233
1896. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.
234
Die Kathedrale von Granada und ihr Baumeister.
(Schlufs.)
II. Fortgang und Abschlufs des Baues.
iego de Siloe hat dem Baue ein
volles Menschenalter lang vorge-
standen und noch die Vollendung
I der Capilla mayor, seines Meister-
werks, erlebt. Während dieser Jahre hat er
viele talentvolle Schüler und einen Nachfolger
gebildet, und der Plastik und Baudekoration
Granadas seinen Stempel aufgedrückt.
Oben an dem Triumphbogen steht auf
einer Tafel ANNO IJJ2: das Jahr seiner Ein-
wölbung. Sieben Jahre später war die Kuppel
geschlossen: am 17. August 1560 begann
unter ihrem Riesenbaldachin der Altardienst.
Sonst rühren noch von Siloe her: die Mauern
und Portale der Nordseite und deren Kapellen,
die Grundmauern des Thurmes und der an-
stofsenden Theile der Fassade. Südwärts lehnte
sich das Langhaus an die Capilla Real und
die Moschee. Danach wird der untere Raum
der Kirche seit Mitte des Jahrhunderts in
Gebrauch gewesen sein. Dagegen hat es mit
der Fertigstellung der Hochtheile noch andert-
halb Jahrhunderte gedauert. Im Scheitel des
südlichen Querschiffs steht 1614, in dem des
nördlichen 1637. Ja die Pfeiler und Gewölbe
des Langhauses sind erst Ende dieses Jahrhun-
derts errichtet und geschlossen worden, zuletzt
die Vierung, nachdem die anfangs versuchte
kleine Kuppel mifslungen war. Die von Alonso
Cano entworfene Fassade verräth in ihren ele-
ganten Reliefs französischen Ursprungs diese
letzte Zeit; ihre drei mächtigen Blendbogen
sollten nach dem ursprünglichen Plan Siloe's
in drei und vier Geschosse getheilt und mit
Säulen verziert werden. Der wenigst glückliche
Italianismus Siloe's war die isolirte seitliche
Stellung des Glockenthurmes (dem übrigens
ein Pendant bestimmt war), ganz im Wider-
spruch mit dem spanischen Geschmack, der
auch in den modernen Jahrhunderten, und ge-
rade hier in den verwandten und benachbarten
Kathedralen von Malaga und Jaen, die Ver-
schmelzung des Thurmpaares mit der Fassade
beibehielt.
Aber diese lange Baugeschichte zu verfolgen,
würde deutschen Lesern die Geduld fehlen,
obwohl manche auch sonst bekannte Namen,
wie der Alonso Cano's, hier vorkommen; einiges
jedoch aus den Tagen des ersten Baumeisters
möge hier noch Platz finden.
Bei den bekannten Gepflogenheiten spani-
scher Finanzwirthschaft, bot ein Riesenbau wie
dieser Schwierigkeiten, die man anderwärts
nicht so kennt. Manche wunderliche Geschichten
haben die alten Papiere verrathen. Gerade als
man zur Einwölbung der Kuppel schreiten
wollte, war Ebbe in der Kasse, und man ent-
schlofs sich, bei dem Kapitel von Toledo eine
Anleihe von 9—10000 Dukaten aufzunehmen;
dabei hat der Baumeister mit allem was er an
Baarem und hypothekirbaren Immobilien besafs,
Bürgschaft leisten müssen. Ein andermal machten
die Arbeiter (Oktober 1553) einen Ausstand;
der alte Meister trat auf ihre Seite, weil sie
wirklich bei den gestiegenen Preisen von dem
bisherigen Lohn nicht mehr leben konnten.
Das Kapitel, aufgebracht über die Nichtachtung
seiner Autorität, suspendirte die Arbeit und
verbot dem Baumeister den Verkehr mit seinen
Leuten, nur mit den Rissen dürfe er sich be-
schäftigen. Dieser Strike währte indefs nur
vier Tage.
Dagegen hatte man bereits im ersten Jahr-
zehnt, als die Mauern sich kaum bis zum ersten
Gesims erhoben haben konnten, an der Nord-
seite des Langhauses und Querschiffs zwei über-
aus reiche Portalbauten aufgerichtet: das des
hl. Hieronymus (an dem ein Täfelchen die
Zahl 1532, ein anderes auf dem oberen, viel
später zugesetzten Theil, 1639 trägt); und die
puerta del perdon (1537) (s. Abbildg. 5). Dazu
kommt noch die aus der letzten Kapelle des
Umgangs rechts in die Sakristei führende
Thür (1534).
Die puerta del perdon liegt dem gothischen
Prachtportal der Capilla Real gerade gegenüber:
der Baumeister mufste zeigen, dafs die obra al
rotnatio es auch, was virtuoses Spiel mit dem
harten Stoff und malerischen Reiz betrifft, mit
der entthronten Gothik aufnehmen könne. Der
Aufbau dieser Pforte erinnert auffallend an das
Südportal an Karl V. Palast auf der Alhambra,
das der Genueser Niccolö da Corte seit 1537
in edlem lombardischen Stil ausführte; augen-
scheinlich wollte Siloe dessen für andalu-
sischen Geschmack vielleicht etwas strenge
Enthaltsamkeit im Ornamentalen durch seine
1896. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.
234
Die Kathedrale von Granada und ihr Baumeister.
(Schlufs.)
II. Fortgang und Abschlufs des Baues.
iego de Siloe hat dem Baue ein
volles Menschenalter lang vorge-
standen und noch die Vollendung
I der Capilla mayor, seines Meister-
werks, erlebt. Während dieser Jahre hat er
viele talentvolle Schüler und einen Nachfolger
gebildet, und der Plastik und Baudekoration
Granadas seinen Stempel aufgedrückt.
Oben an dem Triumphbogen steht auf
einer Tafel ANNO IJJ2: das Jahr seiner Ein-
wölbung. Sieben Jahre später war die Kuppel
geschlossen: am 17. August 1560 begann
unter ihrem Riesenbaldachin der Altardienst.
Sonst rühren noch von Siloe her: die Mauern
und Portale der Nordseite und deren Kapellen,
die Grundmauern des Thurmes und der an-
stofsenden Theile der Fassade. Südwärts lehnte
sich das Langhaus an die Capilla Real und
die Moschee. Danach wird der untere Raum
der Kirche seit Mitte des Jahrhunderts in
Gebrauch gewesen sein. Dagegen hat es mit
der Fertigstellung der Hochtheile noch andert-
halb Jahrhunderte gedauert. Im Scheitel des
südlichen Querschiffs steht 1614, in dem des
nördlichen 1637. Ja die Pfeiler und Gewölbe
des Langhauses sind erst Ende dieses Jahrhun-
derts errichtet und geschlossen worden, zuletzt
die Vierung, nachdem die anfangs versuchte
kleine Kuppel mifslungen war. Die von Alonso
Cano entworfene Fassade verräth in ihren ele-
ganten Reliefs französischen Ursprungs diese
letzte Zeit; ihre drei mächtigen Blendbogen
sollten nach dem ursprünglichen Plan Siloe's
in drei und vier Geschosse getheilt und mit
Säulen verziert werden. Der wenigst glückliche
Italianismus Siloe's war die isolirte seitliche
Stellung des Glockenthurmes (dem übrigens
ein Pendant bestimmt war), ganz im Wider-
spruch mit dem spanischen Geschmack, der
auch in den modernen Jahrhunderten, und ge-
rade hier in den verwandten und benachbarten
Kathedralen von Malaga und Jaen, die Ver-
schmelzung des Thurmpaares mit der Fassade
beibehielt.
Aber diese lange Baugeschichte zu verfolgen,
würde deutschen Lesern die Geduld fehlen,
obwohl manche auch sonst bekannte Namen,
wie der Alonso Cano's, hier vorkommen; einiges
jedoch aus den Tagen des ersten Baumeisters
möge hier noch Platz finden.
Bei den bekannten Gepflogenheiten spani-
scher Finanzwirthschaft, bot ein Riesenbau wie
dieser Schwierigkeiten, die man anderwärts
nicht so kennt. Manche wunderliche Geschichten
haben die alten Papiere verrathen. Gerade als
man zur Einwölbung der Kuppel schreiten
wollte, war Ebbe in der Kasse, und man ent-
schlofs sich, bei dem Kapitel von Toledo eine
Anleihe von 9—10000 Dukaten aufzunehmen;
dabei hat der Baumeister mit allem was er an
Baarem und hypothekirbaren Immobilien besafs,
Bürgschaft leisten müssen. Ein andermal machten
die Arbeiter (Oktober 1553) einen Ausstand;
der alte Meister trat auf ihre Seite, weil sie
wirklich bei den gestiegenen Preisen von dem
bisherigen Lohn nicht mehr leben konnten.
Das Kapitel, aufgebracht über die Nichtachtung
seiner Autorität, suspendirte die Arbeit und
verbot dem Baumeister den Verkehr mit seinen
Leuten, nur mit den Rissen dürfe er sich be-
schäftigen. Dieser Strike währte indefs nur
vier Tage.
Dagegen hatte man bereits im ersten Jahr-
zehnt, als die Mauern sich kaum bis zum ersten
Gesims erhoben haben konnten, an der Nord-
seite des Langhauses und Querschiffs zwei über-
aus reiche Portalbauten aufgerichtet: das des
hl. Hieronymus (an dem ein Täfelchen die
Zahl 1532, ein anderes auf dem oberen, viel
später zugesetzten Theil, 1639 trägt); und die
puerta del perdon (1537) (s. Abbildg. 5). Dazu
kommt noch die aus der letzten Kapelle des
Umgangs rechts in die Sakristei führende
Thür (1534).
Die puerta del perdon liegt dem gothischen
Prachtportal der Capilla Real gerade gegenüber:
der Baumeister mufste zeigen, dafs die obra al
rotnatio es auch, was virtuoses Spiel mit dem
harten Stoff und malerischen Reiz betrifft, mit
der entthronten Gothik aufnehmen könne. Der
Aufbau dieser Pforte erinnert auffallend an das
Südportal an Karl V. Palast auf der Alhambra,
das der Genueser Niccolö da Corte seit 1537
in edlem lombardischen Stil ausführte; augen-
scheinlich wollte Siloe dessen für andalu-
sischen Geschmack vielleicht etwas strenge
Enthaltsamkeit im Ornamentalen durch seine