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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Hampe, Theodor: Zwei mittelalterliche Dorsalien in der Kirche zu Kalchreuth
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https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0083

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121

1896.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

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den Jakob mit dem zubereiteten Gericht an das
Lager des blinden Isaak führt, der Saum der
Bettdecke eingefafst. Vor dem Bette steht ein
Schemel mit Krug, Glas und Broten. Kostüm-
lich interessant ist die doppelbauschige Mütze,
die hier Isaak trägt. Die vierte Szene, mit der
das erste und weitaus längste Stück des unteren
Streifens abschliefst, zeigt uns Esau, von der
Jagd heimgekehrt, mit seinem Gericht am Bette
des greisen Vaters.

Bei den beiden folgenden Stücken fehlt das
Rankengeflecht, das sonst überall den Grund
füllt. Dargestellt sind zwei Szenen aus der Ge-
schichte Samsons; das eine Mal, wie er durch
Füchse mit brennenden Schwänzen die Ernte
der Philister -- sie ist durch ein Aehrenfeld
angedeutet — einen Raub der Flammen werden
läfst (Judicum 15), dann, wie er den jungen
Löwen zerreifst (Judicum 14).

Das vierte Stück endlich, lediglich ein
Lückenbüfser, enthält nichts als einige Ranken-
ansätze, die aber deutlich zeigen, dafs auch die
Stickarbeiten dieses Streifens ehemals umfäng-
licher gewesen sind und vermuthlich noch mehr
Darstellungen aufzuweisen gehabt haben.

Die Unvollkommenheiten der technischen
Ausführung, Einzelheiten der Kostüme, bei
denen wir einigemale an die bekannte Jäger-
tracht aus den Zeiten Kaiser Maximilians er-
innert werden, dazu das Fehlen der Bestien
und andere untergeordnetere Momente lassen
uns die Entstehung dieses Streifens mit ziem-
licher Sicherheit in die siebziger bis neunziger
Jahre des XV. Jahrh. setzen. Mit dem oberen
Streifen vereinigt und dann mit diesem zu-
sammen auf einen Futterstoff" von grobem,
grauem Leinen aufgenäht wurde er jedoch wahr-
scheinlich erheblich später. Der einheitlich die
ganze Rückseite überziehende Futterstoff wenig-
stens scheint der zweiten Hälfte des XVI., wenn
nicht gar dem XVII. Jahrh. anzugehören.

Weder was das Alter noch was Technik
und Darstellung betrifft kann das zweite der
hier zu besprechenden Dorsalien das gleiche
Interesse erregen, wie die eben behandelte
Stickerei, wenn es auch an rein ästhetischer
Wirkung nur wenig hinter derselben zurück-
steht. Wir können uns daher bei seiner Be-
trachtung wesentlich kürzer fassen. Es ist eine
Wirkarbeit, die wir vor uns haben, in der be-
kannten ripsartigen, vielfach noch sogenannten

Gobelintechnik in Wolle ausgeführt, von 0,70 m
Höhe und 1,38 m Breite. Sie ziert heute die
Nordwand des Chores, hängt also der alten
Stickerei gerade gegenüber. Die Mitte des im
Ganzen gut erhaltenen Teppichs nimmt die
Jungfrau Maria mit dem Kinde auf dem Arme
ein. Sie ist als Himmelskönigin in der Glorie
auf einem mit Sternen und heraldischen Wolken
gemusterten, tiefblauen Grunde dargestellt. Die
Hauptkonturen sind mit breiten, schwarzen
Strichen in einer Weise umrissen, dafs man
unwillkürlich an ein Glasgemälde mit seinen
durch die Technik bedingten Bleiruthen ge-
mahnt wird, welchen Eindruck die Wirkerei
nach der Absicht ihres Verfertigers möglicher-
weise auch hervorrufen sollte. Zu beiden Seiten
der Mariendarstellung bilden breite, vertikal
verlaufende, natürlich gleichfalls gewirkte Leisten
mit gothischen blattartigen Ranken, die sich
um einen Stab herumschlingen, den Abschlufs
des ganzen Gewebes. Für die Datirung unseres
Stückes gewährt das zuletzt genannte Orna-
mentationsmotiv, der „Laubstab", vielleicht den
sichersten Anhalt. Es ist in die Flächenorna-
mentik ohne Zweifel aus der plastischen Ver-
zierungsweise übertragen worden und scheint,
wie zahlreiche Arbeiten namentlich in Holz und
Stein lehren, von 1500 bis 1520 ganz besonders
beliebt gewesen zu sein.

Wer die Verfertiger dieser beiden Teppiche
gewesen sind, vermag ich leider nicht zu be-
stimmen. Bei der zuerst besprochenen Stickerei
spricht ja nichts dagegen, einheimische Kräfte
als wirksam anzunehmen, vielleicht an fromme
Frauen aus der um Kalchreuth vielfach ver-
dienten Nürnberger Patrizierfamilie von Hallet
zu denken. Dafs aber zu Anfang des XVI. Jahrh.
in Nürnberg bereits eine Offizin für Gobelin-
wirkerei bestanden habe oder dieseTechnik über-
haupt von Einheimischen schon geübt worden
sei, mufs zunächst stark bezweifelt werden, um so
mehr, als beispielsweise die Nürnberger Raths-
protokolle bis tief in's XVI. Jahrh. hinein einge-
sessener Teppichwirker keine Erwähnung thun
und überdies, wie ich kürzlich nachgewiesen
habe,3,! die Thätigkeit niederländischer Wirker zu
Ausgang des XV. Jahrh. in Nürnberg bezeugt ist.
Nürnberg. Th. Hampe.

3) lieber einen Holzschuher'schen Grabteppich
vom Jahre 1495 in den »Mittheilungen des germa-
nischen Nationalmuseunis« 1895 S. lOtf.
 
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