Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Römisch-germanisches Korrespondenzblatt: Nachrichten für römisch-germanische Altertumsforschung — 2.1909

DOI Heft:
Nr. 2 (März u. April)
DOI Artikel:
Kropatscheck, Gerhard: Zwei römische Amulette
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.24879#0037

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
25

ihnen daher auch mit ins Grab gegeben wurden, wo sie besonders Schutz gegen
Dâmonen brauchten, ist uns auch in der antiken Literatur überliefert. Den Neu-
geborenen wurden u. a. lunulae am zehnten Tage von den Verwandten dargebracht.
Vergl. z. B. Plaut. Epidic. V, 1,33 (640) ,,ηοη meministi me auream ad te adferre
natali die lunulam atque anellum aureolum in digitum“ ; Hesych s. v. σεληνίς-
φυλακτήριον οπερ εγκρεμάται τοΐς παιδίοις. Und Basilius, Erzbischof von Cäsarea
(371—379) sagt (zuGregorius von Nazianz bei Bast zu Cor. ed. Schâfer p. 874) u. a.
,,.... σελήνία μηνίσκων, χρύσεκ καί άργύρεχ ή καί τής ευτελεστέρας ΰλης τά όπά
τών γραιδίων τοΐς βρέφεσι έπιδεςμούμενα επί·9·υριζουσών είς άποτροπιασμόν.“
Es kann hier nicht ausführlicher auf diese apotropaische Kraft der lunula ein-
gegangen werden ; es muss dafür noch immer auf die grundlegende Arbeit von
Otto Jahn iiber den Aberglauben des bösen Blicks bei den Alten (Ber. d. sâchs.
Ges. d. Wissensch. phil.-hist. Kl. 1855 S. 41 ff. Anm. 48), der auch die angeführten
Stellen entnommen sind, und auf Siebourg, ein gnostisches Goldamulett aus Gellep
(Bonner Jahrb. 103 S. 128 f.) verwiesen werden, wo mehr Material zu finden ist.
Dass unsere lunula aus Silber besteht, also aus einem für provinziale Verhaltnisse
kostbaren Material, ist kein Zufall: neben Gold schrieb man gerade Silber beson-
ders wirksame schützende Zauberkraft zu. U. a. finden sich in den Zauberpapyri
mehrfach Belege dafiir. Vergl. darüber meine Dissertation ,,de amuletorum apud
antiquos usu“, Münster 1907 S. 26 und neuerdings neben Siebourg a. a. O. S. 130
auch Wünsch, Archiv f. Religionswissenschaft XII, 1909, S. 25 f. Die monumen-
tale Überlieferung ist gerade fiir den Halbmond sehr reich. Nicht immer wird
dort noch seine apotropâische Bedeutung bewusst empfunden; er wird vielfach wie
bei uns das Kreuz nur noch Schmuck gewesen sein. Hâufig wird der apotro-
pâische Charakter aber durch Beigabe von phallischen Attributen gesichert. Bei
unserem kleinen Stiick ist schon der Fundbestand in Verbindung mit den littera-
rischen Zeugnissen Beweis genug. Gerade dieser macht unser Amulett so inter-
essant und rechtfertigt einen besonderen Hinweis an dieser Stelle schon vor der
späteren Gesamtpublikation des Grâberfeldes : es lag in situ am Halse des Kindes.

Das zweite Stiick ist ein sorgiâltig gearbeitetes Phallusamulett von sehr
guter Erhaltung mit schôner Patina. (Abb. 10.) Professor Wolff teilt über die
Fundumstânde folgendes mit: ,,Der Bronzephallus wurde iiber einem Skelett (Grab
181), welches 1.60 m tief gebettet war, nur 50 cm unter der Oberflâche zwischen
einem Hâufchen von Steinen Mitte Oktober 1908 gefunden. Es bleibt zweifelhaft,
ob der Phallus zu einem zerstörten Brandgrab gehôrt hat, oder mit den Steinen
in Zusammenhang steht, die zu einem zerstörten Grabdenkmal gehört haben könnten.“
Nach meiner bisherigen Kenntnis der Phallustypen glaube ich mit Sicherheit das
erstere annehmen zu diirfen. Die sorgfàltige Arbeit des Phallus weist ihn noch
in frühere Zeit, in die Zeit der Brandgrâber. Das Amulett zeigt die bekannte
Phallusform, die wir u. a. am Limes in unserer Gegend häufig finden. (Vergl. z. B.
Jacobi, Saalburg Taf. 67, 12). Ich habe daher vorlâufig bei meinen Sammlungen für
diese Form den Namen „Limesphallus“ gewählt, um sie von der Form der augu-
steischen Phallusamulette aus Haltern (vergl. Ritterling Westiäl. Mitteil. II, 1 iq f.),
Höchst a. M. (Suchier Nass. Mitt. 1901, Sp. 53) und Friedberg (Anthes Arch. f. hess.
Gesch. N. F. 3, 459 ff.) bequem zu unterscheiden. Im einzelnen werden sich auch
hier wieder mit wachsendem Material chronologische Unterschiede nachweisen lassen ;
denn auch die Form des Phallusamuletts hat sich wie die der Fibel im Laufe der
Zeit geândert, wenn sie natürlich auch nicht so sehr wie die Fibelform der Mode
unterworfen war.

Was aber das Heddernheimer Amulett vor allem auszeichnet, ist die ein-
punktierte Inschrift „Puro“. Die Abbildung der Inschrift (Abb. 11) zeigt die Form
der Buchstaben zur Genüge. Vor dem P ist das Amulett leider etwas bescbâdigt.
Man glaubt manchmal, dort noch zwei oder drei Punkte zu erkennen, die zum P
in schrager Richtung hinüberleiten; doch muss dies unsicher bleiben. Keines-
falls hat aber dort noch ein besonderer Buchstabe gestanden. Bei dem breiten
fast wie ein U anmutenden letzten Buchstaben ist die Rundung oben durch einen
Punkt geschlossen, so dass das O gesichert ist. Als Schluss folgt noch ein Punkt.
Was bedeutet nun diese Inschrift? Dass die Inschrift etwa in dem Sinne des Wortes
 
Annotationen