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Thausing, Moritz
Wiener Kunstbriefe — Leipzig: Seemann, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.47062#0174
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XI.

Phylloxera renovatrix.

eit einiger Zeit befindet sich unser alter Ste-
phansthurm in einer unheimlichen Aufregung.
Bei Tage merkt man ihm freilich nichts an.
Steif und strack steht er da wie ein aufgerichteter
Riesenleichnam vergangener Jahrhunderte und rührt
sich nicht; aber er ist nicht todt, er schläft nur, er
will eben das kleine moderne Treiben um ihn her


nicht mehr mit ansehen; er träumt lieber von den
Heldenthaten, die er in seiner Jugend geschaut, und
von den Zeiten, in denen man ihn noch nicht für so
bocksteif, überflüssig und wehrlos hielt, dass er sich
Alles hätte gefallen lassen müssen; von den Zeiten,
da er als Luginsland noch weit und breit gefürchtet
dastand, ja, wo man ihm sogar segenbringende Ge-
schäftigkeit nachrühmte, wenn zum Beispiele die
Wiener Studenten ihn in Bierg’stanzeln feierten, wie:
Der Rheinstrom ist in’s Wasser g’falln,
Die Donau ist verbrennt,
Da ist der lange Stephansthurm
Mit Stroh zum Löschen g’rennt.
Schenkt mir mal was Bayrisch ein,
Bayrisch woll’n wir lustig sein!
Trara! Trara! etc.
 
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