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Weinbrenner, Friedrich
Architektonisches Lehrbuch (Band 3): Über die höhere Baukunst — Tübingen, 1819

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https://doi.org/10.11588/diglit.6994#0014

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die das höchste Ideal von weiblicher Schönheit, Weisheit und Hoheit in Formen in sich begreifen.

u. s. w.

§. 10. Was Her von der plastischen Abbildung der menschlichen Natur bemerkt ist, deren Schön-
heit wir nach der innern Zweckmässigkeit, oder nach den Begriffen von Hoheit, Kraft, Anmuth, Zier-
lichkeit, etc. etc. bemessen, gilt auch von der Abbildung der übrigen Organismen, so wie von den
Pflanzen, Landschaften oder Gegenständen, die den menschlichen Bedürfnissen dienen, wie Gerätschaf-
ten, Gebäude etc. etc.

§.11. So wie der Mahler und Bildhauer für seine Arbeiten auf das Studium der Natur zu verwei-
sen, und für die Schönheit seiner Werke, das Ideal oder vielmehr das Maximum von vollkommener Form
seiner Gegenstände aus der lebenden oder leblosen Natur abzunehmen und zu gewinnen suchen muss,
so ist dem Architekten das Schöne weit schwieriger ausfindig zu machen , indem er keine Abbilder für
seine Objekte findet, und er die Formen einzig, theils aus den mannichfaltigen menschlichen Bedürfnissen,
theils aus Ideen, wie sie der schöpferische Geist hervorbringt und combinirt, zu bilden hat.

In diesem Betracht sind die schönen Formen in der Baukunst, und was damit in Beziehung steht,
weit beschränkter und schwieriger zu ersinnen, als in den übrigen bildenden Künsten, weil dort, wtnn
sich die Objekte nicht schon an einen vorher bekannten Gegenstand anreihen, die Form erst erfunden,
oder gleichsam aus Nichts geschaffen werden muss.

§. 12. Es gibt somit eine Schönheit der Natur und eine Schönheit der Kunst. Das Naturschöne
eopiren, heisst noch nicht im höchsten Sinne des Wortes Künstler seyn, und es ist dazu ein blos me-
chanisches Talent erforderlich. Das Kunstschöne beruht auf einer Idee, und darum muss der ächte und
rechte Künstler neben dem Talent für technische Ausführung jene geniale Kraft besitzen, welche frei im
Relche der Formen waltet, und sie hervorzubringen und zu beleben weiss. Flienach ist denn auch das

Verdienst des Künstlers und seiner Produktionen zu bemessen, und dieses kann nur gering angeschlagen
werden V> *

' eim trocknen Naturcopisten, wohin so manche Blumen-Mahler, Portraitisten, Landschafter etc.
zu ne sind. Weit höher steht aber der Künstler, welcher zwar auch die sichtbare Natur nachbildet,

sie aber mit dichterischem Sinne aufzufassen und in ihrer höheren Bedeutsamkeit darzustellen weiss, wie
z. B. Raphael, Poussin, Qaüde _ ^ ^

§. i3. Die, welche in der Kunst alle Gegenstände gleichgültig nennen, und denen es unerheblich
scheint, ob ein Kunstwerk blos das Auge oder auch das Gemüth anspreche, müssen nothwendig dem Mecha-
nisten, oder der technischen Vollendung, den höchsten Werth zuerkennen, und die niederländische
 
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