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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Justi, Carl: Die Kathedrale von Granada und ihr Baumeister, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0131

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2J1

18UÜ. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr.

212

Capilla mayor, zu versuchen. Das grofse Ost-
achteck, das Toledo in der Kapelle S. lldefonso,
Burgos in der Condestabilekapelle besafs, bisher
ein blofses Anhängsel, wird nun, verbunden mit
Umgang und Kapellenkranz, selbst zum Sank-
tuarium. Die Vierungskuppel, ein Prachtstück
von blofs ästhetischer Bedeutung, wird zur Be-
krönung, zum erhabensten tektonischen Aus-
druck des Altarraumes, gleichsam ein in's Riesen-
hafte übertragener Baldachin, ein Ciborium, —
wie in St. Peter die Kuppel über der Konfession
schwebt.

Dafs Siloe den Grundrifs aus dem ersten
Bauplan übernommen hat, dafür spricht end-
lich auch der Umstand, dafs ihm dessen An-
passung an seinen in dem neuen Stil durch-
geführten Aufrifs doch nicht ganz gelungen ist.
Der Triumphbogen schneidet in unschöner, un-
organischer Weise in das Kämpfergesims und
dessen Pilaster ein, ja seine Laibung wird
nach dem Scheitel zu durch die vordringende
Krümmungsfläche der Kuppel verengt.

In welcher Art Egas die Vermittelung des
unteren Siebenecks und des Triumphbogens
mit seinem regelmäfsigen Zehnkappengewölbe
sich gedacht hatte, darüber mögen Techniker
Vermuthungen anstellen. Auch die jetzige
Kathedrale aber verdankt ihre Raumwirkung
seinem Plan. Wäre dieser auch in den Formen
ausgeführt worden, für die er ersonnen war, so
würde die Kirche vielleicht manche Schönheiten
entbehren, gewifs aber einen Vorzug haben,
Einheit des Stils. Statt dessen haben wir nun
einen gothischen Körper, der in ein klassisches
Gewand gehüllt ist; ein Zwittergebilde, wie
St. Eustache in Paris. Auf den Unbefangenen
kann der erste Eindruck nicht anders als bizarr
sein. Und wenn man einen Blick auf die
wenig Jahre ältere herrliche Capilla Real da-
neben richtet, die so unübertrefflich den roman-
tischen Geist und Aufschwung der vorherge-
gangenen grofsen Zeit zum Ausdruck bringt,
so wird man sich doch für diesen zur Unzeit
gekommenen Wechsel des Geschmacks schwer
begeistern können.

Ein Glück war es, dafs wenigstens die Ueber-
gangsformen Siloe's, Dank dem konservativen
Sinn des Kapitels, auch während des durch's

ganze XVII. Jahrh. sich fortschleppenden Weiter-
führung des Baues festgehalten werden mufsten.
(S. Abbild. 4.) So sind die Netz- und Rauten-
gewölbe merkwürdigerweise noch bis zum Ab-
schlufs des Langhauses im Anfang des XVIII.
Jahrh. beibehalten worden. Es braucht kaum
bemerkt zu werden, dafs es Kuppelgewölbe sind,
und ihr an sich gefälliges Rippenwerk nur
dekorative Bedeutung hat. Der modern-klassische
Eindruck beruht auf den Pfeilern, die in der
korinthischen Ordnung, viereckiger Kern mit
Vorlagen und Halbsäulen, komponirt sind. Sie
sind eigentlich eine etwas unklassische Ueber-
setzung des gothischen Pfeilerbündels in die
klassische Ordnung. Da diese ihre festen Pro-
portionen hat, die die Halbsäulen, wenn man
ihnen die volle Höhe des Pfeilers geben
wollte, weit überschritten hätten, so half sich
der Baumeister, indem 'er oben und unten ein
beträchtliches Stück abschnitt, den unteren Ab-
fall zum Postament gestaltete und aus dem
oberen eine Art Kämpferaufsatz machte. Es ist
das bekannte Gebälkfragment, das Brunelleschi
in S. Lorenzo in seine moderne Säulenbasilika
eingeführt hatte. Im Interesse der klassischen
Schönheit wurde zu diesem häfslichen und ab-
surden Stelzensystem gegriffen, dem unglück-
lichsten Motiv, das die Renaissance wieder aus-
gegraben hat. —

Die Kathedrale von Granada hat trotz der
Bewunderung, die sie fand (man nannte sie
das achte Weltwunder), keine eigentlichen Nach-
bilder gefunden. Das ist kein Wunder. Der
Zug der Zeit führte zu einer Nachahmung der
italienischen Muster, die jedes selbständige Ur-
theil erdrückte. Wenige Jahre nach der Ein-
wölbung des Zehnecks begann Philipp IL den
Escorial, dessen Baumeister ihre Schule an
S. Peter in Rom gemacht hatten. Diese isolirte
Stellung kann natürlich ihrer Bedeutung keinen
Abbruch thun, so wenig wie dies etwa bei
der Sophienkirche der Fall ist; der Werth eines
Bauwerks mifst sich nicht nach der Zahl seiner
Wiederholungen. Nur ein Beispiel hl Spanien ist
mir bekannt: die Kirche S. Salvador in Ubeda,
ein Bau des Valdelvira, wo das Altarhaus auch
die Form einer Rotunde hat. [ScUuft folgt.)

Bonn. Carl I u s 1 i.


 
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