Josef Rings. Abb. 8: Siedlung Essen Stadtwald.
glücklichste, aber auch nur im Ganzen, also einheitlich ver-
wendet — ihr einziger Schmuck.
Diesen Schmuck nun hat Rings noch glücklich be-
reichert, indem er alle Fenster, wie die Abbildungen zei¬
gen, nach außen aufgeben ließ. Das ist zunächst eine
Ersparnis an Leibung, dann aber wird dadurch die Straße
ganz anders durch die Spiegelung belebt, als es bei der
bisher bei uns gebräuchlichen Art, die Fenster in Höhlun-
gen zu legen, erreicht werden konnte. Wie man auch in
die Straßen hineinblickt, überall wirkt dieses Spiegel-
bild der Fenster mit, den Anblick zu beleben und zu
belustigen. Da auf diese für uns neue Weise die Fenster-
nische für Blumen glänzend ausgenutzt werden kann,
indem keine Läden, sondern an der inwendigen Wand
Schiebeverschlüsse vorhanden sind, ist diese Bereicherung
noch durch die Buntheit der Blumen verstärkt. Auch
wenn die Schiebclädcn geschlossen sind, bleiben diese
Blumennischcn für die Straße offen.
Überhaupt ist dies charakteristisch und rühmlich für
Rings, wie er gerade aus Forderungen der Sparsamkeit
zu überraschenden Wirkungen kommt, indem er sieb
mutig dazu bekennt und allen falschen Schein meidet,
so z. B. in seiner Art, das Treppengeländer vor derr
Türen aus einem schwarzlackierten Eisenrohr zu bilden
(Abb. 5), oder dieses selbe Eisenrohr (Abb. 8) als Ersatz
für die abscheulichen Laternenständer unserer Straßen
anzuwenden. Eine solche Konsequenz ist es auch,
wenn er in seiner Stadt das Trottoir vermeidet
und vermeiden muß, weil eben seine Fenster nach
außen aufgehen. Statt dessen legt er an den
Häusern vorbei einen Grasstreifen, der gegen die
Straße mit einem einfachen Steinband gefaßt
außerordentlich dekorativ wirkt und auch ohne den
berüchtigten Vorgarten die Häuser nicht an der
Straße stehen läßt. Diese selbst ist, da durch eine
Siedlung nicht die Wagen und Autos zu sausen
pflegen, in der Hauptsache für die Fußgänger
bestimmt und breit genug, daß die gelegentlichen
Fuhrwerke einander ausweichcn können.
Gerade dieser grüne Streifen vor den Hausern
unterstützt die Absicht des Baumeisters, von dem
landläufigen Straßcnbild des neunzehnten Jahr-
hunderts loszukommen. Nirgendwo vorher gab
es diese Verkennung der Räumlichkeit. Mochte
die Straße noch so schnurgerade über ein Moor
oder durch Felder anlaufcn, im Ort wurde sie
nicht nur durch das Stadttor sondern auch in der
kleinsten Dörflichkeit sofort durch eine Anordnung
der Häuser aufgcfcmgcn, die ihrer Flucht Bindung
und Weile gab. Mag es heute in der Großstadt
anders scheinen, die Häuser stehen nicht dazu da,
daß die Wagen vorübersauscn; jedes Tor, jedes
Fenster ruft Halt, weil eine Wohnung dahinter
ist. Die Dorf- und Stadtstraße muß, da sie von
Häusern umstanden ist, aus Wänden und Dächern
dieser Hauser eine Räumlichkeit sein, sie muß den
Blick in sich binden, statt ihn in irgendeine Flucht
mitzurcißcn. Wenn wir uns erst wieder zu dieser
Selbstverständlichkeit bekennen, werden wir auch
die Grundlage der Stadtbaukunst zurückgewonnen
haben, die von unseren Vatern mit natürlicher
Meisterschaft gehandhabt wurde und die von Josef Rings
in seiner Siedlung Stadtwald mit strenger Selbstzucht
zurückerobert wird.
' Jedes Detailseiner Stadt könnte so als Zeichen einer
wirklichen planvollen Arbeit durchgcsprochen werden, die
dadurch im ganzen trotz ihrer puritanischen Strenge so
selbstverständlich wirkt. Noch steht sie, wie gesagt, in der
Hauptsache ohne den malerischen Umwuchs der Natur,
noch fehlen die blühenden Bäume in den Gärten, die
hinter den Häusern hervorlugend die Straße nur an-
streifen nicht beschatten sollen, noch ist das Gartenreich
zwischen den Hinterseiten (von dessen Beschaffenheit
Abb. 9 eine aufklärende Ansicht gibt) nur erst ein durch
Lattenzäune eingeteiltes Grünfeld; aber die wenigen
Beispiele (Abb. 2 und 4), wo die Natur schon mitarbeiten
konnte, zeigen, was einmal diese Siedlung sein wird.
Vom Innern der Häuser möge wenigstens das Treppen-
haus (Abb. 11) eine Andeutung geben. Daß darin die
modernen Einrichtungen der Warmwasserheizung usw.
in den für Einfamilienhäuser erprobten Vereinfachun-
gen angewandt sind, istja wohl eine Selbstverständlichkeit.
Es kann ja in solch einfachen Wohnungen kein Raum
sein für Hallen und breite Trcppcnläuse; Stiegen und
Flure müssen sich aufs äußerste beschränken: darum
brauchen sie aber nicht eng und dürftig zu sein. Das Licht
muß helfen, sie heimelig zu machen; chnd ein Blick auf