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Römisch-germanisches Korrespondenzblatt: Nachrichten für römisch-germanische Altertumsforschung — 2.1909

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Nr. 4 (Juli u. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.24879#0073

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von Bronze-Kasserollen und Sieben, deren
Stiele sich in genau entsprechender Form
bei rotbemalten und rotgelbgefleckten Ge-
genständen gleichen Zweckes in Bâdern
und Wohnrâumen flavischer Kastelle und
besonders zahlreich in_ Heddernheim ge-
funden haben. Freilichmuss man bei dieser
Vergleichung berücksichtigen, dass es sich
in Haltern zweifellos weit hâufiger um In-
ventarstücke hôherer Offiziere und wohl-
habender Personen handelt als beispiels-
weise in den Kastellen und Lagerdôrfern
des Limes. Zu den wertvollsten Funden ge-
hören die verhältnismässig zahlreich gefun-
denen Glasaugen, für die mir Kropatschecks
Erklärung, dass siefür apotropaische Zwecke
an Ringen angebracht waren oder ange-
bracht werden sollten, gerade mit Rück-
sicht auf die vorwiegend militarische Be-
völkerung des rômischen Haltern einleuch-
tend erscheint, und ein Reliefmedaillon aus
Glas mit der Darstellung eines Gorgonen-
hauptes, welches mitünterlagen von Silber
und Gewebestoff auf einer flachen Kapsel
befestigt war. Hier würde ich wegen der
Zerbrechlichkeit des Materials eher an Pri-
vatgebrauch, selbstverstandlich gleichfalls
apotropâischer Art, etwa als Broche, denken
als an die an sich ja naheliegende Gleich-
stellung mit den Phalerae âhnlicher Form.

Weitaus die umfangreichste Arbeit und
zugleich diejenige, welcher wir — unbe-
schadet der Wertung aller iibrigen Beitrage
— die grôsste aktuelle Bedeutung beimessen
diirfen, ist die von Siegfried Lôschcke
über „Keramische Funde in Haltern,
ein Beitrag zur Geschichte der augusteischen
Kultur in Deutschland“. Ihr Separatab-
druck bildet ein Buch fiir sich: 220 Seiten
mit 21 Tafeln (S. 103—322 und Tafel X
—XXXIII) und zahlreichen Textabbildungen.
Ein Teil der Arbeit, der über Terra sigil-
lata handelnde, hat der Bonner philosophi-
schen Fakultat geniigt, dem jungen Ver-
fasser die Doktorwürde zu erteilen.

Es ist mir nicht môglich, auf dem für
diesen Teil der Besprechung zur Verfügung
stehenden Raum ein auch nur einigermassen
eingehendes Referat iiber den Înhalt des
Aufsatzes zu geben, der auch darin weit
über den üblichen Rahmen eines Fundbe-
richtes hinausgeht, dass er „auch die in
den früheren Heften der Mitteilungen schon
publizierten Stiicke iibersichtlich zu ver-
einigen und zu vervollstândigen, sowie ihre
Herkunft und die Bedingungen, unter denen
sie entstanden sind, planmâssig aufzuhellen
sucht“. Ein solches Zuriickgreifen auf die
anerkannt mustergiiltigen Berichte von Rit-
terling, Dragendorff und Kriiger ist
dadurch begriindet, dass es durch die über-
reichen keramischen Funde der letzten
Jahre, die der Verfasser zum grossen Teil
selbst mit erhoben und nach ihren Fund-
umständen genau beobachtet hat, môglich
geworden ist, die Formen vieler Gefâsse,

von welchen in den ersten Jahren nur ein-
zelne für die Erkenntnis der Typen nicht
genügende Scherben gefunden waren, voll-
stândig zu ermitteln und zu rekonstruieren.
Von dieser erfolgreichen Tâtigkeit des
Verfassers bieten dem, der ihre Ergeb-
nisse nicht im Museum zu Haltern zu be-
sichtigen Gelegenheit hatte, die Typentafeln
X—XV eine Anschauung, wâhrend die auf
den Tafeln XVI—XXV in Lichtdruck dar-
gestellten zusammengesetzten Gefasse und
Scherben, sowie die auf den Tafeln XXVI
—XXXI faksimilierten Tôpferstempel und
Graffitiund die zahlreichen Textbilder uns in
die Detailarbeit selbst einführen und die z. T.
weitreichenden Kombinationen illustrieren.
Auf diese nichtim einzelnen einzugefien wdrd
mir umso schwerer, da sie in vielen Punkten
sich mit Gedanken berühren, die sich mir
selbst aufgedrängt haben und z. T. auch
von mir ausgesprochen sind. So habe ich
vor 15 Jahren den Versuch gemacht, die
italische Provenienz der damals in Deutsch-
land noch relativ wenig bezeugten Ateius-
stempel an der Hand der Fundstatistik zu
erweisen. Er wurde schon wenige Monate
spâter durch Dragendorffs Dissertation über
Terra sigillata antiquiert. Dessen Anregung
folgend, suchte besonders Oxé in einer
Reihe von Aufsätzen südfranzôsische Offi-
zinen des Ateius nachzuweisen, aus wmlchen
die rheinischen Fundstücke mit den be-
kannten Stempeln stammen sollten. Diese
Ansicht fand ziemlich allgemeine Zustim-
mung, obgleich bei ihr die zweifelloseUeber-
einstimmung arretinischer und kampanni-
scher Funde mit den rheinischen nicht nur
hinsichtlich der Stempelmatrizen, sondern
auch hinsichtlich des Materials und der
Technik zu der nicht gerade sehr einleuch-
tenden Annahme eines Imports aus Süd-
gallien nach jenen alteren Fabrikations-
zentren nötigenwürde. Jetzt kommtLôschcke
in Uebereinstimmung mit Déchelette auf
die nâherliegende Annahme arretinischer
Provenienz des rheinischen und besonders
des Halterner Ateiusgeschirrs zurück, die
er, wie mir scheint, überzeugend begrün-
det. Andererseits stimmt die Annahme
frühzeitiger lokaler Herstellung des ge-
wôhnlichen Geschirrs vollkommen zu den
Beobachtungen, die ich im oberrheinischen
Limesgebiet für die Zeit der ersten Okku-
pation gemacht und bei der Bearbeitung
der Tôpfereien von Heldenbergen ausge-
sprochen habe. Die langsame und, wie
manche Umstande zu verraten scheinen, in
Form von Filialengründungen sich voll-
ziehende Ausbreitung der Sigillataindustrie
in neu gewonnene Landstriche gegenüber
der abweichenden Erscheinung bei dem
gewöhnlichen Geschirr, wo der Tôpfer den
vorrückenden Heeren fast auf dem Fusse
zu folgen scheint, mag, abgesehen von dem
höheren V/ert und der grôsseren Dauer-
haftigkeit der „roten Ware“, die einen
 
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