Abb. 2: Siedlung Essen Stadlwald.
sozusagen auf eigene Faust bauen zu dürfen und nicht
— wie Metzcndorf — mit dem Schneckenhaus einer viel-
köpfigen Kommission belastet zu sein.
Diese Jcscf-Rings-Stadt war nun für mich die große
Überraschung in Essen. Als „Siedlung Essen Stadtwald"
tatsächlich an dem großen und schönen Wald der großen
Industriestadt (gegen Werden nnd die Ruhr hin) gelegen,
wird sie eine neue Anziehung für alle diejenigen werden,
die nach Essen wallfahren, das Siedlungswcscn in der
für Deutschland großzügigsten Ausführung zu studieren;
und zwar wird sie das nicht nur in dem Sinn sein, daß
sie das Schaubild originell bereichert, sondern auch, daß
sie es wesentlich bestimmt und ihm — vielleicht für lange
Zeit — die Krönung bedeutet.
Wie ein Blick auf den Straßcnplan zeigt (Abb. 1),
handelt eö sich auch hier wieder um eine Kleinstadt, die
aus einem Willen erbaut wird und, wenn der Wille stark
genug ist, auch ein Wesen werden muß. Schon in der
Margaretcnhöhe ist es vorbildlich, wie die ganze Siedlung
die vorhandene Landschaft ausnutzt, um sich organisch
einzubauen. Vorn durch das hochüberbrücktc Tal von
dem Durcheinander der Jndustriewelt getrennt, ist sie
auf den drei anderen Seiten in einen Waldkranz gefaßt.
Der selbe planvolle Einbau ist auch der Siedlung Essen
Stadtwald beschicken; unser Plan zeigt die drei Wald-
seiten schon geschlossen, die vierte als die höchst gelegene
Seite wird mit einer Allee gekrönt sein. Vor-
läufig gibt die vorhandene Frankenstraße die
Grenze (oben im Planbild 1). Auf ihrer Basis
baut sich der Plan gegen Nordwestcn auf, und
wer Höhenkurven zu lesen versteht, wird sich
bald ein Bild der Gegend machen können, die
— wie alles in Essen — durchaus hügelig ist,
aber mit so sanften Ansteigungen, daß sie
keine schwierigen Straßenführungen erfordert.
Die vorhandenen Staatsbahnen (rechts und
links das Planbild schneidend) bestimmten von
selber die dreieckige Form des „Stadtplans".
Die Siedlung ist übrigens nicht als Arbeiter-
Kolonie, sondern als Siedlung für Beamte und
Bürger gedacht, die sich den bescheidenen Luxus
eines Einzclwohnhauses leisten können und die
Fahrt in die Stadt nicht scheuen, wenn sie damit
dem großstädtischen Mietskasernendasein ent-
flohen sind. Dadurch war natürlich das Wesen
der Siedlung bestimmt: Einzelhäuser sollten
in Gärten dastehen,jedem Bewohner das Gefühl
seines eigenen Stücks Erde zu geben, und doch
konnte das Ganze nicht eine villengemäß aus-
gebildete Gartenstadt sein. Eine gewisse Karg-
heit kam damit von vornherein in die Planung;
und das ist das eigentlich Konsequente an die-
ser Schöpfung, wie Rings daraus ein Prinzip
machte, um dennoch gerade mit diesem Prinzip
eine bisher nicht erreichte Einheitlichkeit der
Bauweise zu erzwingen.
Das Schwierige bei einer derartigen Aufgabe
ist ja — und ach so viele bestehenden „Vororte"
in Deutschland bestätigen es anschaulich —, daß
bei einer gelockerten Stadtbildung auch das ganze
Städtebild in einzelne Dächer zwischen Baum-
gruppen auseinanderfällt. Schon Mctzendorf ist es aus-
gezeichnet gelungen, seine Straßen und Sträßchen
räumlich zujammenzuhalten, daß jene wahrhaft ent-
setzlichen Durchblicke, die das Wesen der modernen
Stadt am peinlichsten bestimmen, vermieden werden.
Bei Rings wirkt diese Absicht noch stärker als Erfül-
lung, weil er ganz auf die individuelle Bauweise
verzichtet und dadurch endlich einmal das Schaubild
einer einheitlich durchgcführtcn Wchnstadtanlage gibt.
Wir sind es aus unfern Straßen gewohnt, daß jedes Haus
mit neuen Einfällen seine Individualität zu behaupten
sucht, und diese wahrhafte Sucht findet in unserm deut-
schen Wesen noch eine Art gern umgehängter Recht-
fertigung, sodaß ich mir denken kann, daß diese Ringssche
Siedelung gerade uni ihres Vorzugs willen manchem Be-
schauer auf den ersten Blick befremdlich vorkommt. Es
hilft uns aber eine derartige Ausrede nicht, das Problem
einer Straße dauernd zu verkennen, weil gerade die alten
Dörfer und Städtchen, die es noch unzerstört in unserm
Vaterland gibt, durch die Einheitlichkeit ihrer Bauformen
auffallen. Namentlich Dörfer gibt es, in denen außer
der Kirche nur eine einzige Art Haus zu stehen scheint;
wohl landschaftlich von dem Haus anderer Dörfer, aber
nicht untereinander verschieden. Wenn man diese Dörfer
schematisch gebaut nennt, kann man das Wort als eine
Kritik auf diese Siedlung anwenden, sonst nicht.