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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Prill, Joseph: Erhaltung und Erweiterung alter Kirchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0024

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1896. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTUCHE KUNST — Nr. 1.

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bis vor einigen Jahrzehnten dem Bedürfnisse
leidlich genügte. Seitdem aber in neuester
Zeit der Gewerbefleifs dem Städtchen und da-
mit der Pfarrgemeinde eine gröfsere Ausdeh-
nung gegeben, ist die Herstellung einer
grüfseren Kirche ein unabweisbares Bedürfnifs
geworden. Durch eine Theilung der Gemeinde,
die übrigens sich unter den gegenwärtigen
Verhältnissen nicht empfehlen würde und sicher
auf lange Jahre hinaus noch nicht nothwendig
ist, würde die Schwierigkeit nicht gelöst, denn
auch für die Hälfte der Gemeinde ist die
Kirche zu klein. Man könnte nun daran
denken, eine ganz neue grofse Kirche für die
Pfarre an einer anderen Stelle mehr im Mittel-
punkte der Stadt zu errichten — die Stadt
hat sich nämlich vornehmlich nach einer
Seite hinaus ausgedehnt — indessen dürfte
auch das eine in mancher Hinsicht wenig
glückliche Lösung sein. Was soll aus der alten
Kirche werden? Soll sie verfallen? Und dann:
wozu die ungeheuren Kosten, welche der An-
kauf neuer Grundstücke für Kirche und Pfarr-
wohnungen verursachen, wenn damit für die
Kirchenbesucher doch nur ein paar Minuten
gewonnen sind? Wozu der Bau einer ganzen
Kirche mit grofsem Thurm, wenn ein Anbau
an die alte Kirche mit ihrem Thurm genügt?
Es ist ein grofser Unterschied, ob ich z. B.
einen Raum von 600 qm anbaue, oder ob ich
800 qm baue und aufserdem noch einen
Thurm. Vom finanziellen Standpunkte aus
würde es sich also am ehesten empfehlen, zu
erhalten, was erhalten werden kann, und hin-
zuzufügen, soviel nöthig ist. — Am entschie-
densten sprechen aber hierfür Gründe der
Pietät und Kunst. Auf die ersteren will ich,
obschon sie mir als die am meisten durch-
schlagenden erscheinen, nicht näher eingehen;
die letzteren-aber mufs ich hervorheben. Wenn
nämlich die Kirche auch nicht zu den her-
vorragenden Kunstwerken im Rheinlande
gehört, so besitzt sie doch immerhin einen
nicht unbedeutenden künstlerischen Werth;
und ein ganz besonderes Interesse bietet sie
deshalb, weil man mit einem Blicke eine
ganze Geschichte aus ihr herauslesen kann.
Das Bauwerk wie es jetzt dasteht, ist näm-
lich erst im Laufe von Jahrhunderten so ge-
worden, und sein Kern reicht in's IX. Jahrh.
hinauf. Im Jahre 870 wird Euskirchen (Augs-
kirchen) unter den Ortschaften genannt, die

Ludwig der Deutsche bei der Theilung Lotha-
ringens, bei der ihm bekanntlich das Rhein-
land zufiel, erhielt. Dafs damals hier eine
Kirche bestanden habe, ist aus mehreren Grün-
den als sicher anzunehmen, wenn man auch
nicht aus dem Namen schliefsen will, dafs die
Ortschaft erst um die Kirche herum entstan-
den sei. Diese Kirche des IX. Jahrh. nun
sehe ich in dem jetzigen Mittelschiff, welches
bei 5V2 ni lichter Weite eine Mauerstärke von
beinahe 2 m aufweist (siehe den Grundriß
Fig. 7). Offenbar sind diese Mauern, welche
später erst zu den Seitenschiffen hin weit
durchbrochen wurden, viel älter als die oberen
Theile der Mittelschiffsmauer, welche aus der
Zeit des romanischen Stils, wahrscheinlich aus
dem XII. Jahrh. stammen. Diese oberen
Mauertheile haben eine viel geringere Dicke
als der Unterbau und ziehen sich im Innern
bedeutend hinter der Flucht desselben zurück,
während sie dieselbe im Aeufsern nach oben
fortsetzen. — Im XIII. Jahrh. wurde Eus-
kirchen Stadt, um 1300 hatte es Ringmauern,
und diese Zeit der Entwickelung brachte auch
die Nothwendigkeit einer Erweiterung der da-
mals schon durch ihr Alter ehrwürdigen Pfarr-
kirche. Der ausgebildeten Gothik gehört das
geräumige Chor an, welches im Aeufsern die
Flucht der alten Kirchenmauern fortsetzt, im
Innern aber bedeutend breiter sein konnte.
Es ist, wie auch das derselben Zeit entstam-
mende Seitenchörchen, mit einfachen Rippen-
gewölben überdeckt. Nun entstanden auch die
Seitenschiffe; ihre Netzgewölbe und ein Theil
der Mafswerke weisen auf die ersten Zeiten
der Spätgothik hin. Auch die flache Decke
des Mittellschiffes mußte einem Netzgewölbe
weichen. Dieser Zeit gehört auch der mäch-
tige Thurm an, dessen Helm übermäfsig hoch
ist, aber in diesem seinem kühnen Aufstreben
als ein Ausdruck des stolzen Selbstbcwufstseins
von Euskirchens Bürgern erscheint. Der Thurm
ist bis zum Knauf 70 m hoch, während die
Gesammtlänge der Kirche einschlicfslich des
Thurmes nur 41 tu beträgt. — Von der Aus-
stattung der Kirche seien noch erwähnt: der
altromanische Taufstein, ein Flügelaltar und
das ungemein zierliche spätgothische Sakra-
mentshäuschen im Chor. — Es mufs ferner
noch erwähnt werden, dafs, wie so häufig im
Mittelalter, nahe bei der Kirche die Ringmauer
sich hinzog, Reste derselben stehen noch nörd-
 
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