Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

DOI Artikel:
Beissel, Stephan: Die Skulpturen des Portals zu Remagen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0101

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
155

L896. — ZEITSCHRIFT KÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

106

Pforte bestand, aus einer gröfsern im Rund-
bogen geschlossenen, die im Wesentlichen unver-
letzt erhalten ist, in der nur oben neben dem
Schlufstein rechts und links nicht zum Ganzen
gehörige Steine eingefügt sind, und einer
kleineren oben gerade geschlossenen. Ihren
Thürsturz bildete der Stein, worauf ein König
in einem Wagen sitzt (16); ihre Seitenwangen
wurden begrenzt durch die Bilder „Adams"
(13) und „Noes" (14). Neben dem Bilde des
Sonnen wagens (16) und auf dem des Noe aber lag
dasjenige des Jägers (15). Auf dem Thürsturze
endlich soll ein Löwe geruht haben, welcher
jetzt zur Seite eingemauert ist. Ein Kirchen-
portal sei das Ganze nicht gewesen, aber es
habe den Eingang zum Vorhofe einer
Kirche gebildet. Für die Datirung geht der
neue Erklärer herab bis in den Beginn des
XII. Jahrh. Kugler berührte die Sache in seinen
»Kleinen Schriften und Studien zur Kunst-
geschichte« 1854 11, 256 kurz, machte aber
schon damals die wichtige Bemerkung: „Rück-
sichtlich des Inhaltes dieser Darstellungen
möchte man geneigt sein, an Gegenstände
der rheinischen Volkssage zu denken;
— — — der tonsurirte Mann in der Bütte
könnte St. Theonest vorstellen, den die Rhein-
sage in seiner Bütte bei Caub landen läfst".
Kugler's Andeutungen sind dann in den »Mit-
theilungen der Kaiserlich Königlichen Central-
Commission« V, 60 von Riggenbach schärfer
ausgesprochen, welcher Braun's Darlegung als
abnorm und als wenig wissenschaftlich verur-
theilt. Er vermifst in ihr „eine sorgfältige
und genaue Prüfung und Vergleichung der
gleichzeitigen sprachlichen und bildlichen Denk-
mäler". Gehen wir darum auf eine neue
Prüfung der Sache ein, welche der von
Riggenbach aufgestellten Forderung entspricht.

IL
Es kann nach den im Organ 1872 gegebenen
Erläuterungen keinem Zweifel unterliegen, dafs
das Portal ehedem zwei Eingänge hatte,
einen kleinem gradlinig und einen gröfsern, im
Rundbogen geschlossenen. Da nun bis dahin
aus dem XI. bis XIII. Jahrhundert am Rhein
und anderswo kein Beispiel vorliegt, dafs der
Eingang zu einer Kirche oder zu ihrem Vorhofe
so gestaltet worden sei, während ähnliche Bil-
dungen bei profanen Bauten nicht selten sind,
mufs man sich der Ansicht anschliefsen, unser

Denkmal habe einem weltlichen Bau ange-
hört. Diese Auffassung wird eine wichtige Be-
stätigung erlangen durch die Betrachtung der
Bildwerke, welche, soviel sich bis jetzt ermessen
läfst, keinen specifisch religiösen Inhalt ver-
rathen, insbesondere mit der Geheimen Offen-
barung, zu der Braun sie in Beziehung setzte,
nichts zu thun haben.

Ein Bildwerk, dessen Erklärung heute zwei-
felsohne sicher steht, ist der angebliche Sonnen-
wagen (16). Er hat zu Apollo so wenig Be-
ziehungen wie zum heiligen Apollinaris; denn
er gibt einfach eine Episode aus der Alexander-
sage, welche im XII. und XIII. Jahrh. öfter
behandelt und häufig in den litterarischen Denk-
mälern erwähnt wurde. Die hier ausgemeifselte
Szene wurde hinsichtlich der Einzelheiten ver-
schieden erzählt und darum auch verschieden-
artig dargestellt. Unser Basrelief geht auf
diejenige Quelle zurück, welche im XU. Jahrh.
dem Verfasser des Kölner Annoliedes vorlag.
Derselbe sagt: „Mit zwein Grifen vuor her in
Lüften." Sein Gewährsmann hat die Sache also
erzählt: Alexander liefs sich einen Wagen
machen, fing zwei Greife, die er mehrere Tage
hungern liefs und dann an diesen Wagen
spannte. Nun hielt er an zwei Stangen Thiere
über den Köpfen der Greife. Diese wollten
dieselben fressen, erhoben sich zu denselben und
trugen dadurch den Wagen immer höher, ohne
jedoch die Lockspeise zu erreichen. So kam
Alexander bis in die höchsten Regionen.3)

Bildwerke in denen Alexander, wie hier in
Remagen, von zwei Greifen emporgetragen
wird, finden sich auf einem Kapital zu Basel4),
als Friesornament zu Freiburg i. B./') auf Kapi-

:1) Vergl. »Alexander, Gedicht des XII. Jahrh. vom
Pfaffen Lamprecht.« Von H. Weismann, Frankfurt 1850,
I, S. XXXIII u. LVII; II, S. 350; Ekkehardi »Chronicon
universale. De mirabilibus rebus, quas Alexander vi-
disse dicitur« Mon Germ. SS. VI, 71; Didron »An-
nales archeologiques« XXV, 142 s. »Lebende d'Alexandre
le Grand«; Brockhaus »Die Kunst in den Athos-
Klöstern«, Leipzig, Brockhaus, 1891. S. 41: über Dar-
stellungen der Luftfahrt des Alexander auf orienta-
lischen Webereien. — Heinrich III. von England
(+ 1272) liefs die Geschichte Alexanders in einem
seiner Schlösser malen. Schnaase »Geschichte der
bildenden Künste im Mittelalter«. 2. Autl. V, 540.

4) Abgebildet bei Cahier, »Noveaux melangcs
d' archeologie, Curiosites mysterieuses«, Paris, Didot,
1874 p. 165.; Vergl. Goldsehmidt, »Der Albani-
psalter in Hildesheim«. Berlin, Siemens, 189.r> S. 71.

•'•) Abgebildet bei Cahier 1(17; Moller, »Denkmäler
deutscher Baukunst« II, Tafel 10.
 
Annotationen