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Thausing, Moritz
Wiener Kunstbriefe — Leipzig: Seemann, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.47062#0172
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158 Zur Fälschung alter Kunstwerke.
diesem Zwecke ist es aber unumgänglich nothwendig,
dass die prätentiöse Ignoranz, die freilich nur noch in
einigen wenigen Hauptstädten Europas an der Spitze öf-
fentlicher Kunstsammlungen, namentlich der Gemälde-
galerien steht, endlich abgethan werde und einer wis-
senschaftlichen Leitung Platz mache. Sonst büsst es
das Publikum, welches der berufenen Rathgeber ent-
behrt, es büsst es endlich der Staat selbst, nicht blos
dadurch, dass werthloser Schund und gefälschte Waare
für seine Sammlungen eingeheimst wird, sondern mehr
noch dadurch, dass auch die werthvollsten Originale
des alten Besitzes vernachlässigt, misshandelt, zu Tode
restaurirt oder gar vertrödelt werden. Hier sei es
mir jedoch gestattet, die einschlägigen Beispiele zu
verschweigen.
Wo aber die Kunsthistoriker systematisch von
der Verwaltung und somit vom Studium der öffent-
lichen Kunstsammlungen ferngehalten werden, da be-
findet sich unsere ohnedies schwierige Wissenschaft
in einer dreimal üblen Lage. Wir haben keine ge-
lehrigeren Schüler als die Fälscher. Sie zuerst be-
mächtigen sich unserer Entdeckungen und der Resul-
tate unserer Kritik und ziehen Nutzen daraus, bevor
das Publikum noch davon Notiz genommen hat. Es
besteht ein förmlicher Wettlauf zwischen Kunstforschung
und Kunstfälschung, bei welchem die dreiste Fälschung,
durch äussere Mittel unterstützt und durch Gewinn-
sucht angespornt, der zaudernden Erkenntniss immer
um eine Pferdelänge voraus ist. Es ist keine Aussicht
vorhanden, dass es damit besser wird, zumal die
Kunsthistoriker in dem Kampfe um Echtheit und
Wahrheit Sonne und Wind gegen sich haben. Unsere
Pflicht bleibt es dennoch, weiter zu kämpfen, die Be-
drohten zu warnen und den parasitischen Gegner scharf
 
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