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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Rincklake, Wilhelm: Die neue Pfarrkirche zu Wadersloh in Westfalen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0074

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103

1896.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

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punkte des Chorabschlusses mit sich brachte,
war der, dafs jetzt die Kirche äufserlich als
ein Einziges, als ein Ganzes hervortritt, was
bei weitem nicht so der Fall wäre, wenn die
Seitenschiffe für sich besondere Bedachungen,
sei es in Giebel- oder in Erkerdächern, erhalten
hätten, die nebenbei bemerkt, durch die vielen
Kehlen und Winkel viele Schnecken, und so
Nachtheile für die Instandhaltung des Daches
bilden. Es war indels ferner nöthig, dafs das
Dach vom Thurm bis zum Mittelpunkt des
Chores in der Firstlinie durchgeführt wurde,
weil das Veihältnifs der Länge zur Höhe der
Kirche äufserlich ganz bedeutend gelitten hätte,
wenn das Dach schon früher, etwa zu Anfang
des Chores, durch einen Giebel aufgefangen wäre.

Vielfach wird gegen die einfache, schlichte
Dachanlage die Einrede gemacht, es müfsten
sich die einzelnen Schiffe der Kirche auch
äufserlich aussprechen, und in ihrer Anlage
äufserlich klar zum Ausdruck kommen. Der
hier gefafste ästhetische Standpunkt ist indefs
ein sehr einseitiger, indem erstlich durch die
Anordnung der Erker- oder Giebeldächer die
Weite des Mittelschiffes wohl geahnt werden
kann, aber äufserlich nicht bestimmt ausge-
sprochen ist, wie solches bei den Basiliken-
anlagen, bei welchen jedes Schiff ein Dach für
sich hat und die Mittelschiffsmauer frei aufge-
baut ist, der Fall ist. Sodann ist aber auch
bei den dreischiffigen Kirchen mit einem Dache, |
wie es hier in Wadersloh zur Ausführung ge-
kommen ist, die Anlage der drei Schiffe äufser-
lich nicht allein zu ahnen, sondern genau zu
verfolgen, indem sowohl die Westfront wie die
Chorentwickelung (vergl. Fig. 5 u. 7), die Breite
des Mittelschiffes fixirt, und sich auch in den
Kreuzschiffsgiebeln und Fenstern vollständig
klar ausspricht.

Die grofs überdeckten Kirchen bieten eine
viel mächtigere Gruppirung als die mit Erker-
dächern, aber dazu gehört auch eine mächtigere
Thurmentwickelung. Das Dach der Kirche
reicht hier höher, deshalb mufs auch das Mauer-
werk des Thurmes höher gezogen sein. Bei
dieser Thatsache würde vielleicht Mancher zu-
rückschrecken und höhere Kosten fürchten; die-
sem ist hier dadurch vorgebeugt, dafs der Thurm
in seinem ganzen Aufbau sehr schlicht gehalten
ist, ohne Beeinträchtigung der Gesammtwirkung,
was besonders die perspektivische Ansicht zeigt
(Fig. 8). Entsprechend dem Hauptthurme sind

auch die kleinen Chorthürmchen mit Absicht
einfach, schlicht gehalten, und zeigen nur in
der obersten Etage durch die Fensteranlagen
einige Ausbildung. Um so besser fällt dadurch
die untere schlichte Masse als Strebe für die
Chorapsis mit der leichten Fensteranlage in's
Gewicht. Mit Berücksichtigung des Umstandes,
dafs diese Thürmchen wichtige Streben für das
Gewölbe des Hauptchores wie der Seitenchöre
bilden, und zwei Seiten dieser Thürmchen
durch die Kirchenmauer nahezu gegeben sind,
fallen auch die Kosten dieser Thürmchen, so-
weit sie als Schmuck dastehen, nicht erheblich
in's Gewicht.

In den Hauptzügen ist hiermit die Anlage
der Kirche besprochen und soll noch auf einige
Einzelheiten und Eigenheiten des Planes hin-
gewiesen werden. Zunächst zeigt das Mittel-
schiff eine ungewöhnliche Breite im Vergleich
zu den Seitenschiffen, indem jenes beträchtlich
mehr als doppelt so breit ist, wie diese sind
(vergl. Fig. 1 und 2). Es fällt dadurch das
Hauptgewicht auf das Mittelschiff, dafs in dem
reichen, hohen, fünfseitig geschlossenen Chore
den Glanzpunkt für das Innere der Kirche bietet;
sodann bekam dadurch das Kreuzschiff die
nöthige Breite (vergl. Fig. 3), um auch äufser-
lich gegen das mächtige Dach des Langschiffes
zur genügenden Geltung zu kommen, und zu-
gleich wurde die Höhe des Chormauerwerkes
im Vergleich zur Höhe der Seitenmauern der
Kirche nicht gar zu grofs (vergl. Fig. 7), wie
es anders durch die Dachneigung gegeben ist.
Um die grofsen Gewölbekappen des Lang- und
Kreuzschiffes zu beleben, sind sie auch in den
Scheitellinien durch leichte Rippen getheilt.

Die Säulen des Langschiffes haben vier, die
der Vierung acht Dienstsäulchen und sind ent-
sprechend dicker als jene. Der Thurm ist, ab-
weichend von diesen Plänen, zur Kirche hin
auf reichgegliederte Pfeiler gestellt, so dafs eine
bessere Verbindung zwischen der Thurmhalle
und den anstofsenden Seitenschiffen besteht,
und der Anblick von der Kirche zum Thurm
bedeutend gewonnen hat (vergl. Fig. 2). Zur
reicheren Ausbildung der Wandpfeiler des Lang-
schiffes sind aufser den Dienst- noch Wandvor-
lagen gemauert, und im Chor sind aufser der
Wandvorlage jedesmal drei Dienste vorgelegt,
so dafs sich die Wand dort ganz pfeilerartig,
also in reicher Gliederung auflöst. Die Kapitäl-
höhe der Pfeiler beträgt 1272 >"•
 
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