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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 31.1921

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Heft 3
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Strauss, Emil: Das Grab zu Heidelberg: Novelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.26485#0133

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Dar Grab zu Heidelberg.

holten den Gärtner herbei, berieten mit ihm, welche
Blumen hier wohl am besten gedeihen und aussehen
möchten, sie wandelten prüfend zwischen seinen Beeten
hin und her und bestimmten sorgfältig, mit welchen
Farben das Gärtchen schon am folgenden Tage ausge-
füllt werden sollte.
Und als sie danach dem Ausgange des Friedhofes
zuwandelten und mit ihrer neuen Absicht die umliegenden
Gräber verglichen, da fiel ihnen auf, daß für ein rein-
liches und gehaltenes Aussehen der Grabstätte eine Ein-
fassung mit Bordsteinen unerläßlich sei: sie ließen sich
sofort zum Steinhauer weisen und brachten es dahin, daß
er versprach, schon am nächsten Morgen die Arbeit an
ihrem Grabe zu beginnen.
An den folgenden Tagen saßen sie nun morgens
und nachmittags aus ihrer Bank und sahen eine Stunde
oder zwei zu, wie der Steinsetzer und sein Bub hantierten,
wie sie säuberlich nach der Schnur einen schmalen Graben
aushoben, die scheinbar roh ins zarte Gras geworfenen
roten Bordsteine behutsam aufnahmen, in gelassenem
Takte hertrugen und mit dem unbehauenen dickeren Ende
im Graben verschwinden ließen, wie sie rückten und
rütteltet!, mit Schnur, Lot und Wasserwage richteten,
unterlegten und bald mit dem Eisen, bald mit dem Stiel
des Hammers klopften, bis alles im Blei war, oder wie
sie neue Steine auf einem Stoßkarren schwer und lang-
sam den stillen Weg heraufschoben und einen nach dem
andern sacht ins Gras legten. Sie freuten sich über das
sorgfältig bedachte Wesen und die flinken Redensarten
der Leute, fragten sie aus, beschenkten sie und wären
am zweiten Abend über die saubere Vollendung der
Arbeit betrübt gewesen, wenn nicht am andern Morgen
der Gärtner mit einer Fülle von Blumen in Aussicht
gestanden wäre. Indem sie so die Anlage ganz nach
ihrem Wunsche, und da sie mit Geld nicht zu knausern
brauchten, auch ohne Hemmung entstehen sahen, füllte
sich ihnen die Zeit aus das angenehmste aus.
Eines Morgens war es wieder still am Platze, jede
Arbeitsspur war getilgt und innerhalb des roten Stein-
randS zitterten im leichten Luftzug die schmachtenden
weißen Betunien, die glühenden Begonien, grünlich-
blasse Hortensien und niedrige dustbrütende Rosen. Es
konnte nicht schöner sein, und der Blick nach Speier und
Edingen hatte seine Enttäuschungsbitterkeit verloren.
Als die Blumen sich dehnten und da und dort über
das niedrige Umfassungsmäuerchen hinausdrängten, da
meinte der Mann, ein Gitter, wie man's an vielen
Gräbern sehe, wäre nicht übel, und so ließen sie sich einen
Schlosser sagen, besprachen es mit ihm, sahen seine Vor-
lagen durch und entschieden sich für eines der neuesten
Muster, ein Gitter aus hin und her schweifenden Ranken
und märchenhaft großen Blumen; das schien ihnen für
ihr seltsames Blumengärtchen gerade das passende. Aber
das wollte erst geschmiedet sein und ließ sich nicht von
heut auf morgen machen, das Erstellen würde ja auch die
Blumenpracht verwüstet haben; der Meister versprach,
es an guten Wintertagen anzubringen, damit im Früh-
jahr die Bepflanzung nicht gehindert würde.
So verband sich, als sie endlich abreisen mußten,
diese Erwartung mit der Absicht, die da und dort be-
grabenen Kinder hierher überzuführen, und sie trugen

ein mit Freude und Hoffnung süß beschwertes Herz von
Heidelberg weg, aufs Schiff und übers Weltmeer, eine
absonderlich spielende Freiheit und Erhobenheit, deren
sie in dem bald wieder beherrschenden Geschäfts- und
Geldgewühl mit Stolz und Wehmut empfindsam ge-
dachten.
In früheren Jahren hatten sie die Gräber ihrer Kin-
der dann und wann besucht und für die Pflege reichlich
Sorge getragen; während ihres letzten, tiefen und lang-
wierigen wirtschaftlichen Tiefstandes aber war ihnen das
eine so wenig möglich gewesen wie das andere. So
treulich sie an die Kinder dachten, gegen die Gräber
waren sie allmählich gleichgültig geworden, und, endlich
wieder zu reichlicheren Mitteln gekommen, hatten sie
wohl auch wenig gescheut, sich nach den vergessenen
Stätten umzusehen. Nun, noch warm von ihrem Plan,
fuhren sie hin und fanden die Gräber nicht mehr, viel-
mehr sie fanden in ihnen schon neue Bewohner, sie
standen vor den gut gehaltenen Hügeln in ähnlicher
Überraschung, ja, Gcäfftheit, wie vor dem nun von
weltfremden Leuten bewohnten Haus neben dem Alt-
pörtel in Speier und vor der Schmiede in Edingen. Sie
zogen betrübt ab; sie waren aber geübt, Fehlschlägen
nicht nachzuhängen, und wurden mit diesem um so eher
fertig, als sie ihre Kinder ja schon viele Jahre nicht mehr-
unter dem Boden gesucht hatten.
Im folgenden Sommer in Heidelberg erneuerte sich
freilich für einen Augenblick der Schmerz der Ent-
täuschung. Da lag nun die geräumige Grabstätte wohl-
behütet von dem bestellten Gitter. Grün, Heller und
dunkler getönt, wuchsen die Stengel und Ranken aus dem
roten Sandstein des Bordes auf, schlangen sich, mit
zinnweisen Glanzlichtern gefleckt, hin und her und trugen
da und dort sonnenblumengroße Blüten über den Zaun
empor in die stille Luft, und die Blumen waren rot wie
Ochsenblut, die Blütenblätter dick wie eine Hutkrempe,
und die gelben Staubgefäße mächtig wie Hufnägel; und
rechts und links von dem Eingangstürchcn standen zwei
Riesenblumen einander zugewendet, als machten sie
vor dem Eintretenden andächtig Front.
Mit Bewunderung gab sich das Ehepaar dem Ein-
druck dieser einschüchternden Fremdartigkeit hin. Es
schmerzte sie doppelt, nun nicht an der rechten und linken
Seite die Gräber ausheben lassen, die kleinen Särge
hineinsenken, mit Erde überwölben und mit den kost-
barsten Blumen überpflanzen zu können; ja, es kränkte
sie ein wenig, daß sie die Särgchen nicht durch diese
feierlich flankierte Tür hineintragen, den Kindern diesen
schmiedeisernen Pomp nicht zeigen könnten. Indessen
war ihre Zufriedenheit mit der Veranstaltung und dem
Gelingen zu groß, als daß der Schmerz hätte dauern
mögen; überdies hatten sie ja schon vor einem Jahre die
Stelle außen neben dem zukünftigen Grab der Frau
das Grab Charleys und den Platz außen neben dem
Vater Nellys Grab genannt, und so blieb es, und da die
Kinder keine andern Gräber mehr hatten, so waren sie
hier sicher.
Jahr für Jahr ließ sich das Ehepaar nach Heidelberg
ziehen, um einige Tage oder Wochen hier mit weh-
mütigem Behagen der Vergangenheit und Zukunft zu
gedenken. Sie saßen auf ihrer Bank ihrem Blumen-
 
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