine
weitverzweigte königsfreundliche Partei mit Wort und
Tat den übertriebenen Machtansprüchen der Kirche.
Aber der Kampf, den sie gegen einen überlegenen Feind
auf sich nahm, war zu schwer und zu aufreibend, als daß
er für die Pflege selbständiger Geisteskultur noch Raum
gelassen hätte. Die Laien gar sind erst viel später mit
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