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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Justi, Carl: Die Kathedrale von Granada und ihr Baumeister, [1]
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1896. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

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Stufen. Zu derselben Zeit (1519) führte er
den St. Annen-Altar und das Grabmal des
Bischofs Acufia in der Kapelle der Concepcion
aus; wie der Kontrakt vorschreibt, d lo romano.
DieMedaillonfigurenderTugendenandemSarko-
phag sind im Stil des florentinischen Flachreliefs.

Dies ist alles was man über die Anfänge
Siloe's in seiner Vaterstadt weifs. Man sieht,
bei den mafsgebenden Personen war, gewifs in
folge ihres Verkehrs mit Rom, die Vorliebe
für italienische Art verbreitet, und der Sohn
des Gil de Siloe war einer der ersten Spanier,
die sich in sie hineinstudirt hatten. Zehn Jahre
später, und wir finden ihn im Ruf des besten
Baumeisters Spaniens; dieses Ansehen behauptete
er bis über die Mitte des Jahrhunderts hinaus,
darin stimmen Schriftsteller und Fachmänner
überein. Als im Jahre 1539 die Kuppel der
Kirche von Burgos eingestürzt war und das
Kapitel über ihre Wiederherstellung berieth,
richtete ein Baumeister aus Lerma, Bartolomc
Pieredonda, zufällig dort anwesend, einschreiben
an die Herren, in dem er, überzeugt eine ver-
besserte Konstruktion gefunden zu haben, den
Vorschlag macht, einem Kongrefs der ersten
Architekten des Reiches diesen Plan zu unter-
breiten. Die zur Zeit als sachkundigste und
erfahrenste in der Kunst der canieria e xu-
metria anerkannten aber seien vier: Diego
de Syloy, Maestre Felipe, Rodrigo Gil und
Juan de Regines. Meister Philipp ist der Bur-
gunder Vigarni aus Langres, spätestens seit 1498
in Burgos ansäfsig, der auch in der Folge den
Plan der neuen Kuppel gemacht haben soll.
Der an vierter Stelle genannte ist Juan Gil
de Hontafion aus Regines, der die neue Kathe-
drale von Salamanca entwarf; der dritte sein
Sohn Rodrigo Gil de Hontanon, Erbauer dieser
sowie der Kathedrale von Segovia, der letzten
grofsen Unternehmungen Spaniens im Spitz-
bogenstil.

Dieses Unheil des Technikers bestätigen
die Autoren. Der portugiesische Francisco de
Hollanda, der Freund und Verehrer Michel-
angelos, führt ihn (1548) in einer Liste der
Koryphäen der Kunst, der „Adler", wie er sagt,
auf, aber wunderlich genug, als Ornamentisten.

Der Goldschmied Juan de Arphe bezeichnet
(1585) ihn und Covarrubias als die ersten, die
die Kunst der Bramante und Genossen in
Spanien eingeführt. Pater Sigüenza, der erste
Prior des Escorial sagt: Er war der Erste, der

durch sein gutes Unheil den Adel der Kunst
wiedererwecken wollte, obwohl er, fehlend
durch Ueberladung mit pflanzlichen und figür-
lichen Zierrathen, nicht zur Vollendung und
guten Nachahmung des Alterthums durchdrang.
Im Anfang unseres Jahrhunderts nannte ihn
Isidor Bosarte das gröfste Kunsttalent, das
Burgos hervorgebracht, obwohl er zu Namen
gekommen sei erst in seiner zweiten Heimath
Granada. —

Es war im Jahre 1525, dafs Siloe nach Gra-
nada übersiedelte. Doch ist nicht der Dombau
die Veranlassung seiner Berufung gewesen. Am
2. Dezember 1515 war zu Loja Gonzalo de Cor-
doba, der gröfste Feldherr den Spanien be-
sessen hat, verstorben; in seinem Testament
hatte er die Kirche San Gerönimo zu seiner
Ruhestätte bestimmt. Ein Kloster nebst Kirche
des Hieronymiterordens war schon 1494 von
Isabella der Katholischen gestiftet worden, aber
erst im Jahre 1519 wurde an der jetzigen
Stelle der Grundstein zur Kirche gelegt, und
erst 1523 hatte Gonzalo's Wittwe, Herzogin
von Terranova, die erforderlichen Schritte ge-
than, um sich das Gebäude für jenen Zweck
zu sichern. Als Gegenleistung übernahm sie
die Kosten der Vollendung des Baues; es han-
delte sich um den westlichen Hohen Chor,
Querschiff und Altarkapelle,2) in deren Mitte
das Denkmal aufgestellt werden sollte.

Zu jener Zeit kam in Spanien der Geschmack
auf an einer fast schrankenlos reichen, plastisch-
figürlichen Ausstattung solcher Prachträume
— Sakristeien, Grabkapellen. In S. Gerönimo
sollten im Querschiff, an Pendentifs, Gewölbe
und Kuppel die sonst üblichen Malereien völlig
durch Statuen und Reliefs ersetzt werden. In
Italien, das die Schule der spanischen Bildhauer
dieser Zeit geworden war, würde eine solche Pro-
fusion von Skulptur kaum für geschmackvoll ge-
golten haben. Die Kirche der Doria, S. Matteo
in Genua (1543), erscheint im Vergleiche damit
mafsvoll. — Man hatte also hier nicht blofs
einen Baumeister, mehr noch einen erfinderischen

-') In der spanischen Kirche heifst der Altarort,
die Apsis der allen Kirche, stets Capilla mayor,
Hruiptkapelle. „Chor" ist nur im ursprünglichen Sinne
zu verstehen, als Chor der Sänger, der Geistlichen,
des Kapitels; er liegt im Mittelschiff. Da „Haupt-
kapelle" ungewöhnlich klingt, so ist der Klarheit wegen
im folgenden die freilich moderne Bezeichnung Altar-
haus gebraucht.
 
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