aber läßt sich kaum feststellen, gewiß nicht analysieren, und darum
belastet Niemeyer nur, wo er erleichtern sollte.
Soweit eine kritische Betrachtung Grünewalds möglich ist,
tut seine Einführung ihre Pflicht; wie er ihn einstellt in die Zeit,
wie er aus seiner überragenden Geistigkeit die handwerklichen Be-
sonderheiten und Mängel aufzeigt, dies ist vortrefflich gemacht:
der Verstand bleibt sich nichts schuldig außer dem, was über allen
Verstand geht und was, wenn das Wort zur Farbe kommen soll,
Sache des Dichters ist. Was Niemeyer gibt, ist tatsächlich nur eine
Einführung, aber — das fühlt man aus jedem Satz — eines Füh-
rers, dem die ganze Größe seines Gegenstandes Erlebnis gewor-
den ist.
Leider sind die farbigen Bildtafeln, die seine Absicht unter-
stützen sollten, nur teilweise anzuerkennen. Es ist augenscheinlich
überall mit einer Grauplatte gearbeitet worden, statt der Dreiheit
von Gelb, Blau und Rot allein zu vertrauen. Wo, wie bei Grüne-
wald, die Farbe allein zum Leben gekommen ist, kann auch sie
allein zeugen; und eben das tut sie auf diese Weise nicht. Einiges,
wie die Wiedergabe des Münchener Bildes (Erasmus und Mau-
ritius) ist sogar direkt schlecht und sollte bei einer neuen Auflage
ausgemerzt werden. Zu loben ist, daß sich Niemeyer vielfach auf
Detail-Abbildungen beschränkte; das sollte — auch bei Farben-
drucken — viel mehr die Regel werden. Erst in Originalgröße
vermag der Farbendruck einigermaßen richtig zu übertragen; irgend-
ein Stück Gewand, Hand oder Gesicht: da würde das Auge wirklich
genießen. Auffällig ist auch, daß von den wenigen Dingen, die zur
Vollständigkeit eines volkstümlichen Abbildungswerkes über Grüne-
wald notwendig waren, noch einige fehlen. So ist es z. B. ein
starker Mangel, daß Niemeyer beim Ueller Altar den Laurentius-
Flügel abbildet, aber nur vom Cyriakus-Flügel spricht; es hätten
da beide Flügel nebeneinander stehen sollen.
Das rührt an den Grundfehler solcher Publikationen: sie
wollen volkstümlich sein und werden die Wissenschaftlichkeit doch
nicht los. Ein Buch wie das von Schwarzkopf mit schönen Bild-
tafeln geschmückt, würde volkstümlich heißen können, es bed >rfte
keiner Volländigkeit in den Abbildungen, während dieses Werk
danach verlangt. Darum aber sei es nicht weniger empfohlen;
unter den deutschen Weihnachtsgeschenken 1921 ist es gewiß eine
der besten Gaben, auch mit seinen Mängeln, weil es mit Ernst und
Würde eine Darstellung höchsten deutschen Gutes versucht. S.
neuer Kreidolf.
Unter allen deutschen Künstlern der Gegenwart ist Ernst
Kreidolf vielleicht derjenige, dem man am wenigsten irgendeine
Beeinflussung nachsagen kann; ob man seine zarten Dinge schätzt
oder nicht: daß sie etwas tief Naturhaftes haben, wird keiner leugnen
können. Will man ihm Gesinnungsgenossen suchen, findet man sie
nur in der deutschen Kunst: PH. O. Runge ist ein solcher, von ferne
auch K. D. Friedrich, ganz leise noch Steinhaufen und irgendwie
Schwind. Mit der Schweizer Kunst, wie sie durch Hodler, Buri,
Amiet, Giacometti repräsentiert wird, hat er nichts zu tun, eher mit
St irzenegger und einigen Jüngeren, die gewissermaßen mit ihm
Grenzbewohner sind. Denn Kreidolf stammt von Tägervilen, und
von seinem Elternhaus, das selber ein Stück Poesie ist, sieht man
über den Untersee ins Hegau oder gegen das Münster von Konstanz.
Daß er zuerst durch die mutige Tat der Brüder Schaffstein in
Köln — daß dieser wahrhaft edle Verlag so ganz im Gedächtnis
der Deutschen versinken konnte, ist auch ein Zeichen der Zeit —
als Bilderbuchmaler bekannt wurde, hat ihn als Ma er ein wenig
in die Ecke gedrückt. Was bedeuten auch seine stillen Blätter etwa
im Lärm einerAusstellung! DerKunstwart-Lerlag hat seinerzeit den
auch hier gewürdigten Versuch gemacht, ihn mit einer leider etwas
kriegsmäßig ausgestatteten Mappe unter seine Meister zu rücken;
nun folgt der neu gegründete Rotapfel-Verlag in Erlenbach bei
Zürich mit einem zart aufgemachten Band Blumen zu Ritornellen
von Adolf Frey. Die Ritornelle sind gewissermaßen nur die Legende
zu den Bildern, Kreidolf selber hätte sie wohl inniger gemacht, die
Bilder sind weitaus mehr, weil Kreidolf der weitaus stärkere Poet
ist. Bis vor kurzem war es ja noch eine Schmähung, einem Maler
dergleichen nachzusagen; er sollte nur Pinsel sein. Das ist glücklich
vorüber, wie so vieles vorüber geht und ging, was in den Cafes
erfunden wurde. Kreidolf hat es überstanden, wie ein Volkslied
alle Windungen der musikalischen Entwicklung übersteht. Wer
seine „Blumen" kauft — sie sind diesmal nicht für das Bilderbuch
inderWirkung übersteigert, — sondern ganz stille Aquarelle, hat eins
von den Büchern im Schrank, die nach einem halben Jahrhundert
noch dastehen werden, wenn die andern zum Antiquar gewandert
sind. (Der Halbleinenband kostet 45 Mk.) S.
embrandt-Bibel.
Der Verlag Hugo Schmidt in München hat den guten
Einfall von E. W. Bredt, eine Bibel nur mit vorhandenen Rem-
brandts zu illustrieren, mit einer sorgfältigen Druckanordnung zur
Wirklichkeit gemacht. Sowie mir die Bändchen alle vorliegen, will
ich Eingehendes darüber sagen; heute nur der Hinweis für die
Weihnachtskäufer: jeder Buchhändler wird wenigstens ein Bändchen
vorweisen können. Sie sprechen dann von sich selber. S.
er Blumengarten.
Der Verlag Gerhard Stalling in Oldenburg beginnt eine
Volks- und Jugendbücherei mit drei Bänden von Will Vesper: Die
Nibelungensage und den Don Quichote neu erzählt von dem in
solchen Dingen geübten und anerkannten Dichter, dem eine Samm-
lung eigener Märchen, Gleichnisse und Legenden unter dem Titel
„Gute Geister" beitritt. Ich konnte bisher nur den 3. Band, den
Don Quichote, prüfen. Er ist wirklich in einfachen Sätzen und guten
Worten erzählt und scheint mir auch klug gekürzt. Der ganze Cer-
vantes ist ja nun einmal — seinem Ruhm zum Trotz — ein ziem-
licher Wälzer, jedenfalls dem Volk und der Jugend unzugänglich
ohne Kürzung. Wieweit Vesper die anderen Bearbeitungen über-
holt hat, dies kann ich zurzeit nicht nachprüfen, weil ich noch vor
Weihnachten auf die Bearbeitung als gut Hinweisen möchte. Sie
ist auch hübsch ausgestattet; wenngleich die Zeichnungen von Hans
Pape mit berühmter Konkurrenz zu kämpfen haben, sie sind jeden-
falls ansprechend und buchtechnisch nicht zu beanstanden. Die
Nibelungen lagen mir leider noch nicht vor. S.
omantik-Land*).
Ein nicht übler Versuch, aus Dichtungen und Bildern der
romantischen Zeit eine Art Erbauungsbuch zu schaffen. Über-
flüssig ist daran allein das Vorwort trotz seiner gedrängten Kürze,
weil es den Bildern und Dichtungen im Vorbeigehen einige Schlag-
worte an den Kopf wirft, die nicht immer passen. Die Auswahl ist
gut; sie zeigt, was man einen Liebhaber nennt, jedoch keinen
Artisten. Einiges, wie z.B. „Der blonde Eckbert" von Joh. Ludw.
Tieck, ist wohl nur hineingekommen, weil der Dichter auch vertreten
sein sollte. Und ob Goethes „Novelle" gerade in diesen romantischen
Kreis gehört, scheint mir fraglich. Immerhin: ein sauberes Buch,
hinter dem eine Verantwortung steht, statt nur Geschäft, wie allzu-
leicht bei solchen Büchern. S.
*) Ein deutscher Frühling in Wort und Bild; ausgewählt und
eingeleitet von Ludwig Benninghoff (Hanseatische Derlagsanstalt,
Hamburg).
Für die L-chriftleitung verantwortlich der Herausgeber Wilhelm Schäfer in Ludwigshafen am Bodensee. — Druck und Verlag A. Bagel
Aktiengesellschaft, Düffeldorf. — Gedruckt mit Farben der Hostmann-Steinbergschen Farbenfabriken, G. m. b. H., Celle (Hannover).
Redaktionelle Sendungen sind ausschließlich an den Herausgeber Wilhelm Schäfer, Bodensee-Ludwigshafen, zu richten. — Für unver-
langte Manuskripte und Nezensrons-Cremplare wird keine Verpflichtung übernommen. — Rückporto ist beizulegen.
belastet Niemeyer nur, wo er erleichtern sollte.
Soweit eine kritische Betrachtung Grünewalds möglich ist,
tut seine Einführung ihre Pflicht; wie er ihn einstellt in die Zeit,
wie er aus seiner überragenden Geistigkeit die handwerklichen Be-
sonderheiten und Mängel aufzeigt, dies ist vortrefflich gemacht:
der Verstand bleibt sich nichts schuldig außer dem, was über allen
Verstand geht und was, wenn das Wort zur Farbe kommen soll,
Sache des Dichters ist. Was Niemeyer gibt, ist tatsächlich nur eine
Einführung, aber — das fühlt man aus jedem Satz — eines Füh-
rers, dem die ganze Größe seines Gegenstandes Erlebnis gewor-
den ist.
Leider sind die farbigen Bildtafeln, die seine Absicht unter-
stützen sollten, nur teilweise anzuerkennen. Es ist augenscheinlich
überall mit einer Grauplatte gearbeitet worden, statt der Dreiheit
von Gelb, Blau und Rot allein zu vertrauen. Wo, wie bei Grüne-
wald, die Farbe allein zum Leben gekommen ist, kann auch sie
allein zeugen; und eben das tut sie auf diese Weise nicht. Einiges,
wie die Wiedergabe des Münchener Bildes (Erasmus und Mau-
ritius) ist sogar direkt schlecht und sollte bei einer neuen Auflage
ausgemerzt werden. Zu loben ist, daß sich Niemeyer vielfach auf
Detail-Abbildungen beschränkte; das sollte — auch bei Farben-
drucken — viel mehr die Regel werden. Erst in Originalgröße
vermag der Farbendruck einigermaßen richtig zu übertragen; irgend-
ein Stück Gewand, Hand oder Gesicht: da würde das Auge wirklich
genießen. Auffällig ist auch, daß von den wenigen Dingen, die zur
Vollständigkeit eines volkstümlichen Abbildungswerkes über Grüne-
wald notwendig waren, noch einige fehlen. So ist es z. B. ein
starker Mangel, daß Niemeyer beim Ueller Altar den Laurentius-
Flügel abbildet, aber nur vom Cyriakus-Flügel spricht; es hätten
da beide Flügel nebeneinander stehen sollen.
Das rührt an den Grundfehler solcher Publikationen: sie
wollen volkstümlich sein und werden die Wissenschaftlichkeit doch
nicht los. Ein Buch wie das von Schwarzkopf mit schönen Bild-
tafeln geschmückt, würde volkstümlich heißen können, es bed >rfte
keiner Volländigkeit in den Abbildungen, während dieses Werk
danach verlangt. Darum aber sei es nicht weniger empfohlen;
unter den deutschen Weihnachtsgeschenken 1921 ist es gewiß eine
der besten Gaben, auch mit seinen Mängeln, weil es mit Ernst und
Würde eine Darstellung höchsten deutschen Gutes versucht. S.
neuer Kreidolf.
Unter allen deutschen Künstlern der Gegenwart ist Ernst
Kreidolf vielleicht derjenige, dem man am wenigsten irgendeine
Beeinflussung nachsagen kann; ob man seine zarten Dinge schätzt
oder nicht: daß sie etwas tief Naturhaftes haben, wird keiner leugnen
können. Will man ihm Gesinnungsgenossen suchen, findet man sie
nur in der deutschen Kunst: PH. O. Runge ist ein solcher, von ferne
auch K. D. Friedrich, ganz leise noch Steinhaufen und irgendwie
Schwind. Mit der Schweizer Kunst, wie sie durch Hodler, Buri,
Amiet, Giacometti repräsentiert wird, hat er nichts zu tun, eher mit
St irzenegger und einigen Jüngeren, die gewissermaßen mit ihm
Grenzbewohner sind. Denn Kreidolf stammt von Tägervilen, und
von seinem Elternhaus, das selber ein Stück Poesie ist, sieht man
über den Untersee ins Hegau oder gegen das Münster von Konstanz.
Daß er zuerst durch die mutige Tat der Brüder Schaffstein in
Köln — daß dieser wahrhaft edle Verlag so ganz im Gedächtnis
der Deutschen versinken konnte, ist auch ein Zeichen der Zeit —
als Bilderbuchmaler bekannt wurde, hat ihn als Ma er ein wenig
in die Ecke gedrückt. Was bedeuten auch seine stillen Blätter etwa
im Lärm einerAusstellung! DerKunstwart-Lerlag hat seinerzeit den
auch hier gewürdigten Versuch gemacht, ihn mit einer leider etwas
kriegsmäßig ausgestatteten Mappe unter seine Meister zu rücken;
nun folgt der neu gegründete Rotapfel-Verlag in Erlenbach bei
Zürich mit einem zart aufgemachten Band Blumen zu Ritornellen
von Adolf Frey. Die Ritornelle sind gewissermaßen nur die Legende
zu den Bildern, Kreidolf selber hätte sie wohl inniger gemacht, die
Bilder sind weitaus mehr, weil Kreidolf der weitaus stärkere Poet
ist. Bis vor kurzem war es ja noch eine Schmähung, einem Maler
dergleichen nachzusagen; er sollte nur Pinsel sein. Das ist glücklich
vorüber, wie so vieles vorüber geht und ging, was in den Cafes
erfunden wurde. Kreidolf hat es überstanden, wie ein Volkslied
alle Windungen der musikalischen Entwicklung übersteht. Wer
seine „Blumen" kauft — sie sind diesmal nicht für das Bilderbuch
inderWirkung übersteigert, — sondern ganz stille Aquarelle, hat eins
von den Büchern im Schrank, die nach einem halben Jahrhundert
noch dastehen werden, wenn die andern zum Antiquar gewandert
sind. (Der Halbleinenband kostet 45 Mk.) S.
embrandt-Bibel.
Der Verlag Hugo Schmidt in München hat den guten
Einfall von E. W. Bredt, eine Bibel nur mit vorhandenen Rem-
brandts zu illustrieren, mit einer sorgfältigen Druckanordnung zur
Wirklichkeit gemacht. Sowie mir die Bändchen alle vorliegen, will
ich Eingehendes darüber sagen; heute nur der Hinweis für die
Weihnachtskäufer: jeder Buchhändler wird wenigstens ein Bändchen
vorweisen können. Sie sprechen dann von sich selber. S.
er Blumengarten.
Der Verlag Gerhard Stalling in Oldenburg beginnt eine
Volks- und Jugendbücherei mit drei Bänden von Will Vesper: Die
Nibelungensage und den Don Quichote neu erzählt von dem in
solchen Dingen geübten und anerkannten Dichter, dem eine Samm-
lung eigener Märchen, Gleichnisse und Legenden unter dem Titel
„Gute Geister" beitritt. Ich konnte bisher nur den 3. Band, den
Don Quichote, prüfen. Er ist wirklich in einfachen Sätzen und guten
Worten erzählt und scheint mir auch klug gekürzt. Der ganze Cer-
vantes ist ja nun einmal — seinem Ruhm zum Trotz — ein ziem-
licher Wälzer, jedenfalls dem Volk und der Jugend unzugänglich
ohne Kürzung. Wieweit Vesper die anderen Bearbeitungen über-
holt hat, dies kann ich zurzeit nicht nachprüfen, weil ich noch vor
Weihnachten auf die Bearbeitung als gut Hinweisen möchte. Sie
ist auch hübsch ausgestattet; wenngleich die Zeichnungen von Hans
Pape mit berühmter Konkurrenz zu kämpfen haben, sie sind jeden-
falls ansprechend und buchtechnisch nicht zu beanstanden. Die
Nibelungen lagen mir leider noch nicht vor. S.
omantik-Land*).
Ein nicht übler Versuch, aus Dichtungen und Bildern der
romantischen Zeit eine Art Erbauungsbuch zu schaffen. Über-
flüssig ist daran allein das Vorwort trotz seiner gedrängten Kürze,
weil es den Bildern und Dichtungen im Vorbeigehen einige Schlag-
worte an den Kopf wirft, die nicht immer passen. Die Auswahl ist
gut; sie zeigt, was man einen Liebhaber nennt, jedoch keinen
Artisten. Einiges, wie z.B. „Der blonde Eckbert" von Joh. Ludw.
Tieck, ist wohl nur hineingekommen, weil der Dichter auch vertreten
sein sollte. Und ob Goethes „Novelle" gerade in diesen romantischen
Kreis gehört, scheint mir fraglich. Immerhin: ein sauberes Buch,
hinter dem eine Verantwortung steht, statt nur Geschäft, wie allzu-
leicht bei solchen Büchern. S.
*) Ein deutscher Frühling in Wort und Bild; ausgewählt und
eingeleitet von Ludwig Benninghoff (Hanseatische Derlagsanstalt,
Hamburg).
Für die L-chriftleitung verantwortlich der Herausgeber Wilhelm Schäfer in Ludwigshafen am Bodensee. — Druck und Verlag A. Bagel
Aktiengesellschaft, Düffeldorf. — Gedruckt mit Farben der Hostmann-Steinbergschen Farbenfabriken, G. m. b. H., Celle (Hannover).
Redaktionelle Sendungen sind ausschließlich an den Herausgeber Wilhelm Schäfer, Bodensee-Ludwigshafen, zu richten. — Für unver-
langte Manuskripte und Nezensrons-Cremplare wird keine Verpflichtung übernommen. — Rückporto ist beizulegen.