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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 8.1917-1918

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Achtes Heft
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Walden, Herwarth: Kenner
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Runge, Wilhelm: Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.37114#0126

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hat auch einen deutschen Volkskunstmaler entdeckt. Der Mann
heißt Anton Schöner. Man erfährt durch die Güte des Herrn
Dobsky, daß Herr Schöner „in der Stadt Albrecht Dürers und
anderer Großen der Kunst zur Welt gekommen ist, das ist zu-
nächst erstmal der einzige Vorzug gewesen, der ihm be-
schieden war." Dürer kann sich vor Freude nicht lassen. „Aber
das ausgesprochene Talent, das Mutter Natur ihm nun einmal
bescheert, war doch auch wohl etwas wert." Die ^Wirkung so
guter Eltern, des Vaters Dürer und der Mutter Natur blieb
nicht aus: „Seine etwa zwanzigjährige Tätigkeit in Berlin machte
ihn dort zu einem sehr gesuchten Porträtisten und wie Lenbach
in München, so sah Schöner in Berlin eine Reihe der hervor-
ragendsten Persönlichkeiten in seinem Atelier." Aber nicht
nur, daß er die hervorragendsten Persönlichkeiten bei sich sieht,
„doch auch als Schriftsteller steht Schöner im Dienst der Kunst.
Mit unerschrockenem Kämpfermut hat er sich zum eifrigen Ver-
fechter einer guten und gesunden deutschen Kunst gemacht."
Er hörte aber deshalb nicht auf zu malen. Er hat sich zum
eifrigen Verfechter seiner guten und gesunden deutschen Kunst
gemacht. In seiner Tätigkeit ist ihm nur ein Dorn im Auge:
„Ihm ist vor allem die Herabwertung der deutschen Kunst durch
die Ueberschätzung einzelner zu Ungunsten vieler anderer ein
Dorn im Auge." Herr Schöner fühlt sich hicht genug über-
schätzt, weshalb Herr Dobsky ihn heraufwerten muß. Wer
ist Herr Dobsky. Er ist nicht nur der Herausgeber der deut-
schen Volkskunst in Leipzig, er hat auch ein Buch geschrieben.
Es heißt Deutscher Humor im Bilde. In seiner Deutschen Volks-
kunst läßt Herr Dobsky seinen Humor also heraufwerten: „Und
auch in der bildenden Kunst ist man am ehesten empfänglich,
wenn sie in den leicht beschwingten Pfaden des Humors wan-
delt." „Die bildende Kunst in leicht beschwingten Pfaden
wandelnd, ist ein gutes und gesundes deutsches Bild von Anton
Schöner. „Wohl hätte sich, das wußte gewiß auch Dobsky, aus
dem Thema ein ganz dicker Band machen lassen." Gewiß
wußte das Dobsky. Dicke ist aber der Leichtbeschwingtheit
hinderlich. „Von Meister Albrecht Dürer bis zu den Modernen
geht der Weg, dem man zu folgen hat." Der Weg, der leicht und
Schönerbeschwingte. „Und daß er lustig und erheiternd ge-
worden ist . . . dafür bürgen auch die warmherzigen, froh-
stimmenden Worte." Mich hat schon die warmherzige Be-
sprechung frohgestimmt. Doch Herr Dobsky kann auch furcht-
bar böse sein, wenn die Kunst nicht noch schöner ist. Er hat
zunächst einen Verein in Leipzig gegründet, weil ihm meine
Tätigkeit ein Dom im Auge ist. Das gleiche Leiden hat die
Herren zusammengeführt. Ich bin sehr für Vereine. Vereine
machen mich geradezu glücklich. Es erleichtert mir das Leben.
Ich bitte dringend alle Freunde gesunder Kunst einzutreten.
Dann kann ich sie wenigstens alle auf einmal erledigen. Ich
habe sie alle auf einem Platz, in Leipzig, Gabelsberger Straße 1.
Ich kann nicht jeden Dobsky finden. Ich warte auf die Tätig-
keit, meine Herren. Vorläufig drohen sie mit der Staatsgewalt.
Ein Rechtsanwalt ist sogar eingetreten. Ich werde den Staats-
anwalt spielen und zwar so, daß den Herren bald der leicht
beschwingte Humor vergehen wird. „Ein Maler, der blaue
Pferde malt, weil er vorgibt, sie so zu sehen, der die natürliche
Erscheinung und das Fleisch eines Frauenkörpers zu wider-
lichen schmutzigen Klumpen herabwürdigt, der ist ein Könner,
ein Genie, der andere, der mit Ehrlichkeit und Fleiß ein an-
ständiges Bild malt, ist ein Kitschier, über den man sich lächer-
lich macht" Man ist noch lange nicht anständig, wenn man ehr-
lich und fleißig ist. Man ist noch lange nicht Könner, wenn
man braune Pferde malt, weil man vorgibt, sie so zu sehen.
Man ist erst Könner, wenn man sehen kann, also keinen Dom im
Auge hat. Man ist noch lange nicht Genie, wenn man Könner
ist. Und Fleisch ist noch lange kein Frauenkör^er. Jedenfalls,
Herr Dobsky ist furchtbar böse, wenn man ihn blau malt. Ich
warte, meine Herren. Der Verein soll seine Tätigkeit beginnen.
Ich werde Sie aller Farbe entkleiden. Herr Dobsky soll weiß
gewaschen werden. Mit vorzüglicher Hochachtung.

Das kommt vom Uebermalen
„Ich bin zu Professor von Lenbach gegangen, um ihm die
Landschaft zu zeigen. Lenbach sagte, daß er das Bild nicht
kenne und keine Idee habe, wer es gemalt habe." „Die Land-
schaft soll doch ein Lenbach sein, obwohl er sagt, daß er das
Bild nicht gemalt habe. Ein hiesiger Künstler versichert mir,
daß er gesehen, wie Lenbach in Gegenwart Makarts daran ge-
malt habe. Lenbach soll sehr häufig seine Arbeit nicht mehr
gekannt haben."
Aber Herr Lenbach kannte nicht nur seine Bilder nicht,
weil es keine Bilder waren. Er hatte auch Humor, Künstlerwitz.
Kein geringerer als Herr Karl Scheffler, Herausgeber von Kunst
und Künstlern, veröffentlicht diese Anekdote: „Zu Lenbach
kam einst eine reiche, etwas eingebildete und nicht eben
hübsche Dame. Herr Professor, sagte sie, ich möchte mich von
Ihnen malen lassen, ich möchte ein ähnliches und schönes Bild
haben. Lenbach erwiderte: Ja gnädige Frau, da müssen sie sich
schon für das eine oder das andere entscheiden."
Der schöne Humor des Herrn Professors ist seinen Bildern
zum Verwechseln ähnlich.
Der Ueberzeitgenosse
Herr Karl Sternheim hat sich einen „Berg" sogenannter mo-
derner Literatur kommen lassen. Und zwar von seinem Buch-
händler. Und schreibt darauf im Berliner Tageblatt: „Aber
was trotz gehöhtem Stil, unbändig kreißenden Perioden aus die-
sen oft mit Schaum am Mund Sprechenden mir nicht entgegen-
tönte, war der Beweis großer einzelner Person mit eignem fer-
tigen neuem Bild der Welt, von dem den Zeitgenossen sie den
überwältigenden Eindruck gibt." Ich begnüge mich mit Karl
Sternheim. Der Zeitgenosse ist überwältigend. Er schafft ein
eignes fertiges neues Bild der Welt. Die Welt wollte nur Herrn
Karl Stemheim sitzen. Sie hat es mir selbst gesagt. Und wer
es etwa nicht glauben will, der frage das Berliner Tageblatt. Im
Uebrigem teile ich Herrn Sternheim mit, daß der Sturm nicht
modern ist. Sein Buchhändler hat ihn falsch unterrichtet.
Sturm ist Ewigkeit.
Herwarth Waiden

Gedichte
Wilhelm Range
Seine Stimme schüttelt leis das Blatt
tritt auf Zehen in die Sommerseide
Trillern lauscht
blaß zittert Dursten
Bienen tasten Duft
Himmel klettert tauen durch die Gräser
Mücken stoßen ihre Ellenbogen
Grille jubelt wiesenriesenweit
und die Vögel wiegen eine Feme
in den blauen Zwitschersonnentag.
Auge reißt die Bäume von den Hängen
Schluchzen wirft sich in die Wiesen wund
bricht der Sonne Streicheln in den Händen
stößt die Andacht aus der Blumen Arm
Hohn gellt Bluten
Zucken
Sterben
Modem
Fragen windet Schluchten durch die Stirn
Lächeln tanzt
Streicht leis vom Kleid die Falten
und die Zeiten küssen seinen Saum.
*

t20
 
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