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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 17.1926-1927

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9. Heft
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Blümner, Rudolf: Licht und Schatten: zu den wechselnden Lichtbildern von Nikolaus Braun
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https://doi.org/10.11588/diglit.47216#0170

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licht (Beleuchtung) sondern aus einem bewußt
und exakt künstlerisch gesetzten Licht des
Bildes selbst (durch versteckt angebrachte
elektrische Birnen). Wer hier etwa finden
sollte, daß dies auch eine Beleuchtung sei, der
irrt sich. Technisch — ja, da hat er recht —
geschieht eine Beleuchtung, aber nicht im künst-
lerischen Sinne, denn hier wird nur das be-
leuchtet, was der Künster beleuchtet haben will.
Und das, was beleuchtet wird, ist an sich ein
„Nichts“, das erst durch die Beleuchtung zum
Teil des Kunstwerks gemacht wird. Verstanden?
Denn der Charakter dieser Bilder ist abstrakter
Art: die einzelnen Komponenten, die durch
technische Beleuchtung zu erleuchteten Teilen
werden, erhalten ihre Bedeutung nicht durch
diese Beleuchtung, sondern durch die Beziehung
ihres Leuchtgrades zu einem anderen Leucht-
grad und einer anderen Leucht-(Schatten) form.
Verstanden?
❖ ❖
So erkennt man diese Lichtbilder, diese Leucht-
bilder, als ein künstlerisches Lichtspiel be-
sonderer Art, als eine Gestaltung aus Licht
und Schatten, sodaß es fast scheint, als ließe
sich eine solche Bildwirkung auch auf ein-
fachere Art erreichen. Es ist wieder ein Irrtum.
Schwarz-weiss, dunkel-hell mit allen Zwischen-
stufen in Ehren, — was hilfts, wenn chaotisches
Licht darauf fällt. Hier heisst es: Bilder sieht
man nur im Dunkeln, wie ja bekanntlich ja
auch die Sterne nur im Dunkeln leuchten und
wie es ja, zum Teufel, totenstill sein muss,
wenn man Beethovens Musik hören will.
Totenstill und grabesdunkel, das ist die Um-
gebung der Kunst in Zeit und Raum. Schauder
und Schauer und Schau. Jetzt hat man mich
verstanden.
* ❖
Alles andere, was Brauns Lichtbilder noch
interessant macht, ist von mehr weltlicher Art.
Da das eingebaute Licht nach Belieben (ab-
gesehen von technischen Möglichkeiten und
Schwierigkeiten) gesetzt werden kann, da seine
Ein- und Ausschaltungen nur technischer Art

sind, so kann der Konstrukteur-Künstler durch
wechselnde, also verschiedenartige Beleuchtung
der Teile in einer Konstruktion mehrere Kunst-
werke erstehen lassen. Es ist eine Sache des Be-
liebens und der Technik, und vielleicht eines prak-
tischen Bedürfnisses. Nur ist bei dem Stadium,
in dem sich Brauns Wechselbilder zur Zeit be-
finden, das Wesentliche nicht im Wechsel zu
erblicken. Diesem Wechsel selbst, dem ein-
maligen, kann noch keine künstlerische Be-
deutung zukommen. Erst eine grössere Reihe
von Lichtwechseln kann zu einem Licht-
Schattenspiel besonderer Art führen. Denn in
diesem Spiel wäre das Licht von eben solcher
positiver Bedeutung, wie im alten Schatten-
spiel eben nur der Schatten von Bedeutung
war, da das Licht das Nichts war, auf
dem der Schatten sichtbar wurde. Bei Brauns
Bildern ist der Wechsel des Lichts und des
Schattens zunächst also nur ein technisches
Moment. Der Uebergang selbst, der eimalige,
kann keinen Rhythmus erzeugen, so wenig
wie ein einziges Intervall eine Melodie er-
zeugt. Wie aber in dem Intervall der Melos
liegt, das Grundelement der Melodie, der
rhythmisierten Töne, so liegt auch in Brauns
einmaligem Wechsel das Grundelement eines
rhythmischen Lichtwechsels, der zum Licht-
Bewegungsspiel führen kann. Voraussetzung
ist freilich, dass der Wechsel so geschieht,
dass das folgende Bild, wie ein Akkord in der
Musik auf einen andern harmonisch, so auch
im Licht- und Schattenspiel organisch erfolgt.
Und das ist es auch, was den Lichtwechsel
in Brauns Bildern auszeichnet, obgleich es
ihm prinzipiell auf das einzelne Bild an sich
ankommt. Es sind nicht zwei x-beliebige
Bilder, sondern zwei organisch zusammen-
hängende. Das ist das Wesentliche seines
Lichtwechsels.

Was noch gesagt werden kann, ist die Erwäh-
nung einiger Konsequenzen. Es ist eine Frage
des Beliebens, ob man ein Kunstwerk in den
Dienst einer künstlerischen oder nichtkiinstle-

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