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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Schnütgen, Alexander: Die beiden altkölnischen Wandschreinthüren in St. Kunibert zu Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0012

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Abhandlungen.

Die beiden altkölnischen Wandschrein-
thüren in St. Kunibert zu Köln.

Mit Lichtdruck (Tafel I).

luf dem Chore der St. Kuniberts-
; kirche zu Köln befindet sich
an der Evangelienseite ein ver-
gitterter Wandschrank (1,52 m
| hoch, 1,18 m breit, 0,45 m tief),

^ der jetzt mehrere gothische
j, Reliquiare enthält, zumeist be-
malte Holzbüsten, kleinere und
gröfsere, wie sie sich, Erzeug-
nisse des XIV. und XV. Jahrh., in Köln so
zahlreich erhalten haben. Dafs dieser Wand-
schrein, dessen Holzfutter ein sehr schönes
schablonirtes Rosettenmuster, Blau und Gold
auf rothem Grunde, als ursprüngliche Aus-
stattung schmückt, von Anfang an die Be-
stimmung hatte, Reliquien zu bergen, beweisen
die beiden für ihn angefertigten (in dem Ver-
zeichnisse Bd. VIII, Jahrg. 330 dieser Zeitschrift
erwähnten) Holzthüren, auf denen die durch
Unterschrift bezeichneten Standfiguren der
Heiligen Kunibert, Ewald alb., Ewald niger
Nikolaus, Maria Magdalena, Georg, sowie
Clemens, Helena, Antonius, Katharina, Barbara,
Cäcilia dargestellt sind. Gerade von diesen
Heiligen besitzt die Kirche von Alters her
bedeutende Reliquien, nämlich von St. Kunibert
und den beiden Ewaldi die ganzen Körper,
vom hl. Nikolaus und Georg einen Arm, von
Maria Magdalena Zahn und Haare, vom hl.
Clemens einen Arm, von der hl. Helena eine
berühmte, auch in der über dem Schreine be-
findlichen runden Nische dargestellte Kreuz-
partikel, vom hl. Antonius Erem. den Bart,
von St. Katharina, Barbara, Cäcilia Gebeine,
und es kann keinem Zweifel unterliegen, dafs
sie alle an dieser bevorzugten Stelle aufbewahrt
und verehrt wurden, ausgezeichnet durch die
beiden Thüren, deren Aufsenseiten vor Jahren
mit einer unbemalten Eichenholzverschalung
versehen, deren Innenseiten aber mit den auf
der nebenstehenden Lichtdrucktafel abgebildeten
Figuren bemalt sind. Diese weisen auf einen
tüchtigen Schüler des Meister Hermann Wynrich,

auf das zweite Jahrzehnt des XV. Jahrh. hin und
verdienen wegen ihrer edlen Haltung, gefälligen
Drapirung, zarten Behandlung, feinen Aus-
führung, meisterhaften Färbung, in der die
Lasurtöne vorwiegen, endlich wegen ihrer aufser-
gewöhnlich guten Erhaltung ganz besondere
Beachtung, namentlich auch von Seiten der
Künstler (Wand-, Tafel-, Glas-, Miniaturenmaler,
Polychromeure), denen sie als Vorbilder für
die architektonische Eintheilung, stilistische
Zeichnung, technische beziehungsweise kolo-
ristische Behandlung auf's beste zu em-
pfehlen sind.

Die Farben sind auf dem die Tafeln ganz
bedeckenden Goldgrund aufgetragen, dessen
Glanz im Uebrigen durch sehr fein gezeichnete
und zart ausgeführte Punzirornamente gemildert
ist, von denen auch in den Gewändern keine
vergoldete Parthie unberührt geblieben, wie das
Rationale des hl. Kunibert, die verschiedenen
Paruren und die Untergewänder der hl. Jung-
frauen, deren rother beziehungsweise blauer
Lasurton durch die eingepunzten Goldminuskeln
ihrer Namenszüge eine sehr vornehme Wirkung
erhält. Die Architektur, deren strenge Durch-
führung die Figuren in ihrer feierlichen Haltung
um so mehr zur Geltung bringt, ist durch
schwarze Linien in ächter Flächenbehandlung
aufgetragen, und die abwechselnd grün und roth
lasirten Arkaturen über den Baldachinen steigern
die koloristische Wirkung in den oberen, wie
die dunkle Vegetation, aus der vereinzelte
Kräuter in den Goldgrund hineinragen, in den
unteren Parthien. — Die Figuren sind schlank
und trotzdem sehr maafsvoll in der Ausbiegung,
die Obergewänder, namentlich die Kasein von
vollendeter Harmonie in der Drapirung. Die
Köpfe sind anmuthig, aber etwas schematisch,
die Hände noch recht ungeschickt, zumal wo
sie die Innenseiten zeigen. Die zart gewählten
Lasurtöne, die beim hl. Nikolaus sogar durch
die Hand den Bischofsstab durchschimmern
lassen, verbreiten über diese Bilder eine der-
artige Farbenharmonie und einen so schmelzen-
den Duft, dafs sie das Auge in hohem Maafse
befriedigen und höhere FLmpfindungen wecken.

S c h n U t g e n.
 
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