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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 17.1926-1927

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8. Heft
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Ring, Thomas: Die Krise des Imperialismus, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.47216#0160

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wird. Diese besteht darin, dass von ihr
die Umschichtung ausgehen muss wenn ein
Kollektivsystem sich an Egoismen und
ihren weiterwirken en Irrtümern verbraucht
hat. Im Sklaven wider Willen stellt sich
die Dialektik des Lebens am Härtesten und
Unmittelbarsten auf. Gibt er, von keinem
Ehrgeiz dazu g..trieben, seine Kraft an
überpersönliche Dinge aus ohne persönlich
zu erleben, wofür er es tut, so muss der
gesunde Egoismus revoltieren. So wird
die Schicht, die die Folgen der Zielstellungen
Anderer trägt, zum Korrektor der Lebens-
formen. Ihr Denken schult sich durch
die logische Kausalität bestimmter Ein-
schränkungen, ihr Wille wird durch Ver-
sagen menschlicher Notwendigkeiten ge-
weckt und da es sich um Gemeinsamkeit
der Not handelt, wird sie zum Schooss
kollektiver Erneuerung. Deshalb kann die
geschichtlich-biologische Umwälzung nur
Massenaktion sein.
Imperialismus ist der auf ein Staatssystem
übertragene Egozentrismus. Die Konse-
quenzen sind für die Lebensaktion eines
Einzelnen wie für die einer Gruppe von
Einzelwesen im Prinzipiellen gleich. Der
Einzelmensch als Zellenstaat ist ein Bild
des Ganzen: Befehlsschicht ist Nerven- und
Gehirnaktion, Erhalter- und Nutzniesser-
schicht ist das Zellgewebe, Arbeitsschicht
sind Blut und Säfteumlauf. In der Kausa-
lität geschichtlicher Vorgänge des Menschen
wie des Staates ist jede Frühzeit vom Feu-
dalismus, jede Spätzeit vom Kapitalismus
beherrscht und die Forderungen eines Kriegs-
oder Arbeitsproletariats treiben zu er-
neuernden Krisen. Wird eine Aktion aus-
gelöst, so reisst die Befehlsschicht zur neuen
Zielstellung, die diktatorische Gewalt eines
Feudalismus von Begriffen und Vorstellungen
gibt dem Ganzen Richtung und Plan. Hat

der Vorgang die geschichtliche Kulmination
überschritten, so fordert das Festigungs-
bedürfnis des biologischen Kapitalismus in
der Zellstruktur ihr Recht der Stabilisierung,
die Nutzniessung einer erreichten Position.
An den Funktionen des Bluts und der Säfte,
der Lebenshaltung des Proletariats zeigt
sich aber die biologische Richtigkeit oder
Unrichtigkeit. Sie tragen die Konsequenzen
und aus ihnen steigen die Forderungen
nicht einzelner Bedürfnisse sondern des
kollektiven Ganzen auf. Säfte und Blut
produzieren die Ueberschüsse, die ebenso
Erhalter- und Führerzellen nähren und um-
wandeln. Deshalb haben revolutionäre Be-
wegungen instinktiv die Farbe des Bluts
gewählt, als Ausdruck ihres Kampfes gegen
ideologische Weltfremdheit und neurotisch
irrenden Ehrgeiz verbrauchter Feudalisten
wie gegen hysterische Lebensformen der an
sinnlose Mechanisierungen sich klam-
mernden Kapitalisten. Im Kommunismus
ist die Massenaktion erwacht, die aus lebens-
kräftigem Flusse heraus Führer zu anderen
Zielen wie Verwalter anderer Lebenszellen
bestimmt und die lebendige Kontrolle aller
Funktionen des Menschheitsganzen ver-
langt. Der künftige Führer muss aber be-
denken, dass es sich bei den zu erwartenden
Massengeschehnissen um Korrektionen
handelt, die erst den Weg für neue Ziel-
stellungen frei legen.
Die kommende Erneuerung rechnet mit
anderen Bedingungen als sie für die ge-
schichtlichen Krisen des Altertums bestanden.
In Babylon, Assyrien, Aegypten, Indien,
China, Griechenland, Rom hat sich voll-
zogen, was sich zuletzt in den Staaten-
gründungen der Völkerwanderung und des
späteren europäischen Ostens wiederholt
hat: der Kollektivwille junger Völker warf
sich auf Kulturen schwächerer Feudal-

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