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Römisch-germanisches Korrespondenzblatt: Nachrichten für römisch-germanische Altertumsforschung — 2.1909

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Nr. 4 (Juli u. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.24879#0072

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6ο

sicht auf den Inhalt der zu ihm gehorigen
Räume und andern Beobachtungen als al-
testes „Standlager“ — wohl mit Recht
— erklärt wird. (S. 4ff. u. S. 397). Selbst
die von Siegfried Lôschcke angenommene
„Möglichkeit, dass die erwâhnte Münze
erst nachträglich in die Grube geraten sei“,
mochte ich nicht als so ganz ,unw rahrschein-
lich' ansehen, nicht aus Voreingenommen-
heit für die Haltern-Aliso-Hypothese, cuius
causas procul habeo, sondern, weil so
scharfe Beobachter der Bodenschichten,
wie es die Halterner „Gräber“ sämtlich sind,
eine Stôrung des Inhaltes der Grube über-
haupt für denkbar halten und weil lang-
jâhrige Erfahrung mich den bekanntan Satz
zu der Formel erw'eitern lässt: „habent
sua fatanon modo libelli sed etiam lapilli et
nummi“, zumal auf bebautem Boden, in
dem die Antikaglien so reichlich zerstreut
liegen wie bei Haltern.

För das „grosse Lager“ hatte man sich in
der in Betracht kommenden Ausgrabungs-
periode die Ermittelung der 3 noch unbe-
kannten Tore und mit Hülfe derselben des
Prâtoriums gestellt. Mit welchem Aufwande
von Sorgfalt und Scharfsinn diese Aufgaben
gelôst sind, um dies zu würdigen, muss man
denBerichtselbstnachlesen. Die Aufsuchung
des Nordtores brachte eine Enttâuschung
mit nachfolgender Ueberraschung. Man
hatte es, da man in ihm das linke Prinzi-
paltor vermutete, dem zuerst gefundenen
Südtore gegenüber zu finden erwartet. Seine
wirkliche Lage weit westlich, nahe der
Nordwestecke, nôtigte zu der Annahme,
dass das Lager nach dem Flusse hin, also
nach Süden, seine Angriffsfront hatte und
dass die via principalis von Westen nach
Osten, parallel der Lângenachse, verlief.
Dies wurde durch die Lage und Form des
Prätoriums bestâtigt Dass es gelungen
ist, von diesem aus der verwirrenden Menge
von Gräben, Gruben und Pfostenlôchern
einen einleuchtenden und den bekannten
Prätorien der spâteren Kastelle im ganzen
entsprechenden Grundriss zu gewinnen und
nach der Lage jener Vertiefungen und
ihrem Inhalte verschiedene Bauperioden zu
unterscheiden, die auf Tafel III durch ver-
schiedene Farben bezeichnet sind, das ge-
hôrt zu den schônsten Triumphen unserer
modernen Ausgrabungstechnik und ihrer
gewisenhaften Handhabung. Was das Hal-
terner Prâtorium von allen bisher bekann-
ten Kastellprâtorien unterscheidet, ist das
Vorhandensein eines Einganges in der
Mitte der nach dem Dekumantore gelege-
nen Seite, wo sonst das in den jüngeren
Limeskastellen besonders massiv gebaute
und oft apsisartig über die Frontmauer
vorspringende Sacellum liegt. Dagegen ent-
spricht der unter der Mitte der via prae-
toria in deren Lângsrichtung verlaufende,
wohl zur Trockenlegung des Strassen-
kôrpers angelegte Sickerkanal den auch

anderwarts besonders in Kastellen der fla-
vischen Peri'ode gemachten Beobachtungen.
Er dürfte sich auch unter der via praetoria
finden.

Von den übrigen auf Hattern bezüglichen
Aufsâtzen ist von allgemeinerem Interesse
der des Geh. Baurats Biermann über die
„Wiederherste llung der Umwallung
an der Nordostecke des grossen
Lagers“, welche er an Stelle des im Jahre
1901 von Dahm hergestellten Palissaden-
walles in Gemeinschaft mit Geh. Baurat
Schmedding ausgefiihrt hat. Die tatsâch-
liche Grundlage fiir die Rekonstruktion bil-
deten zwei Reihen von Pfostenlôchern hinter
dem inneren Graben, die erst nachtrâglich
gefunden waren und einen durch zwei
Pfostenreihen mit Langhôlzern gestützten
und durch Zangen zusammengehaltenen
Wehrgang voraussetzen liessen. Fiir die
Herstellung im einzelnen war man auf Er-
wägungen technischer Môglichkeiten und
Wahrscheinlichkeiten angewiesen.

Derselbe Verfasser weist in dem Bericht
über eine,,GrabungimOstenderStadt“
Haltern (S. 385-390) nach, dass die dort
gefundenen Spitzgrâben nicht, wie man an-
fangs zu glauben geneigt war, zu weiteren
römischen Befestigungen gehôrten, sondern
mittelalterlichen Ursprungs sein dürften.

Das neue „Museum des Altertums-
vereins zu Haltern“, welches wie der
Verein selbst ein Produkt der Halterner
Ausgrabungen ist, beschreibt sein Erbauer,
Geh. Baurat Schmedding in dem durch
Grundrisse und Ansichten illustrierten VI.
Aufsatze (S. 379—382). Seinen Inhalt end-
lich behandeln die beiden Berichte IIIund IV:

G. Kropatscheck, der eifrige und er-
folgreiche Mitarbeiter bei den Ausgrabungen
von Haltern wie besonders von Oberaden,
bespricht (S. 323 bis 375) ,,die Fundstücke
der Jahre 1905—1907“ (mit Ausnahme der
keramischen) sorgfâltig und sachkundig.
Bei der Verwertung der gemachten Beob-
achtungen für allgemeinere Schlüsse be-
sonders chronologischer Art kommt ihm
die intime Bekanntschaft mit dem gesamten
Inventar beider westfâlischer Lager zu
statten. Abgesehen von den für die Zeit-
bestimmung der Anlagen hier besonders
wichtigen Münzen sind von hervorragendem
Interesse die Gegenstânde aus Bronze und
Glas. Eine Vergleichung derselben mit
den in flavischen Anlagen und dann wieder
in und bei den Limeskastellen gefundenen
Gegenständen Iässt recht augenfâllig die
fortschreitende Depravation hinsichtlich des
Materials und der Form erkennen. Die
lângst feststehende Tatsache, dass viele ur-
sprünglich in Bronze und Glas gedachte
Gebrauchsgegenstände spâter inTon nach-
gebildet sind, findet mehrfach überzeugende
Bestätigung, so durch das hübsche Tâsschen
aus sigillatarotem Glas von der Form Dra-
gendorff 27 (S. 371 Abb. 16) und eine Reihe
 
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