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Thausing, Moritz
Wiener Kunstbriefe — Leipzig: Seemann, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.47062#0035
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II.

Clara Heyne.
Eine Jugenderinnerung aus der Dresdener Gallerie.
enn man älter wird und hat der Genüge um
sich, und nichts mehr vor sich, was das Herz
reizen könnte, dann wendet sich die Erinnerung
gerne rückwärts in vergangene Zeiten und irrt am
liebsten bis hinauf zu den Anfängen dessen, was Einen
noch immer erfüllt. In der Studirstube, auf einsamen
Spaziergängen, in schlaflosen Nächten, steigen Bilder
vor Einem auf, an denen man einst mit Sehnsucht ge-
hangen. Es ist eine Wohllust, sie wieder zu ihrem alten
Glanze in der Seele aufzufrischen. Alles, was uns die
langen Jahre her von ihnen trennte und uns bewegte,
scheint dann augenblicks wie ein gleichgiltiger Tand zu
verblassen. So erscheint mir nun zuweilen, lebhafter
denn je, das Bild einer lange schon Verstorbenen, an
deren Hand ich meine allerersten kunstgeschichtlichen
Studien gemacht habe — eine eigenthümlichere Lehr-
zeit hat es wohl kaum jemals gegeben.
Wer misst nicht gerne in schwachen Augenblicken
sein Schicksal an dem der grossen Männer, der Muster-
menschen, zu denen man sonst nur andächtig empor-
blickt! Ich möchte diese Art auch gar nicht tadeln,
 
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