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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Justi, Carl: Die Kathedrale von Granada und ihr Baumeister, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0145

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237

1896. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

238

Zwischen Pilaster- und Säulengruppen öffnet
sich die Pforte in reichem Rundbogen, aus
dessen Zwickeln Apostelbüsten, Engelköpfe in
Medaillonform hervorsehen. Ueber der Thür ragt
eine Relieftafel, oder das Rund eines Mutter-
gottesbildes, umgeben von kühn geschwungenen
Ornamentmotiven: Greifen, Voluten von Akan-
thusblättern bekleidet, Fufs- und Kopfende in
Thierformen auslaufend. Rechts und links über
jenen Säulen monumentale Kandelaber mit
lodernden Flammen. — In den Füllungen der
Flächen — Pilaster, Friese, Basen — hat das
monströse Element völlig das pflanzliche und
fictile verdrängt. Im Fries eine rhythmische
Wellenbewegung von Gruppen: Centauren,
Drachen, Widder, die aus Kelchen hervor-
wachsen, wie Wappenthiere eine Vase, ein Em-
blem zwischen sich nehmend. In den Pilaster-
schaften ruheloser Wechsel der Gestalten, wie
die Gedankenflucht eines Traumes, Wechsel
selbst innerhalb derselben Gestalt: Unthiere,
Sphinxe, Harpyien, ein Storchbein, an dessen
Gelenk Flügel sitzen, während oben eine bär-
tige Maske uns angrinzt.

Diese plastischen Delirien sind gewifs von
bestrickend malerischem Reiz, ganz gemacht
unsere Modernen um ihren Rest von Ver-
stand zu bringen. Mit der Architektur stehen
sie kaum noch in Beziehung und in fast räthsel-
haftem Widerspruch zu der Bestimmung des
Gebäudes. Kaum dafs hier und da ein ver-
lorenes religiöses Symbol, ein Seraph, eine
Muschel auftaucht. Uebrigens liegt ihr künst-
lerischer Werth keineswegs blofs in dem
stürmisch bewegten Zug der Linien, in der
Fiebergluth der Phantasie. Viel mehr noch
in dem plastischen Leben dieser Gebilde, der
Eleganz der Modellirung, in der tadellos feinen
Abwägung der Theile zum Ganzen.

Das Merkwürdigste aber ist, dafs man doch
sehr irren würde, wollte man den Meister sich als
befangen vorstellen in diesem Geschmack. Er liefs
sich eben forttragen vom Strom der Mode, die
er freilich selbst aufgebracht hatte. Im Grunde
aber hielt er, wie alle Künstler seines Bekennt-
nisses, den Anschlufs an die klassischen Ord-
nungen für das Merkmal, ja für das Eins und
Alles der guten Architektur; er liefs das, was
nicht im Vitruv stand, nur aus Connivenz zu.
Sein erfinderisches Temperament, der Genius
des Orts, war mächtiger als dies System. Aber
inmitten der steigenden Erfolge regte sich zu-

weilen das Gewissen des echten Renaissance-
mannes, geschärft vielleicht durch den vor
seinen Augen erstehenden Palast des Kaisers
auf der Alhambra. Er konnte sich dann der
Besorgnifs nicht erwehren, dafs er Afterkunsl
treibe.

Bis vor kurzem besafs Granada noch einen
Bau, den er in den vierziger Jahren nach ganz
anderen Grundsätzen aufgeführt hatte. Es war
der Mirador auf dem Platze Bibarrambla, ein
Gebäude, bestimmt als Zuschauerbühne für den
Magistrat bei den grofsen Festen, die hier seit
der maurischen Zeit gefeiert wurden. Eine
vielstöckige Fassade, drei Geschosse mit Ar-
kaden dorischer, jonischer und korinthischer
Ordnung; darüber war eine Attika mit zehn
Fenstern und dem kaiserlichen Wappen be-
absichtigt.

In einer Denkschrift von 1540 erklärt er,
hier die Maafse zeigen zu wollen, die die ge-
feierten römischen und griechischen Meister
aufgestellt haben. Deshalb würde er alles bis
dahin in dieser Stadt Geschaffene übertreffen.
Nichts Kunstloses, nichts Unschönes dürfe sich
hier einschmuggeln. Das klingt wie ein Be-
kenntnifs, dafs er sich bisher nur herabgelassen
habe zu denen, die in den Vorhöfen der wahren
Kunst hausen. Er hatte sich wirklich in diesem
Mirador so enthaltsam gezeigt in den Verzie-
rungen, dafs man ihn früher oft dem Herrera,
dem Baumeister des Escorial und Antipoden
des plateresken Stils zugeschrieben hat. Ein
Brand hat im Jahre 1879 diesem Denkmal seiner
späten Reue ein Ende gemacht.

Im Jahre 15(12 fühlte Diego Siloe, dafs seine
Tage gezählt seien, am 31. Januar 1563 diktirte
er sein Testament. Zum Universalerben des
Vermögens, nach Abzug zahlreicher Legate
und Stiftungen, setzte er das Hospital von
S. Juan de Dios ein. Der Gesammtbetrag des
Nachlasses wird nicht angegeben, nur das er-
fährt man, dafs bei seiner zweiten Heirath
(1541) die Inventarisation 4311836 maravedis
(= 25 364 Mark Nennwerth) ergeben hatte.
Seiner Wittwe, Ana de Bazan, bestimmte er,
außer der zugebrachten und zuerkannten Mit-
gift, die Nutzniefsung des Hauses auf Lebens-
zeit, nebst Mobiliar, Sklaven und Sklavinnen,
Tapeten, Leinen u. s. w., auch einen Silber-
pokal mit vier Henkeln. Dieses Haus ist noch
vorhanden, Callc Angosia de la botica $, es
hat ein Höfchen mit drei Säulenhallen; in dem
 
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