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Schrader, Hans [Hrsg.]
Die Archaischen Marmorbildwerke der Akropolis (Textband) — Frankfurt a.M.: Klostermann, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.49902#0401
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lers, dessen Lebensarbeit wir zusammenzustellen versuchen. An den Löwenkopf aber schließt sich das viel-
leicht stärkste Tierbild der Akropolis unmittelbar an — der Hund 143, den schon Studniczka dem Giebel
so verwandt fand, daß er sich fragte, ob er nicht etwa als Helfer einer der Götter in den Giebel selbst
gehören könne. Das in Bruchstücken nachweisbare Gegenstück des Hundes schließt diese Möglichkeit aus.
Wenn man sich vergegenwärtigt, wie stark angesehene Bildhauer des 6. Jhs. an der Gräberplastik beteiligt
waren und — in ausfälligem Gegensatz zu den Künstlern des 5. und 4. Jhs — ihren Stolz darein setzten, sich
als Meister zu nennen, so muß man erwarten, Spuren des großen Künstlers, dessen rundplastisches Werk
wir musterten, auch unter den Grabreliefs, zumal den in Attika gefundenen, zu entdecken. Unter dem frischen
Eindruck der soeben zusammengesetzten Gestalten des Giebels habe ich vor vierzig Jahren die weitaus am
besten erhaltene und künstlerisch hochbedeutende Stele des Aristion in nächste Nähe der Giganten gerückt
(AM. 109f.) und finde jenen Eindruck nur bestätigt durch die heute an so vielen Werken ersten Ranges
durch die Entwicklung eines ganzen Menschenlebens hindurch verfolgte Eigenart des Gigantenmeisters.
Die außerordentliche plastische Wirkung, die diese Stele, bei geringer Relieferhebung, durch elastisch federn-
den Umriß und großzügige, höchst lebendige Flächenbehandlung erzielt, entspricht derselben künstlerischen
Gesinnung, die wir in den rundplastischen Werken des Gigantenmeisters wahrnehmen. Ein so wundervolles
Stück Marmorskulptur wie der ruhig herabhängende Arm des Aristion mit seiner in zarten Abstufungen
reich getönten Oberssäche, seinem klar und fest gezogenen, ungezwungen bewegten Umriß, der schlagenden
Wirkung prallen, gesunden Fleisches, findet nächste Verwandte im rechten Arm der Kore 679, des Kuros
665, des Athena-Gegners. Es ist kein Zweifel möglich: der große Meister, den wir vom Rampin-Reiter bis
zu den Giganten verfolgten, hat, wie die Giebelgruppe des von dem Peisistratiden reicher ausgestalteten
alten Athenatempels, so auch das Grabmal des vornehmen Parteigängers des Peisistratos geschaffen. Er hieß
Aristokles und trug den stolzen Namen mit Recht als der vornehmste unter den attischen Bildhauern
Athens im 6. Jh.

ZWEI LÖWEN EINEN STIER NIEDERWERFEND
Grobkörniger, vielfach blausseckiger, gern in Schichten brechender Inselmarmor wie im Gigantengiebel.
1. FUNDORT. VERHÄLTNIS ZUR POROSGRUPPE GLEICHEN VORWURFS
Für die Fundorte fehlen genaue Angaben, abgesehen von Roß’ Notiz über den Fund des Torsos des rechten
Löwen B 1 bei seiner Tiefgrabung zwischen Südostecke des Parthenon und Südmauer (Archäologische Auf-
sätze I 112). Sonst entstammen die Fragmente den großen Ausgrabungen der achtziger Jahre und zeigen
fast durchweg die gleiche frische Erhaltung und ähnliche Farbspuren wie die große Mehrzahl der damaligen
Funde. Brandspuren fehlen.
Die Bruchstücke sind zuerst von Br. Sauer zusammengelegt worden. Viele Zusammensetzungen ergaben
sich mir bei genauerem Studium der Fragmente in den Jahren 1904—08. Daß die Gruppe dem zweiten
Giebel desselben Baus angehörte, den der Gigantengiebel schmückte, habe ich AM. 103 f. kurz dargelegt,
ohne damals über die Komposition mehr sagen zu können als daß ihre allgemeine Ähnlichkeit mit der
Porosgruppe gleichen Vorwurfs unverkennbar sei. In seinem Poroswerk hat dann Heberdey die eine
Zeitlang auch von mir geteilte Meinung Watzingers, daß jene Porosgruppe ein liegendes Rechteck gefüllt
habe, zurückgewiesen und eine Rekonstruktion in Giebelform in Zeichnung (a. 0. Abb. 83) vorgelegt. Er
hat weiter an der Hand von Abbildungen bezeichnender Fragmente der Marmorgruppe versucht nachzu-
weisen, daß die letztere der Porosgruppe in Maßen, Komposition und Stil geglichen habe und als Ersatz
der ersteren in edlerem Material aufzufassen sei. Eine Berichtigung dieser Vermutung ergab sich mir in der
Folge aus genauerem Studium der Marmorfragmente: ich stellte fest, daß der Stier hier nicht wie in der
Porosgruppe mit ausgestreckten Hinterbeinen ssach auf dem Boden lag, sondern sich mit den Hinterbeinen
noch halb aufrecht hielt, während seine Stirn wie dort den Boden berührte (Jdl. 1928, 70ff.). Auch sonst aber
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