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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Schnütgen, Alexander: Neue Monstranz im spätgothischen Stile
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301

1896. — ZEITSCHRIFT KÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

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Geltung kommen, wenn der Grund, anstatt
die matte Goldkörnung zu bekommen, im
Silbertone belassen wäre. Dieser stämmige,
gewundene Schaft, der einen Nodus ebenso-
wenig erträgt als bedarf, löst sich unter dem
Aufsatze wieder in seine vier Zweige auf, die
gleichfalls unter stark ausladendem Blattgekröse
versteckt, auf der Vorder- und Rückseite als
spitze Ranken endigen, auf den Seiten den
Sims überklimmend in je einen Blüthenkelch
mit Standfigürchen endigen, unmittelbar neben
der gewundenen Säule, welche in glücklichster
Kombination die Entwickelung zum Sechseck
für den Aufsatz vermittelt. Den eigentlichen
Kern desselben bildet nämlich eine quadra-
tische Platte, welche auf den beiden Seiten um
ein halb so breites Dreieck erweitert, die durch
Hängefries, Kehle und Schmiege ringsum ver-
zierte Basis für den ganzen Aufbau abgibt.
Aus dem Quadrum entwickelt sich, von vier
gewundenen Säulen umstellt, das rundbogig
geschlossene Gezelt, dessen vier Rahmen durch
Glasplatten ausgefüllt werden, um nach allen
Seiten hin die heilige Hostie zu zeigen, welche
durch das Fenster der Rückseite auf die ein-
fachste Art eingeführt werden kann, in der von
einem knieenden Engel gehaltenen reichver-
zierten Lunula. Eine gedrehte Kordel fafst auch
oben den Rundbogen der profilirten Rahmen
ein und die Zweige, die aus jener Kordel in
der Mitte wie auf den Ecken herauswachsen,
um in Blüthenkelche auszulaufen, sorgen wie
für den Dekor, so für den harmonischen Ueber-
gang vom Tabernakel zur Bekrönung. Und
wenn auf den vier Ecken anstatt des Frucht-
knotens je ein Engelstatuettchen dem Kelche
entsteigen würde, so wäre dieser Uebergang
noch vollkommener vermittelt, die Einheitlich-
keit noch besser gewahrt. In einer starken
Hohlkehle besteht das Verjüngungsglied und
auf ihm baut sich der luftige Baldachin auf,
dessen vier rankenumwundene schlanke Säul-
chen unten durch eine durchbrochene Gallerie
verbunden, zwischen ihren krabbenbesetzten
Bekrönungsrippen üppiges Blattwerk zu einer
durchsichtigen Kuppel sich verbinden lassen,
wiederum mit zierlichen Blumenstengeln an den
Knotenpunkten der Kapitelle. An dem Ver-
einigungspunkte der vier Rippen vereinigen
sich auch die beiden blattwerkumwundenen
Ranken, welche die Laube flankiren, zum Spitz-

bogen. Dieser, aus den dreiseitigen Baldachinen
aufsteigend, welche das Tabernakel seitlich ver-
zieren, sichert dem Aufsatze bis zu seiner Spitze
die sechsseitige Gestalt und trägt zur male-
rischen Wirkung desselben so wesentlich bei,
dafs er unter keinen Umständen fehlen durfte,
trotz seiner ornamentalen Auflösung das kon-
struktive Prinzip nicht verleugnend. In einen
Blattwerkknauf geht fast zu unvermittelt der
Baldachin über und wenn auf ihn zu stumpf
die Kreuzigungsgruppe aufsetzt, so trägt daran
die Schuld nur die oben bereits erwähnte Be-
schränkung in Bezug auf die Höhe.

Dafs trotz des ungemein dünnen Aufbaues
die Monstranz nicht dürr und öde erscheint,
wie die meisten spätgothischen Monstranzen,
hat vornehmlich seinen Grund in dem üppigen
Rankenwerk und Blattschmuck, aber der flotte
Ton, der diese beherrscht, ist nirgendwo auf
Kosten der Zeichnung und des Stiles er-
reicht, was sonst nur zu oft und zu leicht
geschieht. Vielmehr sind die Blätter, die
grofsen wie die kleinen, so korrekt ausge-
sägt, durch aufgelöthete Nerven verstärkt, ver-
schnitten, endlich ausgetrieben, dafs die geübte
Meisterhand überall sich bemerkbar macht.
Der fast zu starke Goldglanz wird nicht uner-
heblich gemildert durch zahlreiche Korallen-
perlen und Rosettchen von Türkisen, Granaten,
Brillanten, die ihre frühere Bestimmung als
weiblicher Schmuck zumeist noch erkennen
lassen, und der die Himmelskönigin umgebende
Kranz ist aus durchsichtigen (ä jour) Email-
strahlen gebildet, also in einer von dem auf
diesem Gebiete bekanntlich ungemein bewan-
derten Meister wiedergewonnenen brillanten
Technik. Dieser Figur (aus Rücksicht auf das
Patrozinium der Kirche für diese bevorzugte
Stelle gewählt, aber aus liturgischen Rück-
sichten hier, direkt über der hl. Hostie, wohl
nicht zulässig) ist mit Recht der Silberton be-
lassen, wie den übrigen Figuren, die den
hl. Joseph, den hl. Bischof Lupus, St. Franzis-
kus Xaverius und Aloysius darstellen, sowie
die beiden an Drähten schwebenden Engel,
denen besser die gleich unter ihnen auslaufen-
den Blumenkelche zur Aufnahme sich entgegen-
strecken würden, obgleich auch das Vorbild diese
schwebende Haltung zeigt. Auch wäre in stilisti-
scher Hinsicht den Figuren eine etwas gröfsere
Uebereinstimmung zu gönnen. Schnutgen.
 
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