Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

DOI Artikel:
Schnütgen, Alexander: Altkölnisches Verkündigungsbild im Wallraf-Richartz-Museum
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0032

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Abhandlungen.

Altkölnisches Verkündigungsbild im
Wallraf- Richartz - Museum.

Mil Lichtdruck (Tafel II).

ange haben die altkölnischen Ma-
ler, unter Verzicht auf den von
den flandrischen Meistern ein-
2!& geführten landschaft-
lichen Hintergrund, an
dem Goldfond und
denlnnendarstellungen
festgehalten, und ge-
rade den letzteren ver-
danken wir die schätz-
barsten Beiträge zur mittelalterlichen Zimmer-
ausstattung. Die Verkündigungsszene zeichnet
sich durch einen besonderen Reichthum an
bezüglichen Motiven aus, und für Wandbeklei-
dung und Bodenbelag, für Möbel und Vor-
hänge, für Stickereien und Bucheinbände, für
Vasen, Leuchter und manches Andere gibt es
kaum eine dankbarere Fundstätte, als diese be-
reits in der altchristlichen Periode, namentlich
aber im Mittelalter sehr beliebte Darstellung.
Auch die auf dem nebenstehenden Lichtdrucke
vortrefflich reproduzirten 0,48 m hohen, 0,36 m
breiten, mit 27 und 28 bezeichneten Tafeln
des Kölner Museums, welche auf einen tüch-
tigen Schüler von Hermann Wynrich zurück-
zuführen sind (vgl. diese Zeitschrift Bd. VIII,
Sp. 333), verdienen wie in anderer, so in dieser
Hinsicht Beachtung. Die Sitzbank und der von
einem Baldachin bekrönte Betschemel, vor
denen die hl. Jungfrau kniet, sind in einfachen
Formen mehr dekorativ, aber doch recht cha-
rakteristisch für die kölnische Möbelbehandlung
wiedergegeben, und was in ihnen als malerisch
wirkende Beigabe untergebracht ist, erscheint
der Wirklichkeit so treu nachgebildet, dafs es
dafür als unmittelbare Vorlage verwendbar ist.
Die beiden röthlichen Kissen, zu denen es an
Original-Parallelen nicht fehlt, sind mit weifs-
lichen Rankenzügen bestickt, deren Mittelpunkt
ein in bildet und als eine in Quadrate einge-
theilte, abwechselnd mit Vierpässen und Schraf-
firungen verzierte, von Fransen eingefafste
Leinenstickerei, weifses Muster auf grauem
Grund, gibt sich die Decke des Betpultes

zu erkennen. Den Hintergrund bildet ein
Teppich mit dem in reihenförmiger Anord-
nung sich wiederholenden Monogramm, wel-
ches zu den allerbeliebtesten Ornamenten der
gothischen Periode gehört. Auf einem aus
röthlichen und graulichen Marmorplättchen
zusammengesetzten Fliesenboden erscheint der
Engel, auf einem Gratwerk- (opus spicatum),
Belag, die hl. Jungfrau, und alle diese Einzel-
heiten vereinigen sich ornamental wie kolo-
ristisch zu einem überaus harmonischen Effekt.
Zu diesem wirkt namentlich auch die farbige
Behandlung der Kostüme mit, der die zarten
und duftigen Töne der altkölnischen Schule
mit ihren weich vertriebenen Lichtern eine
besondere Anmuth verleihen, ganz entspre-
chend der Haltung und dem Ausdrucke der
Figuren. Die milchweifse Tunika des Erz-
engels wird durch den grünlichen Mantel mit
seinem mehrfach sehr geschickt hervortretenden
röthlichen Futterumschlag zumeist verdeckt und
die lichtblauen Flügel mit den goldenen Pfauen-
federn bilden treffliche Gegensätze. Ebenso
glücklich kontrastiren das violette Kleid und
der bläuliche Ueberwurf der Gottesmutter, die
mit demüthig über der Brust gekreuzten Hän-
den knieend den Worten des Gottesboten lauscht,
der selber eine halb knieende, halb schreitende
Haltung einnimmt, auf seinem Spruchband
den himmlischen Griffs zeigend, durch zarte
Hand- und andachtsvolle Kopfbewegung ihn
begleitend. Diese beiderseitige Konstellation ist
bekanntlich im XV. Jahrh. die vorherrschende,
im Unterschiede von den früheren Jahrhunder-
ten, welche, dogmatisch korrekter, die Gottes-
mutter anfänglich sitzend, dann stehend, dann
sich erhebend, auch den Gottgesandten anfangs
in völlig aufrechter Geberde, erst in der neueren
Zeit fliegend darstellt. Dem frommen Gemüthe
sagt die spätgothische Auffassung am meisten
zu, und wenn zu ihr die anmuthsvollen Be-
wegungen, der harmonische Faltenwurf, die
innige Empfindung, die ganze weihevolle Stim-
mung hinzukommt, welche die altkölnischen
Meister vor fast allen anderen auszeichnet, dann
erscheint der überirdische Eindruck erreicht,
der den eigentlichsten Zweck der religiösen
Kunstwerke bildet. SchnUtgen.
 
Annotationen