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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 4
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Witte, Fritz: Die Sage vom hl. Gral und die Liturgie
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0068

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109

1913. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr 4.

110

In diesem Falle wäre also missorium wohl
von missa abzuleiten, das was zur Meßfeier
gebraucht wird, ähnlich wie beispielsweise
lectionarium das bedeutet, was zum Lesen
dient, das Lesepult. Auch die Bezeichnung
„orbiculus" bietet keine Schwierigkeiten,
ovale und runde Tragaltäre waren verhältnis-
mäßig häufig, hingewiesen sei auf den in
Besancon aufbewahr-
ten, auf den Fredegars
Beschreibung absolut
paßt8). Ist sein misso-
rium der Westgoten
mit dem Gral der Sage
tatsächlich identisch,
und die Wahrschein-
lichkeit spricht sehr
dafür, dann stehen wir
nicht an, auf ein dem
früher Mittelalter er-
haltenes Tragaltärchen
hinzuweisen, um ein
greifbares Bild vom
Gral zu haben, näm-
lich auf den Zibo-
rien - Tragaltar des
Kaisers Arnulf v. K.
in der Reichen Kapelle
in München (Abb. 1).
Der eigentliche Altar
besteht aus einem
Diptychon, also aus
zwei zusammenleg-
baren Platten, die in
ihrem kastenartigen
Innern eine Kreuz-
partikel bargen, auf
die man durch
einen an der
Schmalseite be-
findlichen Berg-
kristall schauen
konnte; auch hier
also die Vorstellung

der Gralsage, in der die Ritter durch einen
Stein auf das Heiligtum- schauen. Wahr-
scheinlich war im Gral anstatt der Kreuz-
reliquie die des hl. Blutes, wie bei der Lud-
geruspatene in Werden. Über der Altarplatte
wölbt sich auf vier Säulen ein Baldachin, wie
die Altarplatte aus Holzkern mit reichem ver-
goldetem Metallbeschlag und Edelstein-

8) Abgeb. bei Cabrol

Abb. 3. Eucharistische Taube

»Dictionnairec s. v. autel.

schmuck. Zudem Altar gehört der reiche Kelch
aus Kristall mit Metallmontierung. Wenn ich
Sterzenbach beipflichte in der Vermutung,
daß Fredegars missorium der Gral sei, so
veranlaßt mich dazu vornehmlich eine Aus-
legung, die ich im Gegensatz zu ihm einer
bei Wolfram zu findenden Bezeichnung des
hl. Gral gebe, nämlich des „lapsit exillis".
Die Erklärung des
lapsitals Verstümme-
lung von lapis = Stein
ist wohl [eine allge-
meine; bei exillis hat
man an ex celis = aus
dem Himmel, oder an
exitus, exercitus (Ge-
nit.) = Feldaltar ge-
dacht. Warum nicht
zu der meines Er-
achtens näher liegen-
den Erklärung greifen
„lapis vexillis" -
der als Standarte dem
Heere vorausgetragene
Altar? Parallelen dazu
könnte man genügend
anführen: die Bundes-
lade, welche die Juden
als Helfer im Streite
mit sich gegen den
Feind führen, dieFahne
des Propheten, die
Reliqiuen des Moham-
med usf. Darf man
da nicht vielleicht hin-
weisen einmal auf den
Hüter des Grales, den
,,Fischerkönig", wie er
ausdrücklich genannt
wird, so auf den Um-
stand, daß die grie-
chischen Liturgien, zu
deren Ablegern wir
auch die mozarabische
zählen, auf der hl. Hostie die Inschrift an-
brachten ICXCNIKA = Jesus Christus siegt?
Der ix&*>? = Christus erscheint auch sonst
noch einmal als vexillum, im Psalterium aure-
um von St. Gallen trägt David seinen Kriegern
auf einer Stange den Fisch als Standarte
gegen den Feind voraus. Der Hinweis auf
das konstantinische Labarum mit der Formel
iv rovxip vlxa = in diesem Zeichen siege,

'Nach Viollel-le-Due.)
 
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