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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Schnütgen, Alexander: Ein neues silbervergoldetes Vortragekreuz im spätgoth. Stile
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https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0108

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167

1896.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

108

schliefst und ihnen den Eindruck des Breiten
und Schwerfälligen nimmt, zugleich den Ueber-
gang bildend zu dem umsäumenden leichten
Lilienfries. Dieser würde zu monoton wirken,
wenn nicht aus den Kleeblattendigungen und
den Kreuzmittelverzierungen kräftige, aber sehr
dekorativ gehaltene Fruchthülsen herauswüchsen,
welche für die Silhouettenwirkung ebenso vor-
teilhaft sind, wie die profilirten Gliederungen
der Vierpässe zur Markirung, also zur Rosetten-
wirkung der Ecken wesentlich beitragen. Der
untere Vierpafs erweitert sich ungezwungen zu
einem kleinen sechseckigen Knauf und höchst
geschickt ist das von ihm bekrönte Schaftstück
behandelt, welches, ganz architektonisch aufge-
löst, zwei Reihen von Blendbogen zeigt und
freistehende Eckpfeiler, die unten auf eine weit
ausladende Hohlkehle aufsetzen und nach oben
durch ihre Fialenausläufer und Giebelverzierun-
gen die Leichtigkeit und Gefälligkeit der origi-
nellen Lösung noch erhöhen. Sie bildet einen
ungemein wirkungsvollen Uebergang zu dem
mächtigen getriebenen Knauf, der gedreht und
durch kräftige Mafsvverkzüge belebt, in seinen
weitausladenden dekorativen Pasten die Breiten-
entwickelung des Kreuzes noch einmal wieder-
tönen läfst, bevor er in die stämmige, weil
das Ganze tragende Hülse übergeht, die eben-
falls sechsechig gewunden und mit langgezogenen
Mafswerkprofilen belegt zu dem breiten runden
Ringe sich ausbildet, der unmittelbar den hölzer-
nen Stab, die Tragstange, aufzunehmen die Be-
stimmung hat. In konstruktiver, dekorativer,
praktischer Hinsicht läfst auch diese eigenartige
und doch echt metallische Lösung nichts zu
wünschen übrig. Wesentlich trägt zur leich-
teren Erkennbarkeit dieser klaren Disposition
der wiederum im engsten Rahmen echter Gold-
schmiedetechnik gelegene Umstand bei, dafs
die füllenden Theile durchweg im Silberton
belassen, die Ziergliederungen zumeist vergoldet
sind. Hierdurch wird zugleich ein Farben-
effekt herbeigeführt, wie er ruhiger und harmo-
nischer nicht zu bewerkstelligen, deshalb auch
von den alten Goldschmieden mit Vorliebe
angewandt ist, namentlich in der spätgothischen
Periode. Derselbe wird an einzelnen Kern-
punkten noch erhöht durch prachtvolle, weil
durch wunderbare Farbenzusammenstellungen
sich auszeichnende Emails, die bekanntlich

zu den Bravourleistungen des Künstlers ge-
hören. Sie bestehen am Schafte in den Gruben-
schmelzpasten des Knaufes und den mit Gold-
punkten besäeten Blenden der Durchbrechungen,
am Kreuze selbst vorderseits in den durch-
leuchtenden Buchstaben des Kreuztitels, in dem
kreuzförmigen Vierpafsnimbus hinter dem Haupte
des Heilandes und in den Evangelistensymbolen,
die ganz in Reliefmanier gehalten sind, rück-
wärts in fünf Medaillons, deren Heilige eben-
falls in durchsichtigem Schmelz behandelt sind
bis auf die im Metall belassenen Karnationstheile
und Attribute, welche Technik sich in Köln
bis gegen Ende des XIV. Jahrh. behauptet
hatte, da es gelang, auch eine Art von Fleisch-
ton in Email zu gewinnen. Durch die Dar-
stellungen der Rückseite: Der thronende Apostel
Petrus (nach dem Vorbilde des Kölner Stadt-
siegels) auf dem Kreuzmittel, die Medaillons mit
den hl. drei Königen, den Heiligen Sebastianus,
Hubertus, Laurentius sind die Beziehungen des
Kreuzes zum Dome gewahrt, die noch näheren
Ausdruck finden in der Umschrift des Schaft-
endes: + Ecclesiae Metropolitanae Colonitnsis
Societas parochialis Confralernitaie Ss. trium
Regum adjuvante d. d. MDCCCLXXXXII +.
Die Silberfläche wie der gewundenen Schaft-
rillen so der Frontseite der Kreuzbalken ist
mit einem feinen Rankenornament in Punktir-
manier verziert, welches hier den zarten
Hintergrund bildet für den gegossenen und
ciselirten, edel bewegten und erbaulich ge-
haltenen Kruzifixus, bei dem auch die Ver-
goldung von Haaren, Dornenkrone, Lenden-
tuch der Farbe zu ihrem Recht verhilft. Ein
gravirtes Spruchband mit der Inschrift o crux
ave spes unica verbindet die Medaillons der
Rückseite miteinander und vollendet den
Schmuck der letzteren, die gerade bei einem
Prozessionskreuze besonderen Anspruch auf
einen angemessenen Dekor hat, der für die
Andeutungen der näheren Beziehungen sich
vornehmlich eignet. — So kommt bei dem
vorliegenden Kreuze Alles zusammen, um ihm
den Werth und die Bedeutung eines wahren
Musterstückes zu sichern, welches aus der
Schule der mittelalterlichen Meister heraus-
gewachsen und ganz in deren Geist gehalten
zugleich den höchsten Anforderungen unserer
Zeit entspricht. Schrillt gen.
 
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