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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 31.1921

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Heft 4
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Goetz, Oswald: Frankfurter Plastik-Austellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.26485#0170

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Frankfurter Plastik-Ausstellung.

der PietL nicht fern steht. Hier wie dort die Sitzfigur,
hier wie dort Darstellung des Schmerzes. Aber welche
neue Art der Darstellung! Was die erste Hälfte des Jahr-
hunderts weich und zart, man möchte fast sagen: weib-
lich, wiedergab, wird hier ins Erdhafte umgedeutet.
Diesen ausgearbeiteten Händen, dieser gedrungenen
Gestalt mit breiten Schultern merkt man die bäurische
Abstammung an. Im Ausdruck des Gesichtes — man
beachte die vollen Lippen, den halbgeöffneten, schmerz-
verzogenen Mund — und in der Stofflichkeit des Ge-
wandes verkündet sich die neue Auffassung. Dieser
Christus leidet nicht nur seelisch, sondern auch körper-
lich. — Wieder interessant ist der Vergleich dieser Figur
mit einem Schmerzensmann aus dem Elsaß, der aus
derselben Zeit stammen mag (Abb. 9). Die gezierte
Haltung, das Ausdrehen und Spreizen der Gliedmaßen
erinnern an Gestalten Schongauers, nur ist hier alles
räumlich gedacht und gedeutet. Aus dem im Schmerz
schwer in sich zusammengesunkenen Christus ist hier ein in
modisch-eleganter Pose sitzender Typ geworden, der

nicht so sehr zu leiden, wie über sein Leid zu medi-
tieren scheint.
Nochmals einen Vergleich zwischen frühem und spätem
15. Jahrhundert gewähren die Gruppe trauernder
Frauen (schwäbisch, Abb. 10) und ein Johannes mit
Maria und Maria Samaria (nürnbergisch, Abb. 11),
beide zu einer Kreuzigung gehörig. Die drei trauernden
Frauen sind eine unlösbare Einheit. Wie aus gemein-
samer Wurzel wachsen sie blütengleich empor, getragen
von der selben seelischen Stimmung, ohne Hang, ge-
sondert zu existieren. In der andern Gruppe ist das
Moment des Persönlichen wenn auch nicht betont, so
doch entschieden vorhanden. Jede Figur ist frei heraus-
gearbeitet, Maria Samaria hat überhaupt eine andere
Blickrichtung. Der Akzent liegt auf der Mutter Gottes,
der gegenüber die beiden anderen in ihrer Funktion als
Stützende zurückstehen. Der Habitus dieser Figuren ist
bürgerlich und kennzeichnet somit die Grundgesinnung
des ausgehenden 15. und des 16. Jahrhunderts, in dem
die gotische Plastik ihren Ausklang finden sollte.
Oswald Götz.


Abb. 10: Die trauernden Frauen (von einer Kreuzigung),
schwäbisch, Anfang >5.Iahrh., Lindenholz, 97 cm.
 
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