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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Firmenich-Richartz, Eduard: Die altniederländischen Gemälde der Sammlung des Freiherrn A. v. Oppenheim zu Köln, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0106

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163

1896.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

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erhaltene Kopf fesselt durch seine aufserordent-
liche malerische Behandlung, die Plastik dieser
Modellirung. In unendlichen Nuancen fällt das
Licht auf die knolligen Formen; der reiche
Wechsel zwischen bräunlichen Schatten, Halb-
tönen, heller Beleuchtung hebt jede Unebenheit
der Haut hervor, rundet die Flächen und läfst
die erschlafften Muskeln noch deutlich erkennen.

Ueber den Autor des Gemäldes gibt keine
Signatur Aufschlufs, auch kann sich unsere Be-
stimmung nicht auf alte Tradition berufen;
doch die ganze Durchführung, verbunden mit
der bereits gewürdigten Energie der Auffassung,
deutet mit Bestimmtheit auf den ersten grofsen
Realisten der niederländischen Malerschule Jan
van Eyck hin. Unter den mit erstaunlicher
Genauigkeit und Schärfe der Natur nachgebil-
deten Greisenköpfen des Meisters begegnen uns
einige verwandte Erscheinungen. Mehr noch
als bei „dem Mann mit den Nelken"-') in seiner
unübertroffenen Detailmalerei finden sich diese
Analogien in dem Bildnifs des sogenannten
Kardinal della Croce im Wiener K. K. Hof-
museum3) sowie dem Porträt des Kanonikus
Georg de Paele.*)

Die hiesige Tafel wird in die spätere Schaffens-
zeit des Meisters anzusetzen sein, als er sich
nach Vollendung des Genter Altarwerks dauernd

-') Kg]. Gemälde-Gallerie zu Berlin, Nr. 525 A.
Das berühmte Gemälde war ehemals ein Hauplstlick
der Sammlung Engels zu Köln und gelangte 1874
mit der Sammlung Suermondt in das Berliner Museum.
Stich von Gaillard (»Gazette des beaux arts« 1866),
Photographie Hanfstängl. — Auf einem Bilde der
Anbetung der Könige (Reichsfreiherr von Landsberg-
Velen. Katalog der Ausstellung zu Münster i. W. 1879,
Nr. 1454) verlieh der „Kölner Meister der hl. Sippe"
dem ältesten der Magier die Gesichtszüge „des Mannes
mit den Nelken". Vielleicht darf aus diesem Umstand
der Schlufs gezogen werden, dafs sich das Porträt be-
reits im Anfange des XVI. Jahrh. in Köln befand.

3) K. K. Hofmuseum zu Wien, Nr. 729. Früher
fälschlich „Jodocus Vydt in höheren Jahren" benannt.
Farbenholzschnitt von H. Paar (»Gesellschaft für ver-
vielfältigende Kunst«), Radirung von W. Unger, Photo-
graphie Loewy in Wien.

4) Madonna des Kanonikus Georg de Paele i486
im Museum zu Brügge, Nr. 1 (Katalog von James
Weale). Die Porträtstudie zu dem Kopf des Stifters,
lebensgrofs mit Oelfarbe auf Leinen gemalt, befindet
sich in der Gallerie des SchlossesHamponcourt, Nr.272.
Vergl. Carl Justi in »Lützow's Zeitschrift», Jahr-
gang XXII (1887), S. 251. Lichtdr. im 1. Jahrg. der
»Kunsthistur.Gesellsch. für photogr. Publikationen «1895.

dem Hofdienst bei Herzog Philipp III. von
Burgund entzog und in Brügge noch ein Jahr-
zehnt rüstig seiner Kunst oblag. Er starb dort
am 9. Juli 1440.5)

Jan van Eyck's universale Bedeutung reicht
weit über das Gebiet der Porträtkunst hinaus.
Die ganze sichtbare Welt hat er der malerischen
Darstellung erschlossen. Sein Werk birgt den
Keim aller jener Bestrebungen, die sich später-
hin zu vielgestaltigem künstlerischen Leben in
den Niederlanden entwickelten. Wie keinem
seiner Nachfolger war es Jan van Eyck ge-
geben, die Natur in ihrer heiteren Farbenfrische
und der unerschöpflichen Mannigfaltigkeit ihrer
Bildungen zu belauschen. Er empfand den
Zauber des goldigen Lichts, das im dämme-
rigen Gemach webt, den behaglichen Hausrath
umfängt und sich in jedem Metallgefäfs, den
blanken Kannen und Becken vielfältig spiegelt.
Die ausgedehnteste Fernsicht vermag er in sich
aufzunehmen, um all die unzähligen Einzel-
heiten des waldigen Flufsthales, der volkreichen
Stadt erschöpfend im kleinsten Raum nachzu-
gestalten. Die neue Technik der Oelmalerei
macht die Wunder solch' täuschender Natur-
ausschnitte möglich, sie verlieh seinen Tafeln
jene entzückende Harmonie leuchtender und
gesättigter Farben.

Die religiösen Darstellungen des Jan van Eyck
lassen zwar den Tiefsinn der Kompositionen
seines älteren Bruders und Lehrers Hubert ver-
missen, auch fehlt seinen Heiligen der Glanz
überirdischer Schönheit; der unvergängliche
Reiz seiner feinen Madonnenbildchen beruht
in der Naivetät der Empfindung und schlichter

NatUrwahrheit. (Fortsetzung folgt.)

Bonn. E. Firmenich-Richartz.

5) Ueber das Leben und die Kunst der Brüder
van Eyck vergl. vornehmlich: Waagen »Ueber Hubert
und Jan van Eyck«, Breslau 1822; Hotho »Die Maler-
schule Huberts van Eyckc, Berlin 1855 ff.; James
Weale »Notes sur Jan van Eyck», London 1861;
Waagen »Handbuch der deutschen und nieder-
ländischen Malerschulen«, S. 67 ff.; Kugler »Ge-
schichte der Malerei«, II (18G7), S. 358 ff; Crowe
& Cavalcaselle »The early Flemish Painters«, Lon-
don 1872, deutsche Ausgabe von A. Springer, 1875 i
Schnaase »Geschichte der bildenden Künste«,
Bd. VIII (1876); Wauters »Histoire de la peinture
flamande«; Woltmann-Woermann »Geschichte der
Malerei«, II (1882); Lalaing »Jean van Eyck, in-
venteur de la peinture a l'huile«, Lille 1887.
 
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